Die Machtverhältnisse auf dem Markt für Stromerzeugung haben sich verfestigt, analysiert das Bundeskartellamt. Stromimporte seien zunehmend wichtiger, um die Marktmacht des größten Stromerzeugers RWE in Schach zu halten.
Wenn der Wind nicht weht und die Sonne nicht scheint, dann ist der Stromerzeuger RWE am mächtigsten. Zu diesen Zeiten sind nämlich die Kapaziäten von RWE am wichtigsten. Das Bundeskartellamt (BKartA) geht deshalb weiter davon aus, dass der Energiekonzern RWE auf dem Stromerzeugungsmarkt marktbeherrschend ist. Das ergibt sich aus dem am Mittwoch vorgestellten "Marktmachtbericht".
"RWE ist in einer Vielzahl von Stunden unverzichtbar für die Deckung der Stromnachfrage in Deutschland und liegt damit klar über der Vermutungsschwelle für Marktbeherrschung. EnBW und LEAG sind nahe an diese Schwelle herangerückt", erklärte Andreas Mundt, der Präsident des Bundeskartellamts.
RWE betreibt in Deutschland unter anderem mehrere Braunkohle- und Erdgaskraftwerke. Im Untersuchungszeitraum kam noch Stromerzeugung aus inzwischen abgeschalteten Atomkraftwerken hinzu.
Die wettbewerbliche Bedeutung eines Unternehmens kann man häufig an den Marktanteilen ablesen. Bei der Stromerzeugung sind Marktanteile allerdings nicht aussagekräftig, weil Strom nicht speicherbar ist. Er muss genau in den Momenten produziert werden, in denen er gebraucht wird, und zwar in jeder Stunde des Jahres. Wie hoch die Marktanteile über das Jahr betrachtet sind, ist daher nicht entscheidend. Ausschlaggebend ist vielmehr, ob und inwieweit ein Anbieter für die Stromnachfrage unverzichtbar ist.
Unverzichtbar, wenn die Sonne nicht scheint
Ist die Nachfrage hoch und das Angebot knapp – etwa wenn die Sonne nicht scheint und der Wind nicht weht –, könnten unverzichtbare Anbieter in diesen Knappheitsmomenten den Preis manipulieren. Daher bemisst sich die Marktmacht im Strombereich danach, in wie vielen Stunden im Jahr ein Unternehmen unverzichtbar ist, um die Nachfrage zu decken ("Pivotalität").
Mit dem Bericht stelle das BKartA zwar eine marktbeherrschende Stellung nicht förmlich fest, betonte Mundt. "Eine solche Feststellung kann letztlich nur im Rahmen einer konkreten
Einzelfallentscheidung erfolgen."
Das Überschreiten der Vermutungsschwelle sei für die Unternehmen, konkret für RWE, aber ein "starkes Indiz" dafür, dass sie mit ihrem Marktverhalten das Missbrauchsverbot beachten müssten, so Mundt. "Die künstliche Verknappung des Stromangebots wäre damit kartellrechtlich hochproblematisch", führte der Präsident des BKartA aus. Marktbeherrschende Unternehmen dürften nämlich keine Erzeugungskapazitäten künstlich zurückhalten, weil sie durch die Verknappung manipulativ den Preis in die Höhe treiben könnten.
Importe werden immer wichtiger
Das BKartA untersuchte auch den Einfluss von Stromimporten. Das Fazit des Behördenchefs: "Stromimporte werden perspektivisch zunehmend unverzichtbar, um die Marktmacht der führenden inländischen Anbieter wettbewerblich in Schach zu halten."
Zwar exportiere Deutschalnd über das Jahr betrachtet mehr Strom als es importiere, aber ausländische Erzeugungskapazitäten seien vor allem dann wichtig, wenn die inländische Stromerzeugung aus Wind und Sonne gering sei, die Nachfrage aber gleichzeitig hoch. In Zukunft würden im Zuge der Energiewende konventionelle Kraftwerkskapazitäten abgebaut, so Mundt. Die wettbewerbliche Bedeutung von Stromimporten steige deshalb.
lfo/dpa/LTO-Redaktion
Bundeskartellamt analysiert Stromerzeugermarkt: . In: Legal Tribune Online, 09.08.2023 , https://www.lto.de/persistent/a_id/52448 (abgerufen am: 02.10.2024 )
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