Um die Folgen der Coronakrise für die Wirtschaft abzufedern, legt der Bund einen milliardenschweren Stabilisierungsfonds auf. Richard Mitterhuber und Thomas Mühl werfen einen Blick auf das dazugehörige Gesetz und die neuen Regelungen.
Corona hat Deutschland und seine Volkswirtschaft fest im Griff. Die wirtschaftlichen Auswirkungen der Coronakrise sind bereits heute schon gewaltig. Lieferengpässe, Messe- und Veranstaltungsabsagen, Home-Office, Betriebsstillegungen und weltweite Börsencrashs bestimmten das traurige Bild der vergangenen Tage.
Investitionsstopps, Kurzarbeit, nicht erfüllte Liefer-, Miet- und Darlehensverträge, abschmelzende und aufgebrauchte Liquiditätsreserven sowie drohende Insolvenzen werden sich in den kommenden Wochen dazu gesellen. Viele Frühindikatoren, darunter der Ifo-Geschäftsklimaindex sowie der GfK-Konsumklimaindex, sind eingebrochen. Die wirtschaftliche Existenz vieler Unternehmen und mithin die Volkswirtschaft Deutschlands sind in Gefahr. Von der schwarzen Null im Bundeshaushalt spricht keiner mehr.
Ein milliardenschwerer Rettungsfonds soll helfen
Um diese immensen Auswirkungen und Verwerfungen für die deutsche Wirtschaft abzufedern, hat der Bund ein ganzes Bündel an stabilisierenden Maßnahmen auf den Weg gebracht. Dazu gehört auch die Errichtung eines mit 600 Milliarden Euro ausgestatteten Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF).
Dieser einzurichtende Fonds, den die Finanzagentur verwalten soll, soll Unternehmen der Realwirtschaft stabilisieren, indem Liquiditätsengpässe überwunden und Rahmenbedingungen geschaffen werden, um die Kapitalbasis zu stärken. Im Fokus stehen Unternehmen, deren Bestandsgefährdung erhebliche Auswirkungen auf die Wirtschaft, die technologische Souveränität, Versorgungssicherheit, kritische Infrastrukturen oder den Arbeitsmarkt hätte.
Wie dem zugrundeliegenden Wirtschaftsstabilisierungsfondsgesetz (WStFG) zu entnehmen ist, das innerhalb nur einer Woche - und damit im Rekordtempo - das Gesetzgebungsverfahren durchlaufen hat, müssen solche Unternehmen in den letzten beiden Geschäftsjahren vor dem 1. Januar 2020 eine Bilanzsumme von mehr als 43 Millionen Euro und einen Umsatz von mehr als 50 Millionen Euro ausgewiesen sowie durchschnittlich mehr als 249 Arbeitnehmer beschäftigt haben. Dabei genügt es, dass zwei dieser drei Kriterien erfüllt sind. Unternehmen des Finanzsektors und Kreditinstitute sind von diesen Maßnahmen ausgeschlossen.
Außerdem kann der Fonds – unabhängig vom Vorliegen dieser Kriterien – Unternehmen unterstützen, die in den in § 55 Außenwirtschaftsverordnung genannten Sektoren tätig oder von vergleichbarer Bedeutung für die Sicherheit oder die Wirtschaft sind. Dazu gehören Firmen, die beispielsweise kritische Infrastruktur betreiben, Software für kritische Infrastrukturen entwickeln oder zum Beispiel Telekommunikationsanlagen herstellen.
Keine Hilfen für Unternehmen, die schon vor Corona kriselten
Wichtig ist außerdem, dass die beantragenden Unternehmen zum 31. Dezember 2019 nicht die EU-Definition von "Unternehmen in Schwierigkeiten" erfüllt haben. Dadurch will man sicherstellen, dass keine Firmen unterstützt werden, die vor Corona und damit aus anderen Gründen in Schieflage geraten sind.
Der WSF ist rechtsformneutral. Das heißt er richtet sich nicht nur börsennotierte Unternehmen, sondern auch an GmbHs und GmbH & Co. KGs, die gerade unseren bedeutsamen Mittelstand prägen.
Mit Garantien und Unternehmensbeteiligungen gegen die Krise
Dem WSF stehen zwei Stabilisierungsmaßnahmen zur Verfügung, die bis zum 31. Dezember 2021 einsetzbar sind: Erstens darf der WSF Garantien bis zur Höhe von 400 Milliarden Euro für Verbindlichkeiten von Unternehmen übernehmen, die ab dem 28. März 2020 begründet worden sind. Dabei gilt eine zeitliche Befristung von 60 Monaten.
Zweitens kann sich der WSF "an der Rekapitalisierung von Unternehmen beteiligen". Im Fokus stehen dabei nachrangige Schuldtitel, Hybridanleihen, Genussrechte, stille Beteiligungen, Wandelanleihen und Unternehmensanteile. Das Volumen dieser Rekapitalisierung beläuft sich auf 100 Milliarden Euro. Das Gesetz sieht – bewusst – weder eine Befristung noch ein Datum für die Veräußerung etwaiger Unternehmensbeteiligungen vor. Ein heute schon festgelegter Exit-Zeitpunkt, so ist den Gesetzgebungsunterlagen zu entnehmen, hätte die Stabilisierungsmaßnahmen möglicherweise gefährdet.
