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DAV und BWD: Qual der Wahl oder komplementäres Angebot?: Mehr Ein­fluss für Wirt­schafts­kanz­leien?

von Stefan Schmidbauer

14.04.2022

Mann im Anzug hält Fäden in der Hand

Der Wunsch von Wirtschaftskanzleien nach mehr Gehör und Einflussmöglichkeiten wurde erhört. Bild: Andrey Popov | stock.adobe.com

Seit Ende März steht mit dem BWD ein neues Angebot zur Interessenvertretung für Wirtschaftskanzleien parat. Anfang April startete der DAV ein Forum, das sich der gleichen Zielgruppe zuwendet. Chance oder Risiko für die Branche?

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Die Zeiten mangelnder Visibilität und fehlender Möglichkeiten, Einfluss auf wichtige Entscheidungen in Politik und Justiz zu nehmen, dürften der Vergangenheit angehören: Wirtschaftskanzleien haben seit Kurzem mehr Auswahl bei der Überlegung, wem sie die Vertretung ihrer Interessen anvertrauen sollen.

Seitens der Kanzleien wünscht man sich mehr Schlagkraft in der Außendarstellung und mehr Gehör an den Stellen, wo relevante Entscheidungen in Politik und Justiz diskutiert und getroffen werden. Ob besonderes elektronisches Anwaltspostfach (beA), Massenverfahren oder auch im Hinblick auf die digitale Transformation und Legal Tech: Bei zentralen Weichenstellungen will man künftig von Beginn an mit am Tisch sitzen und den eigenen Blickwinkel in die Gestaltungsprozesse einfließen lassen.

Der Deutsche Anwaltverein (DAV) nahm Kritik und Wünsche bezüglich einer stärkeren Berücksichtigung der Belange von Wirtschaftskanzleien zum Anlass, um ein Forum zu etablieren, das dem offenen Austausch und einer zielgerichteteren Zusammenarbeit dienen soll. Parallel dazu tritt der neu gegründete Bundesverband der Wirtschaftskanzleien in Deutschland (BWD) mit dem Versprechen an, die Interessenvertretung der Branche zeitgemäßer zu gestalten und die laufende Transformation des Rechtsmarkts voranzutreiben.

Zum Zeitpunkt der Gründung am 29. März 2022 gehörten dem BWD 31 Kanzleien an, die allesamt am deutschen Rechtsmarkt vertreten sind. Kombiniert erwirtschaften die Gründungsmitglieder einen Jahresumsatz von mehr als zwei Milliarden Euro, sie beschäftigen rund 17.000 Mitarbeitende. Wie LTO in Erfahrung bringen konnte, haben sich im Nachgang mit Friedrich Graf von Westphalen & Partner sowie Haver & Mailänder zwei weitere Kanzleien für eine Mitgliedschaft im BWD entschieden.

Was kann und will der BWD?

Das Mitglieder-Spektrum des BWD umfasst Großkanzleien wie CMS, Heuking Kühn Lüer Wojtek oder Luther, aber auch kleinere Einheiten wie die Münchener Kanzlei Westpfahl Spilker Wastl, für die aktuell acht Anwältinnen und Anwälte beratend tätig sind. Heuking hatte das Projekt BWD bereits in einem frühen Stadium begleitet. Dort erhofft man sich, dass der Austausch unter den Mitgliedskanzleien zu einer weiteren Verbesserung der Qualität der Leistungen und des Angebots wirtschaftsberatender Kanzleien für die Mandanten führt. "Durch die Mitgliedschaft möchten wir dazu beitragen, die Wahrnehmung und das Image von Wirtschaftskanzleien weiter zu stärken", erläutert Managing Partner Dr. Philip Kempermann.

Der Verband will Sprachrohr und Bindeglied seiner Mitglieder im Zusammenspiel mit Vertretern aus Politik, Justiz und Wirtschaft sein. Gleichzeitig sollen Austausch und Beratung zu Aspekten wie Kanzleistrategien, Management und Organisation, Marketing aber auch Diversity im BWD eine Heimat finden. Relevante aktuelle Themen wie Geldwäsche, New Work oder Cyber Security werden in Task Forces aufgegriffen und verwertet. Priorität genießen derzeit jene Aspekte, die sich aus der Koalitionsvereinbarung der Bundesregierung ergeben.

