Kanzleien agieren in einem sich ständig wandelnden Markt. Bedürfnisse von Mandanten, aber auch von Mitarbeitern verändern sich, und Kanzleien müssen ihre Strategie immer wieder entsprechend anpassen. Wie steuert man diesen Wandel? Und worauf sollte beim Veränderungsprozess geachtet werden?
Wer einmal erlebt hat, wie Mitarbeiter darauf reagieren, dass ihre Büros renoviert werden, bekommt ein Gespür dafür, wie viel Arbeit investiert werden muss, um nicht nur Möbel zu verrücken, sondern auch ein Geschäft neu auszurichten. Groß sind die Diskussionen darüber, dass der Teppich zwar alt war, aber Stil hatte. Dass der alte Schreibtisch zwar Macken hatte, aber genügend Platz für alle Unterlagen. Dass die Regale früher nicht neben dem Fenster standen, sondern an der Wand gegenüber. Dass das neue Bild vielleicht modern ist, aber auf die Stimmung drückt. Kurz: Wandel steht im ständigen Widerspruch zum Beharren des Menschen auf dem Ist-Zustand. Egal wie misslich der gerade ist.
Kanzleien befinden sich in einem Spannungsfeld: Von außen werden sie dazu gezwungen, sich ständig an neue Marktbedingungen anzupassen. Nach innen müssen Mitarbeiter, Associates und Partner immer wieder aufs Neue auf den Wandel eingeschworen werden. Nicht wenige Kanzleien betrachten daher das Change Management schon als Teil ihrer Firmenkultur.
"Es entspricht unserer Kanzleiphilosophie und unserem Selbstverständnis als unternehmerisch denkende Berater, die Gesamtstrategie der Kanzlei stets mit den sich wandelnden Bedürfnissen des Marktes, unserer Mandanten und auch unserer Mitarbeiter in Einklang zu bringen", sagt Elisabeth Lepique, Managing Partnerin der Luther Rechtsanwaltsgesellschaft mbH. Man müsse sich auf die eigenen Stärken besinnen und diese kontinuierlich ausbauen. Gleichzeitig gelte es zu prüfen, ob und wo etwaiger Handlungsbedarf besteht. "Insofern gehört es auch zu den Herausforderungen eines Kanzleimanagers, notwendige Veränderungen frühzeitig zu erkennen und sie aktiv zu steuern", sagt Lepique.
Anpassung als kontinuierlicher Prozess
Die Kanzleien stehen auf dem Rechtsmarkt vor unterschiedlichen Herausforderungen: Rechtsabteilungen vergeben weniger Mandate an Externe und haben den Kostenrahmen strenger im Blick. Technologien machen die Rechtsarbeit effizienter – und die Mandanten achten darauf, dass diese Technologien auch genutzt werden und die gestiegene Produktivität an den Kunden weitergegeben wird. Verschiedene Service-Anbieter und Kanzleien übernehmen zudem unter dem Schlagwort des Legal Process Outsourcing (LPO) juristische Routineaufgaben und verschärfen so den Druck.
Wie aber reagieren Kanzleien auf die geänderten Verhältnisse? Die Großkanzlei Clifford Chance hat Anfang dieses Jahres in dem White-Paper "Applying Continuous Improvement to high-end Legal Services" aufgezeigt, wie ein Wandel aussehen kann und was es dabei zu bedenken gilt.
Eine der Hauptaufgaben, so die Autoren des White-Papers, liegt darin, erst einmal ein bestehendes Problem zu identifizieren. Das ist schwieriger, als es sich anhört. Denn wer als Erster den Finger in die Wunde legt, ist bei den Kollegen häufig nicht wohl gelitten. Zudem setzt nach ein paar Jahren eine gewisse Betriebsblindheit ein. An Ineffektivität, die einem Außenstehenden schon auf den ersten Blick ins Auge springt, haben sich die Beteiligten längst gewöhnt. Vorgesetzte müssen deshalb offen sein und zuhören, um herauszufinden, welche Schwierigkeiten bestehen. Häufig jedoch kommen die hilfreichen Hinweise auch von Mandanten – wenn sie sich darüber beschweren, dass etwas in der Mandatsbearbeitung nicht geklappt hat. Ist das Problem identifiziert, muss daraufhin eine Übereinkunft innerhalb der Kanzlei erzielt werden, dass tatsächlich etwas nicht stimmt. Und dass es verändert werden muss.
