Plötzlich Home-Office: Viele Kanzleien mussten ihre Büros wegen des Coronavirus-Ausbruchs schließen, die Anwälte arbeiten nun daheim. Wie sich die Zusammenarbeit möglichst reibungslos organisieren lässt, erläutert Christoph H. Vaagt.
Derzeit überdenken viele Kanzleien ihre Richtlinien für die Arbeit im Home-Office, denn sie sind mit der Möglichkeit konfrontiert, dass das Arbeiten von zuhause zumindest vorübergehend zu einer neuen Normalität wird. Und es ist auch wichtig, dass Sie Spielregeln für Ihre Kanzlei entwickeln, damit es zu keinen Missverständnissen kommt. Denn diese entstehen im Home-Office leider schneller als man denkt.
Der Schlüssel zum Erfolg in der neuen Fernarbeitssituation ist Transparenz. Wir alle denken zwar, dass wir transparent sind, haben Transparenz womöglich auch als Kanzleiwert definiert. Aber Transparenz bekommt eine neue Bedeutung, wenn man aus der Ferne zusammenarbeitet. Proaktive Transparenz wird entscheidend dafür, ein Teamgefühl aufrecht zu erhalten. Mit folgenden Vorschlägen können Sie eine "offene Büroumgebung" ins Netz stellen und transparent arbeiten:
Klären Sie: Wer macht was? Warum und wann?
Legen Sie die Entscheidungsfindung offen: Tragen Sie alle nicht-privaten Sitzungen in einem öffentlichen Kalender ein und machen Sie die Notizen nach der Sitzung öffentlich zugänglich. Beispielsweise kann in einem Emailprogramm wie Outlook ein zentraler Kalender angelegt werden, von dem aus auch zu den Terminen eingeladen wird.
Vermerken Sie Ihre Arbeitszeit im Kalender: Alle – sowohl Berufsträger als auch die Sekretariate - veröffentlichen täglich einen Statusbericht, am besten in ihrem Kalender oder einer Kanban-Software für Aufgaben, die sie mit mehreren teilen. Das hilft zu verstehen, wenn jemand sich während einer bestimmten Zeit nicht meldet oder das Telefon nicht abhebt.
Zeigen Sie Ihren Auslastungsgrad an: Im Home-Office kann man nicht erkennen, wie stark der einzelne jeweils ausgelastet ist. Daher kann es hilfreich sein, die Auslastung in Email- oder Kollaborationsprogammen anzeigen zu lassen. Bei Microsoft wird die individuelle Auslastung automatisch im Status angezeigt. In Outlook ist dies etwa beim Schreiben einer E-Mail der Fall, und auch bei Teams ist der Status einsehbar, wenn ein Termineintrag im eigenen Kalender besteht. Dabei kann der andere jeweils nur sehen, ob ein Termineintrag besteht - nicht aber, was jemand macht. Bei Outlook stehen folgende Anzeigen zur Verfügung: "Verfügbar", "Beschäftigt", "Nicht Stören", "Bin gleich zurück" und "Abwesend".
Tauschen Sie sich aus – und haben Sie Vertrauen!
Etablieren Sie eine Regelkommunikation: Halten sie beispielsweise jeden Montagmorgen eine Teambesprechung ab, bei der über alle wichtigen Projekte für die Woche kurz gesprochen wird. Dabei soll es auch um Aufgaben gehen, die die Hilfe eines anderen Teammitglieds erfordern. Das geht am besten in einem virtuellen Meetingraum. Bei größeren Kanzleien können die Meetings auch innerhalb der Praxisgruppen stattfinden und/oder beispielsweise im Managementteam. Wenn Sie es nicht ohnehin tun, beziehen Sie auch die Sekretariate in die Meetings ein. Denn diese haben jetzt keinen "Flurfunk" mehr, um herauszufinden, was die Anwälte beschlossen haben.
Tragen Sie ihre Zeitmitschriften ein: Gewöhnen Sie sich daran, alle Zeiten aufzuschreiben, die Sie auf Mandaten verbringen. Es kann auch hilfreich sein, die nicht-produktiven Zeiten mitzuschreiben, weil einem dann deutlich wird, wie produktiv man in Wirklichkeit ist. In den Sekretariaten kann die Anwesenheit auf einer Allgemeinakte oder einem gesonderten Code wie "Sekretariatsarbeit" ausreichen. Das stärkt das Vertrauen und verbessert die Selbstkontrolle.
