Pläne der Ampel-Koalition sorgen für Diskussionsstoff: Cannabis-Lega­li­sie­rung weckt Geschäft­ssinn

26.11.2021

Die Ampel-Parteien wollen den Genuss von Cannabis legalisieren. Während die Branche auf satte Gewinne hofft, warnen Kritiker vor Gefahren und falschen Hoffnungen. Aus rechtlicher Sicht schaffen die Pläne Herausforderungen.

Vor Jahren die Freigabe von Cannabis für medizinische Zwecke, nun die geplante Legalisierung für den Genuss: Mit den Plänen von SPD, Grünen und FDP steht Deutschland nicht nur vor einem historischen Schritt in der Drogenpolitik. Die Liberalisierung dürfte auch einen legalen Massenmarkt für die Droge öffnen, für den sich Hersteller schon jetzt warmlaufen. Die Branche wittert das große Geschäft und wirbt mit potenziellen Einnahmen in Milliardenhöhe für den Staat im Zuge der Legalisierung. Die Polizeigewerkschaft dagegen warnt, der illegale Handel könne dann erst recht aufblühen.

Seit 2017, als Cannabis für medizinische Zwecke wie Schmerzlinderung bei Schwerkranken erlaubt wurde, hat der Stoff in Deutschland einen Boom erlebt. Start-ups haben immer mehr legale Lifestyle-Produkte wie Hanfaufstriche, Hanfsamenöle, Hanftees herausgebracht, Influencer werben für CBD-Öle. Doch handelte es sich 2017 um wenige Tonnen medizinisches Cannabis für schwerkranke Patienten, geht es nun um viel größere Mengen: Branchenkenner schätzen den Markt für illegal verkauftes Cannabis in Deutschland auf Hunderte Tonnen pro Jahr.

Ampel will Legalisierung, aber mit Hintertür

Laut Koalitionsvertrag wollen die Ampel-Parteien eine “kontrollierte Abgabe von Cannabis an Erwachsene zu Genusszwecken in lizenzierten Geschäften” einführen. Dadurch würde “die Qualität kontrolliert, die Weitergabe verunreinigter Substanzen verhindert und der Jugendschutz gewährleistet”, heißt es. Bei dem Schritt halten sich die Parteien aber auch eine Hintertür offen: Das geplante Gesetz soll nach vier Jahren auf “gesellschaftliche Auswirkungen” überprüft werden.

Hoffnungen auf gute Geschäfte machen sich nun Unternehmen, die schon eine Lizenz zum Anbau von medizinischem Cannabis von der staatlichen Cannabisagentur haben: Tilray und Aurora aus Kanada sowie die deutsche Firma Demecan, die in Ebersbach nahe Dresden eine große Produktion unterhält. 2019 wurde den drei Firmen der Anbau von jährlich 2,6 Tonnen medizinischem Cannabis hierzulande erlaubt.

“Wir sind in der Lage, binnen kurzer Zeit unsere Produktion hochzufahren und parallel zum Arzneimittel Cannabis auch das Genussmittel zu produzieren”, sagte Cornelius Maurer, Geschäftsführer von Demecan. Er verspricht sich eine “gigantische Wachstumschance”. Die Legalisierung müsse aber mit Aufklärungsarbeit und Jugendschutz eng verbunden sein, meint Maurer. “Wir brauchen hohe Qualitätsstandards in der Produktion und eine kontrollierte Abgabe.”

Auch Sascha Mielcarek, Geschäftsführer von Tilray Europa, sieht mit der Liberalisierung große Geschäftschancen. Das Unternehmen produziert in einer rund 12.000 Quadratmeter großen Anlage in Neumünster (Schleswig-Holstein) tonnenweise medizinisches Cannabis. “Damit sind unsere Produktionskapazitäten bei weitem nicht ausgeschöpft”, sagt Mielcarek. Man sei “sehr kurzfristig in der Lage”, die Produktion in Neumünster kräftig zu erhöhen und nötiges Personal zu rekrutieren.

Hohe Steuereinnahmen erwartet

Die Legalisierung könnte die Droge nicht nur aus dem Schwarzmarkt holen, sondern dem Staat auch hohe Einnahmen beschweren, meint der Deutsche Hanfverband, der von einem “Meilenstein in der Drogenpolitik” spricht. Dem Fiskus bringe eine Liberalisierung über zusätzliche Steuereinnahmen und Sozialversicherungsbeiträge sowie Einsparungen bei Strafverfolgung und Justiz einen finanziellen Vorteil von mindestens 4,7 Milliarden Euro pro Jahr. Dies stellte der Ökonom Justus Haucap jüngst in einer Studie für den Verband heraus.