Der BWD setzt auf Schwarmintelligenz. Unterstützung, Meinungen und Expertise von außen dockt man in Gestalt von Boards an. Aktuell gibt es ein Advisory Board, dem Juristinnen und Juristen aus Unternehmen angehören, sowie ein Scientific Boards, das sich aus Vertreterinnen und Vertretern von Hochschulen zusammensetzt und einen akademischen Blickwinkel auf die Branche abbildet.

BWD buhlt um weitere Mitglieder

Thomas WegerichDie beiden Verbandsinitiatoren Stefan Rizor und Prof. Dr. Thomas Wegerich sind zuversichtlich, dass die Zahl der Mitglieder in den kommenden Wochen steigen wird. Mit Blick auf die Zielgruppe zeigt sich der BWD offen, es sollen alle Varianten von Kanzlei-Geschäftsmodellen angesprochen werden. Der BWD spielt dabei auch den Trumpf der Kanzleimitgliedschaft aus, die es beim DAV so nicht gibt.

Stefan RizorBei der Zusammensetzung des Vorstands hat man sich dafür entschieden, einen Platz für Un- und Spätentschlossene freizuhalten. Die Satzung sieht neun Mitglieder vor.

Aktuell ist das Gremium mit sechs Vertreterinnen und Vertretern der Gründungsmitglieder plus Vorstandssprecher Stefan Rizor und Thomas Wegerich, der als stellvertretender Vorstandssprecher agiert, besetzt.

Insbesondere die Vertreter des Magic Circle und weitere Großkanzleien konnte der BWD bis dato noch nicht von den Vorteilen einer Mitgliedschaft überzeugen. Woran das liegt erklärt Stefan Rizor gegenüber LTO damit, dass der BWD ein neues Konzept entwickelt habe und bei einigen Kanzleien der Wunsch vorhanden sei, zunächst abzuwarten, ob dieses Konzept aufgehe.

DAV will Abnabelung verhindern

Es bedarf keines überdurchschnittlichen Interpretationsvermögens, um die Verstimmung aus den Einschätzungen und Ankündigungen herauszulesen, die der DAV gegenüber LTO getätigt hatte. Der Gründung des BWD setzt man das schon länger geplante 'Forum für Wirtschaftskanzleien' entgegen und will so eine vollständige Abnabelung verhindern.

Aus der Auftaktveranstaltung am 7. April nahm der DAV Zuversicht mit: "Der heutige Auftakt des DAV-Forums für Wirtschaftskanzleien zeigt Aufgeschlossenheit aller Beteiligten und Bereitschaft zum konstruktiven Zusammenwirken trotz vielfältiger Interessenlagen", heißt es. Man sei optimistisch hinsichtlich einer für alle fruchtbaren langfristigen Zusammenarbeit. Neben der gemeinsamen Projektarbeit sollen künftig bei Bedarf auch Themen ad hoc aufgegriffen werden. Aus Teilnehmerkreisen ist zu hören, dass die erste Zusammenkunft noch keine weitreichenden Neuigkeiten brachte. Ein zweites Treffen ist für den 3. Mai angekündigt.

Beim BWD gibt man sich zur Frage der Konkurrenzsituation höchst entspannt. Das eigene Angebot sei komplementär zum DAV zu sehen. BWD und DAV hätten zu einem regelmäßigen Dialog gefunden, heißt es von Stefan Rizor. Man will miteinander statt gegeneinander arbeiten und Möglichkeiten zur Kooperation ausloten.

Ist mehr in diesem Fall also mehr oder droht doch eine Spaltung in der Branche? Die ersten Eindrücke lassen erwarten, dass die Beteiligten, insbesondere die Kanzleien, durchaus von der veränderten Ausgangslage profitieren könnten. Konkurrenz belebt das Geschäft. Die Annahme, dass sich eine stärkere Wahrnehmung eher erreichen lässt, wenn man mehrgleisig fährt, ist plausibel.

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DAV und BWD: Qual der Wahl oder komplementäres Angebot?: . In: Legal Tribune Online, 14.04.2022 , https://www.lto.de/persistent/a_id/48163 (abgerufen am: 19.05.2025 )

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