Zeigen Sie Vertrauen: Misstrauen ist gerade bei virtueller Arbeit etwas, was die Bereitschaft zur Zusammenarbeit schnell reduziert. Vertrauen Sie darauf, dass alle ihr Bestes geben. Geben Sie sich Mühe, den anderen Ihr Vertrauen auszusprechen und zu zeigen. Übertriebene Kontrolle ist jetzt fehl am Platz.
Sagen Sie, wann Sie ansprechbar sind
Bleiben Sie in Kontakt: Es gibt kein Zuviel an Kommunikation und man kann bekanntlich auch nicht nicht kommunizieren. Kommunikation findet immer im Kopf des anderen statt, egal was man selbst sagt.
Daher ist es hilfreich, eine Anwesenheitskernzeit einzurichten. Definieren Sie einen Block von Stunden, zum Beispiel zwischen 9 und 12 Uhr und von 14 bis 16 Uhr, in dem jeder garantiert online und verfügbar ist, egal wo er sich gerade befindet. Das bedeutet, dass Sie in diesem Zeitrahmen unentschuldigt auf jeden zugehen oder ein Treffen vereinbaren können, ohne vorher zu fragen. Diese Stunden sollten sie nicht in Besprechungen verbringen, und natürlich dürfen Sie auch außerhalb dieser Zeiträume miteinander kommunizieren.
Kommunizieren Sie auch, wenn Sie für eine bestimmte Zeitspanne offline sind - abgesehen von den offensichtlichen Toiletten- oder Snackpausen. Es ist hilfreich zu wissen, dass ein Anwalt seine Tochter zwischen 14 und 14:30 Uhr abholt, denn dann können Sie ihn ab 15:00 Uhr noch einmal erreichen. Kommunikation schafft Vertrauen.
Strukturieren Sie Ihre Meetings!
Achten Sie auf eine gute "Tagungshygiene": Kündigen Sie Meetings öffentlich an und legen Sie dabei gleich auch eine Agenda fest. Tauschen Sie Dokumente vor der Sitzung aus. Stellen Sie sicher, dass jemand während der Sitzung Notizen macht, um sie anschließend weiterzugeben. Organisieren Sie die nächsten Schritte eines Projekts und tauschen Sie sich dazu aus.
Das klingt alles ein wenig mühsam und wird nicht für alle Arten von Treffen gelten, deshalb ist es wichtig, dass Sie flexibel bleiben. Wenn Mails zum Beispiel mehr als nur ein paar Mal hin- und hergehen, sollten Sie einen Telefon- oder Videoanruf durchführen, um die Sache zu zerlegen. Manchmal kann die schriftliche Kommunikation ein Gespräch rückwärts bewegen, während sich die Angelegenheit in einem kurzen Telefonat erledigen lässt. Ein Videoanruf hilft übrigens sehr, weil dabei auch die non-verbale Kommunikation transportiert wird, die bei einem Telefonat oder einer Mail fehlen.
Trinken Sie ein virtuelles Feierabend-Bier!
Es kann hilfreich sein, auch einmal per Videokonferenz ein Bier miteinander zu trinken, auch wenn das "Anstoßen" nur virtuell möglich ist. Auch Symbole oder Emojis können eine gute Methode sein, die Kommunikation einfacher und spannender zu machen. Feiern Sie auch kleine Erfolge miteinander, sprechen Sie Lob aus und würdigen Sie einen besonderen Einsatz. Tun Sie dies in einem offenen Kommunikationskanal - das stärkt das Teamgefühl.
Probieren Sie es aus! Hauptsache, Sie bleiben in einem sozialen Kontakt, auch wenn er anders ist als gewohnt. Aber das muss ja nicht schlechter sein.
Der Autor Christoph H. Vaagt ist Kanzleiberater bei Law Firm Chance Consultants in München.
Kanzleibetrieb virtuell: . In: Legal Tribune Online, 31.03.2020 , https://www.lto.de/persistent/a_id/41164 (abgerufen am: 07.10.2024 )
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