Allein durch eine Cannabissteuer würden dem Staat demnach jährlich 1,8 Milliarden Euro zufließen. Haucap, der an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf forscht, rechnet mit 27.000 neuen Arbeitsplätzen in der Cannabiswirtschaft. “Die Verbotspolitik bei Cannabis ist gescheitert und konnte den Drogenkonsum nicht eindämmen”, meint er. Gerade weil Cannabiskonsum gesundheitsschädlich sein könne, solle der Schwarzmarkt unter staatliche Aufsicht.

Viele konservative Politiker lehnen die Legalisierung von Cannabis indes ab. Die Bundesdrogenbeauftragte Daniela Ludwig (CSU) warnt vor einem Dammbruch für die Drogen- und Suchtpolitik. Das Signal, Cannabis sei gesellschaftsfähig, sei gefährlich. Schätzungsweise fast jeder zehnte Cannabiskonsument werde abhängig, heißt es im Jahresbericht der Drogenbeauftragten. Kritik äußert auch die Deutsche Polizeigewerkschaft. “Durch die Gewinne, die der Handel und der Staat erzielen wollen, wird Cannabis erheblich teurer”, sagte der Bundesvorsitzende Rainer Wendt. “Der illegale Handel mit billigeren Produkten wird aufblühen, denn in Apotheken können dann nur Wohlhabende ihren Bedarf decken, Kinder, Jugendliche und Geringverdiener werden weiter zum Dealer um die Ecke laufen.” 

Die Koalition erwecke den Eindruck, mit einem Cannabis-Kontrollgesetz die Dinge in den Griff zu bekommen, moniert Wendt. “Das ist reines Wunschdenken, zumal der Bund weder für Kontrollen, noch für Jugendschutz zuständig ist.” Gerade das in Sachen Cannabis liberale Beispiel Niederlande habe gezeigt, dass illegaler Anbau und Handel, Einfuhr und Vertrieb gestärkt werde und kriminelle Banden sich gewaltsame Auseinandersetzungen um Marktanteile leisten würden. Der Branchenverband Cannabiswirtschaft sieht das anders. Der Koalitionsvertrag sei eine gute Basis für Reformen, meint Präsident Stefan Meyer. “Legalisierungsfehler anderer Länder sollten in den anstehenden Prozessen möglichst vermieden werden.”

Rechtliche Aspekte sind kaum Gegenstand der Diskussion

In der öffentlichen Diskussion liegen die Schwerpunkte auf den Fragen rund um Gesundheit und wirtschaftliche Interessen. Rechtliche Aspekte werden dabei gern übersehen. Der politische Wille zu einer Legalisierung allein wird nicht ausreichen, wenn es parallel dazu nicht auch gelingt, die juristischen Voraussetzungen zu erfüllen. Bei der Legalisierung von Cannabis zu Genusszwecken müssten wohl insbesondere völker- und europarechtliche Hürden überwunden werden. Laut Robin Hofmann, Assistenzprofessor für Strafrecht, Kriminologie und Kriminalistik an der Universität Maastricht, taugt das Modell Niederlande hierbei kaum als Vorbild. Seiner Einschätzung nach ist eine vollständige Legalisierung in Deutschland "sehr schwierig, wenn nicht gar unmöglich". Er prognostiziert eine "Legalisierung light".

Auch das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) ist in Sachen Cannabis gut beschäftigt. Zuletzt hatten sich das Amtsgericht (AG) Pasewalk und das AG Münster Richtung Karlsruhe gewandt. Beide Gerichte stützen sich in ihren Vorlagen an das BVerfG auf ihrer Ansicht nach verfassungswidrige Verbotsvorschriften im Betäubungsmittelgesetz. Aus dem April 2020 hat das BVerfG einen Normenkontrollantrag des am AG Bernau tätigen Jugendrichters Andreas Müller vorliegen. Müller beklagt die Kriminalisierung von circa vier Millionen Cannabis-Konsumenten in Deutschland und die Verletzung einer Vielzahl von Grundrechten der Betroffenen, wie etwa bei Erwachsenen des "Rechtes auf Rausch" nach Art. 2 Abs. 1 GG. 

dpa/sts/LTO-Redaktion

Zitiervorschlag

Pläne der Ampel-Koalition sorgen für Diskussionsstoff: . In: Legal Tribune Online, 26.11.2021 , https://www.lto.de/persistent/a_id/46771 (abgerufen am: 08.11.2024 )

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