Gutes Change Management ist somit nichts anderes als gelingende Kommunikation. Nach einer Definition des Beratungsunternehmens PricewaterhouseCoopers wird unter Change Management ein Vorgang verstanden, welcher der Einbeziehung von Beschäftigten aller Unternehmensebenen in die Gestaltung und Umsetzung organisatorischer Übergänge hin zu einer angestrebten Zukunft dient. Er umfasst die Steuerung und Gestaltung von geplanten Veränderungsprozessen in Organisationen und steht im Gegensatz zu ungeplanten oder spontanen Umbrüchen.
Ziele definieren und gemeinsam umsetzen
Wie soll das Geschäft oder die Kanzlei aussehen, wenn der Wandel vollzogen ist? Hier sind die Partner und das Management gefragt. Sie müssen eine Idee davon haben, wohin die Reise gehen soll. Und davon müssen sie ihre Mitarbeiter auch überzeugen. Ihnen vermitteln, dass dieser Weg wichtig ist, um im Wettbewerb zu bestehen. Dass nur auf diesem Weg die Kanzlei so erfolgreich weiterarbeiten kann wie zuvor. Erst dadurch wird es möglich, Kritikern, die am Status quo festhalten wollen, den Wind aus den Segeln zu nehmen. Es ist klar, dass der Widerstand umso geringer sein wird, je mehr in der Kanzleikultur Feedback und Zusammenarbeit verankert sind.
Wenn Mitarbeiter und vor allem Kritiker frühzeitig in den Prozess eingebunden werden, kann dieser gelingen. Denn die größte Angst jedes Einzelnen, die mit der Veränderung verbunden ist, lautet: "Was wird aus mir?" Wer das Change Management ernst nimmt, hat auch auf diese Frage für alle Beteiligten eine ehrliche und hoffentlich positive Antwort. Ein möglicher Weg, die Beteiligten einzubinden, ist es, sie beschreiben zu lassen, wie sie mit bestimmten Fragestellungen umgehen, welche Abläufe stattfinden und welche Prozesse daraus abgeleitet werden können. Während sich die Teilnehmer darüber Gedanken machen, bekommen sie einen neuen Blick auf ihre tägliche Arbeit.
Es ist sinnvoll, an Verbesserungen auch zusammen mit dem Mandanten zu arbeiten, gerade wenn es sich um die Rechtsabteilung eines Unternehmens handelt. Mitunter knirscht es in der Verzahnung von Kanzlei und Inhouse-Jurist , wenn Projekte umgesetzt werden müssen. Kanzleien tun aus Sicht von Clifford Chance gut daran, ihre Mandanten für das Thema Wandel zu begeistern. Denn Inhouse-Juristen sähen, ebenso wie ihre Kollegen in den Kanzleien, nicht immer die Möglichkeiten, die eine Prozessverbesserung mit sich bringt und was sie für ihren Arbeitskontext bedeutet.
Nichts ist so beständig wie der Wandel, diese Binsenweisheit gilt auch für Kanzleien. Ein umsichtiges Change Management kann dabei helfen, dass der unaufhaltbare Wandel auch zu einem Prozess ständiger Verbesserung wird.
Darauf sollten Sie achten:
• Ziele sollten klar und für alle nachvollziehbar formuliert sein.
• Bleiben Sie realistisch. Wandel braucht Zeit.
• Möglichst alle Betroffenen sollten in den Prozess mit einbezogen werden.
• Sorgen Sie dafür, dass über die Ziele innerhalb der Kanzlei ein weitgehender Konsens herrscht.
• Steuern Sie den Prozess, aber geben Sie nicht der Versuchung nach, alles im Griff haben zu wollen.
Henning Zander, Change Management: Bleibt alles anders . In: Legal Tribune Online, 09.09.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/13129/ (abgerufen am: 18.04.2024 )
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