Ungewöhnlicher Führungswechsel bei der Commerzbank: CEO ohne Rechts­grund, aber mit viel Druck los­ge­worden

von Tanja Podolski

26.09.2024

Der Aufsichtsrat der Commerzbank hat eine neue CEO berufen. Einen Zeitpunkt für ihren Start nannte das Gremium zunächst nicht. Das konnte es auch nicht, denn der Konzern hatte ja noch einen CEO. Was tun also mit dem Amtsinhaber?

Das Vorgehen der Commerzbank AG anlässlich des Wechsels im Vorstandsvorsitz ist nicht nur aktienrechtlich ungewöhnlich. Der Aufsichtsrat des Konzerns hat am Dienstag bekannt gegeben, die Verantwortlichkeiten an der Konzernspitze neu geregelt zu haben: Das Gremium hat demnach Bettina Orlopp (54) zur Vorstandsvorsitzenden und damit zur Nachfolgerin von Manfred Knof (59) bestellt, teilte der Konzern mit. Knof allerdings war noch im Amt – und zwei Vorstandsvorsitzende kann ein Konzern nicht haben. 

Mit der öffentlichen Mitteilung war Knof jedoch faktisch entmachtet. Es blieb ihm nichts anders übrig, als seinen Hut frühzeitig zu nehmen und damit mit finanziellen Einbußen zu leben. Am Mittwoch erklärte er sein Ausscheiden zu Ende September. 

Dass Knof seinen bis Ende 2025 laufenden Vertrag nicht verlängert, hatte der Konzern schon Anfang September bekannt gegeben. Die Bank befindet sich in einem Abwehrkampf gegen die Unicredit, Marktteilnehmer sprechen von einer drohenden sogenannten feindlichen Übernahme. 

Es ist noch nicht ungewöhnlich, dass ein Konzern in einer solchen Zeit nach außen eine Kontinuität in der Unternehmensführung vermitteln und auf einen starken, handlungsfähigen CEO (Chief Executive Operator, Vorstandsvorsitzender) setzen möchte. Knof hingegen wäre in dieser Situation jemand, den man als "lame duck" (lahme Ente) bezeichnen würde. 

Abberufung oder Aufhebung – oder ius Commerzbank 

Und doch kann Orlopp ihren Job nur antreten, wenn Knof weg ist. Ein Aufsichtsrat hat in dieser Situation zwei Möglichkeiten: Er findet eine einvernehmliche Lösung oder er beruft den Vorstandsvorsitzenden ab, § 84 Aktiengesetz (AktG). 

Eine Abberufung ist allerdings gar nicht so einfach, denn sie erfordert einen wichtigen Grund, § 84 Abs. 4 AktG. Das wäre etwa eine grobe Pflichtverletzung, die Unfähigkeit zur ordnungsmäßigen Geschäftsführung oder ein Vertrauensentzug durch die Hauptversammlung. Nichts davon passte auf die Situation von Knof, der ursprünglich erst zum Ende seiner Bestellung Ende 2025 gehen wollte. 

Bliebe ein Aufhebungsvertrag als Lösung, doch der setzt eine Einigung voraus. Knof war offenbar zu Verhandlungen bereit. Ungewöhnlich ist allerdings, dass die Bank die Einigung mit Knof nicht als Teil einer Gesamtlösung gesucht hat, um dann alle Personalentscheidungen gemeinsam bekannt zu geben. Stattdessen hat sie zunächst Orlopp ohne Angabe eines Starttermins öffentlichkeitswirksam als Nachfolgerin bestellt und gleichzeitig verlautbart, dass Orlopp die Funktion zeitnah übernehmen soll.  

Damit hat die Bank Rücktrittsdruck auf Knof ausgeübt und risikiert, dass sie bei Unwilligkeit von Knof zu seinem vorzeitigen Ausscheiden in eine langdauernde Hängepartie gerät. Das wirft Fragen auf, etwa ob die Ausübung eines solchen Rücktrittsdrucks auf ein Vorstandsmitglied durch den Aufsichtsrat zulässig ist. Ebenso bleibt die Frage, ob der Aufsichtsrat pflichtgemäß handelte, als er mit seinem Beschluss die Gefahr einer publizitätsträchtigen Führungskrise heraufbeschwor – das Vorgehen hätte schließlich auch in einem Streit um das Amt münden können.

Sachverständige Stimmen haben sich hierzu in ersten Stellungnahmen skeptisch geäußert, andere waren zurückhaltender mit Blick auf die Pflicht zur adhoc-Publizität, wonach kapitalmarktrelevante Informationen unverzüglich veröffentlicht werden müssen.

Ob alle Mitglieder des Aufsichtsrates über die Details informiert waren, ist nicht bekannt. Insbesondere ist unklar, inwieweit sich der Aufsichtsrat zuvor um eine einvernehmliche Lösung mit Knof bemüht hatte. Für die Bestellung der neuen CEO bedurfte es jedenfalls einer Zweidrittelmehrheit im Aufsichtsrat. 

Unabhängig von der rechtlichen Bewertung: Das Vorgehen hat funktioniert. Knof wird Ende September ausscheiden. Orlopp ist dann sicher im Amt. 

Zitiervorschlag

Ungewöhnlicher Führungswechsel bei der Commerzbank: . In: Legal Tribune Online, 26.09.2024 , https://www.lto.de/persistent/a_id/55510 (abgerufen am: 05.11.2024 )

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