Dafür enthält das WStFG eine Reihe von Regelungen, um die Rekapitalisierungsmaßnahmen zu vereinfachen und zu beschleunigen. Zum Beispiel wird der Vorstand einer Aktiengesellschaft zur Ausgabe von Genussrechten ermächtigt und GmbH-Gesellschafter, die Stabilisierungsmaßnahmen behindern, können leichter ausgeschlossen werden. Auch die Fiktion einer Handelsregistereintragung durch bloße Bekanntmachung der Rekapitalisierungsmaßnahme soll diese beschleunigen.
Auch Start-ups wird geholfen
Zudem kann der Fonds der KfW Darlehen gewähren, um dort im Zuge der Coronakrise aufgelegte Sonderprogramme zu refinanzieren. Dazu können wiederum fondsseitig Kredite bis zu 100 Milliarden Euro aufgenommen werden.
In letzter Minute wurde noch eine Regelung für die Unterstützung von Start-ups aufgenommen. Rekapitalisierungsmaßnahmen, also Beteiligungen und mezzanine Finanzierungen sind danach auch bei jungen Unternehmen möglich, die seit dem 1. Januar 2017 in mindestens einer abgeschlossenen Finanzierungsrunde mit einer Bewertung von mindestens 50 Millionen Euro (post money) bewertet wurden.
Hilfe nur gegen Gegenleistung
Die geplanten Stabilisierungsmaßnahmen sollen zu angemessenen Gegenleistungen erfolgen und sind als ultima ratio gedacht. Das bedeutet, dass Unternehmen sie nur erhalten, wenn keine anderweitigen Finanzierungsmöglichkeiten verfügbar sind. Zudem muss durch die Stabilisierungsmaßnahme eine klare eigenständige Fortführungsperspektive bestehen, wenn die Coronapandemie überwunden ist. Hilfe soll nur dorthin fließen, wo sie tatsächlich auch Erfolg verspricht. Das zu bestimmen, dürfte schwer werden.
Ansprechpartner für die Gewährung von Stabilisierungsmaßnahmen ist das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie. Die Entscheidung darüber, ob Hilfen gewährt werden, trifft das Bundesministerium der Finanzen im Einvernehmen mit dem Wirtschaftsministerium auf Antrag des Unternehmens nach pflichtgemäßem Ermessen. Zu den Ermessenskriterien zählen unter anderem die Bedeutung des Unternehmens für die Wirtschaft Deutschlands, die Dringlichkeit, die Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt und den Wettbewerb sowie der Grundsatz des sparsamsten und wirtschaftlichen Einsatzes der Fondsmittel.
Näheres kann in einer Rechtsverordnung geregelt werden, zum Beispiel welche Obergrenzen, Gegenleistungen und sonstige Bedingungen es für Garantien und Rekapitalisierungen geben soll und zu welchen Bedingungen die Beteiligungen veräußert werden. Europarechtliche Vorgaben und Beschlüsse zu staatlichen Beihilfen sind zu beachten.
Gute Unternehmensführung ist ein wichtiges Kriterium
Damit Unternehmen beantragte Stabilisierungsmaßnahmen erhalten, müssen sie gut geführt werden. Das Gesetz spricht von einer "soliden und umsichtigen Geschäftspolitik". Insbesondere sollen die begünstigten Unternehmen dazu beitragen, Produktionsketten zu stabilisieren und Arbeitsplätze zu sichern - was durch Auflagen abgesichert werden kann. Der Begriff ist auslegungsbedürftig. Es ist gut vorstellbar, dass auch Nachhaltigkeits- und Compliance-Aspekte berücksichtigt werden.
Möglich ist auch, dass die Grundsätze und Leitlinien herangezogen werden, die im kürzlich in Kraft getretenen Deutschen Corporate Governance Kodex (DCGK) 2020 oder im Public Corporate Governance Kodex des Bundes (PCGK) festgelegt sind. Des Weiteren kann eine Rechtsverordnung zusätzliche Anforderungen verlangen. Das gilt etwa für Zweckbestimmungen für die aufgenommenen Mittel, die Vergütung von Vorständen, Aufsichtsräten und Geschäftsführern, Dividendenausschüttungen und Restrukturierungsauflagen.
Staatlicher Einfluss als Rettungsanker
Der WSF soll zur Stabilisierung der deutschen Realwirtschaft Unternehmen finanziell über Garantien, Eigenkapital oder mezzanine Finanzierungsinstrumente unterstützen. Im unternehmenspolitischen Fokus steht die gebotene Absicherung von Produktionsketten und Arbeitsplätzen. Im Gegenzug verpflichten sich die begünstigten Unternehmen zu einer gesunden Unternehmensführung (Corporate Governance) und gewähren dem WSF bestimmte Einflussmöglichkeiten.
Auch wenn sich Unternehmen nur ungern in die Hände oder unter den - partiellen - Einfluss des Staates begeben, erscheint es angesichts der immensen Folgen der Coronakrise aktuell wahrscheinlich, dass sie diesen staatlichen Rettungsanker ergreifen werden, um ihr Überleben zu sichern. Erste Firmen haben davon schon Gebrauch gemacht oder erwägen einen solchen Schritt. Ein intensiver Austausch, gemeinsamer Dialog und beidseitige Transparenz dürften sehr hilfreich sein und das gegenseitige Vertrauen fördern.
Die Autoren: Richard Mitterhuber ist Partner und Leiter des Geschäftsbereichs Corporate/M&A bei der Wirtschaftskanzlei CMS Deutschland. Dr. Thomas Mühl ist Principal Counsel und ebenfalls als Rechtsanwalt bei CMS tätig.
Der Wirtschaftsstabilisierungsfonds WSF: . In: Legal Tribune Online, 03.04.2020 , https://www.lto.de/persistent/a_id/41209 (abgerufen am: 10.12.2024 )
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