Einige große Wirtschaftskanzleien fühlen sich durch den DAV nicht ausreichend repräsentiert und denken über eine eigene Interessensvertretung nach. Mit einer neuen Plattform will der DAV eine Spaltung verhindern.
"Zum Selbstverständnis des DAV gehört, Interessenvertreter der gesamten Anwaltschaft zu sein." Mit diesem Satz läutete der Deutsche Anwaltverein (DAV) die Mitteilung ein, in der die Gründung der Plattform "FORUM für Wirtschaftskanzleien" angekündigt wurde. Die Initiative darf als Friedensangebot an jene Wirtschaftskanzleien verstanden werden, die ihre Bedürfnisse durch den DAV zuletzt nicht mehr in ausreichendem Maß vertreten sahen und laut darüber nachdachten, einen eigenen Verband ins Leben zu rufen.
Am 7. April wird die neue Plattform starten, mit der laut DAV den "spezifischen Interessen" der Wirtschaftskanzleien innerhalb des Verbands mehr Gehör verschafft werden soll. Ob sich mit dem Vorstoß die entstandenen Differenzen ausräumen lassen, bleibt zunächst offen, der Adressatenkreis zeigt sich aber zugewandt.
DAV-Initiative erfährt positives Echo
"Dass der DAV den Austausch mit den Wirtschaftskanzleien nun deutlich forcieren will, ist eine sehr gute Nachricht. Dieser Austausch dient am Ende der Interessenwahrnehmung und Präsenz der gesamten deutschen Anwaltschaft, auf nationalem wie auf internationalem Parkett. Der Einladung des DAV zur Mitarbeit im Forum für Wirtschaftskanzleien folgen wir daher gerne", kommentiert Dr. Peter Dieners, Regional Managing Partner bei Clifford Chance, die Pläne gegenüber LTO.
Andreas Okonek, Partner und Vorsitzender des Managementausschusses bei Redeker Sellner Dahs, sieht ebenfalls einen Schritt in die richtige Richtung: "Wir begrüßen und unterstützen die Initiative nachdrücklich", lässt er LTO wissen.
Auch bei Hengeler Mueller ist die Resonanz positiv. Prof. Dr. Dirk Uwer, Partner im Düsseldorfer Büro der Kanzlei, ordnet das Vorhaben gegenüber LTO ein: "Hengeler Mueller begrüßt die Initiative des DAV, mit dem "Forum für Wirtschaftskanzleien" eine Plattform für die Repräsentation der spezifischen Belange von Wirtschaftskanzleien innerhalb des DAV zu schaffen. Eine solche Plattform wird es den Gremien des DAV erleichtern, den in den Wirtschaftskanzleien gebündelten Sachverstand bei der Schaffung moderner Verbandsstrukturen und einer zeitgemäßen Corporate Governance effektiver bei den notwendigen Strukturreformen innerhalb des DAV einzubeziehen."
Kann der DAV eine Abspaltung noch verhindern?
Worum geht es den Wirtschaftskanzleien konkret? Zwar ist Unzufriedenheit zwischen den Zeilen herauszuhören, allzu deutliche Kritik möchte man öffentlich dann aber doch nicht äußern. Man habe unterschiedliche Standpunkte und tausche sich darüber auch mit dem DAV aus. Einen ernsthaften Konflikt gebe es aber nicht, so der Tenor. Mangelnde Visibilität ist dem Vernehmen nach ein Thema, auch hinsichtlich der Einflussnahme auf der Ebene politischer Willensbildung und der zugehörigen Entscheidungsfindung sei viel Luft nach oben, heißt es.
Vor allem aber wünscht man sich mehr Vertreter aus den eigenen Reihen und mehr Gehör in den Ausschüssen des DAV. Das klingt auch bei Andreas Okonek an: "Wir sehen ein DAV-Forum für Wirtschaftskanzleien als konsequenten und notwendigen Schritt, um den bereits in vielen Ausschüssen des DAV stattfindenden Austausch zwischen den unterschiedlichen Gruppen innerhalb der Anwaltschaft zu vertiefen und auszubauen und dabei insbesondere die Interessen der Wirtschaftskanzleien stärker zu berücksichtigen."
Kann sich der DAV weit genug strecken und so verhindern, dass es zu einer Abspaltung kommt, ohne dabei andere Mitglieder zu verärgern? Selbst wenn man die Wirtschaftskanzleien isoliert betrachtet, sind die individuellen Ansprüche höchst unterschiedlich. Eine Großkanzlei mit internationaler Ausrichtung tickt anders als spezialisierte Einheiten mit einer Handvoll Anwältinnen und Anwälten und einem entsprechend kleineren Radius.
Entsprechend kompliziert wird es, wenn man - wie der DAV - die ganze Klaviatur des Anwaltsmarktes bespielen muss. Kommt man einer Interessengruppe besonders entgegen, weckt man wiederum an anderer Stelle Begehrlichkeiten.
Vor der Entscheidung steht der Austausch
Die Entscheidung ob man wieder zusammenfindet oder es doch zu einem Alleingang kommt, wird nicht kurzfristig fallen. Der DAV sucht den Austausch mit den Wirtschaftskanzleien und ist bemüht, Ursachen und Lösungsmöglichkeiten zunächst einmal im verbandsinternen Dialog zu diskutieren.
Die Umworbenen werden sich die Zeit nehmen und insbesondere ab dem 7. April abklopfen, wie ernst es dem DAV mit seiner Absichtsbekundung ist. Wird es ein großer Wurf inklusive Zusagen im Hinblick auf strukturelle Veränderungen zum Beispiel im Vorstand, könnte eine Ausgründung schnell wieder von der Agenda der potenziell Abtrünnigen verschwinden.
Neue Plattform "Forum für Wirtschaftskanzleien": . In: Legal Tribune Online, 17.03.2022 , https://www.lto.de/persistent/a_id/47865 (abgerufen am: 12.12.2024 )
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