Seit Montag steht Christian Olearius, früherer Warburg-Bank-Chef, in Bonn wegen des Vorwurfs der besonders schweren Steuerhinterziehung vor Gericht. Auch wegen einer Verbindung zu Olaf Scholz ist das Verfahren mit Spannung erwartet worden.
Erneut bietet das Landgericht (LG) Bonn eine Bühne für ein umfangreiches Strafverfahren – und wieder geht es um Steuerhinterziehung im Zusammenhang mit Cum-Ex-Geschäften. Im Dezember des vergangenen Jahres endete der Prozess gegen Dr. Hanno Berger mit dessen Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von acht Jahren, jetzt muss sich Christian Olearius vor der 13. Großen Strafkammer unter dem Vorsitz von Richterin Dr. Marion Slota-Haaf verantworten.
Slota-Haaf hatte den Vorsitz im Frühjahr übernommen, nachdem der bisherige Vorsitzende Richter im Zwischenverfahren auf Antrag der Verteidigung von Olearius für befangen erklärt worden war (Beschl. v. 22.02.2023).
Pünktlich um 10 Uhr startete nun am Montag im Saal S 0.11 des LG die Hauptverhandlung im Prozess (Az. 63 KLs 1/22) gegen den inzwischen 81-jährigen ehemaligen Chef und persönlich haftenden Gesellschafter der Privatbank M.M. Warburg. Olearius – dunkelblauer Anzug, weißes Hemd, hellblaue Krawatte – hatte zunächst nur die Aufgabe, auf Nachfrage des Gerichts seine Personalien zu bestätigen.
Olearius setzt auf erfahrene Verteidiger
Olearius werden 14 Fälle der besonders schweren Steuerhinterziehung im Zeitraum von 2006 bis 2019 vorgeworfen. Insgesamt soll dem Fiskus durch die Transaktionen ein Schaden von rund 280 Millionen Euro entstanden sein. Olearius droht im Fall einer Verurteilung eine Freiheitsstrafe von bis zu zehn Jahren. Die Kölner Staatsanwaltschaft um Anne Brorhilker hatte Olearius 15 Fälle angelastet, einer dieser Fälle kommt wegen eines Verstoßes gegen das Doppelverfolgungsverbot ("Ne bis in idem"-Grundsatz) jedoch nicht vor Gericht.
Laut der am 1. Juli dieses Jahres erhobenen Anklage soll Olearius als Stratege in die Planung und Gestaltung der Cum-Ex-Geschäfte eingebunden gewesen sein und maßgebliche Entscheidungen getroffen haben. Zudem habe er Steuererklärungen des Bankhauses unterzeichnet, die zu unrechtmäßigen Steuerrückerstattungen geführt hätten. Der BGH entschied im Juli des Jahres 2021, dass Cum-Ex-Transaktionen als Steuerhinterziehung anzusehen sind.
Olearius hat bislang sämtliche Vorwürfe zurückgewiesen. Ein Aufgebot aus renommierten Verteidigern tritt in Bonn mit dem Ziel an, seinen Freispruch zu erreichen. Neben Dr. Peter Gauweiler (Gauweiler & Sauter) stehen auch Dr. Klaus Landry (GvW Graf von Westphalen), Dr. Rudolf Hübner (Quinn Emanuel) sowie Prof. Dr. Bernd Schünemann an der Seite des Hamburger Bankiers.
Die Augen richten sich nicht nur nach Bonn
Das Verfahren gegen Olearius hebt sich besonders wegen zweier Aspekte von der Masse der laufenden Verfahren zur Cum-Ex-Aufarbeitung ab: Zum einen steht erstmals der Ex-Chef einer an den Transaktionen beteiligten Banken vor Gericht. Zum anderen ist Olaf Scholz involviert. An der Frage, ob der Bundeskanzler eine Haupt- oder Nebenrolle bekleidet, scheiden sich die Geister. Sein Name taucht jedenfalls in stattlicher Anzahl in der Anklageschrift auf; der Spiegel hat nachgezählt und kam auf insgesamt 27 Nennungen.
Ein Untersuchungsausschuss der Hamburger Bürgerschaft bemüht sich um die Klärung der Frage, ob Scholz in seiner Amtszeit als Bürgermeister Einfluss auf ein Steuerverfahren der Finanzverwaltung in Hamburg gegen die Warburg Bank genommen hat. Bekannt ist, dass sich Scholz und Olearius in den Jahren 2016 und 2017 mehrmals getroffen haben. Der Kanzler bestreitet eine politische Einflussnahme, kann sich nach eigener Aussage aber nicht mehr daran erinnern, was er konkret mit Olearius besprochen hat.
Das Auffällige: Im Nachgang an die Treffen verzichtete die Hamburger Finanzverwaltung auf Rückforderungen, wodurch eine unrechtmäßige Rückzahlung von Kapitalertragssteuern in Höhe von 47 Millionen Euro verjährte. Weitere 43 Millionen Euro wurden dann im Jahr 2017 und erst nach Anweisung des Bundesfinanzministeriums - kurz vor Eintritt der Verjährung - eingefordert. Ende 2020 zahlte Warburg einen dreistelligen Millionenbetrag an ein Hamburger Finanzamt, um damit sämtliche Forderungen zu begleichen.
Union will mit Klage weiteren Untersuchungsausschuss erreichen
Ein von CDU/CSU angestrebter Untersuchungsausschuss im Deutschen Bundestag zur Aufklärung der Warburg-Affäre scheiterte bislang am Widerstand der Regierungskoalition. Die Ampel verweist auf die fehlende Befugnis des Bundestages, Vorgänge in den Bundesländern zu untersuchen. Ihren Anspruch aus Art. 44 Grundgesetz will die Union nun mit einer Verfassungsklage feststellen lassen.
Ob Olaf Scholz im Laufe des Olearius-Prozesses vor dem LG Bonn aussagen muss, steht noch nicht fest. Der Kanzler steht bislang nicht auf der Zeugenliste, könnte aber noch geladen werden. Das Gericht hat zunächst 28 Verhandlungstage anberaumt, die bis in den März des kommenden Jahres reichen.
Hauptverhandlung am Bonner Landgericht: . In: Legal Tribune Online, 18.09.2023 , https://www.lto.de/persistent/a_id/52724 (abgerufen am: 05.12.2024 )
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