Bundeskartellamt leitet Verfahren gegen PayPal ein: Wett­be­werb statt Parität bei der Online-Bezah­lung

von Dr. Jochen Bernhard und Eliana Koch-Heintzeler

01.02.2023

Das BKartA wirft PayPal vor, mit seinen Nutzungsbedingungen den Wettbewerb zu anderen Zahlungsdiensten missbräuchlich zu beschränken. Jochen Bernhard und Eliana Koch-Heintzeler erklären, wieso der Fall kein Selbstläufer wird.

Am 23. Januar 2023 hat das Bundeskartellamt (BKartA) ein Verfahren gegen den Zahlungsdienstleister PayPal eingeleitet. Der Vorwurf: PayPal verhindere durch seine Nutzungsbedingungen, dass Händler die Bezahlung mittels anderer Online-Zahlungsmethoden für ihre Kunden attraktiver gestalten als über PayPal.

Zunächst moniert das Amt, dass PayPal-Händler "für die Nutzung der PayPal-Dienste keine Aufschläge oder Servicegebühren, höhere Versandkosten im Vergleich zu anderen Zahlungsmethoden oder sonstige Gebühren berechnen dürfen". Diese Klausel führt faktisch dazu, dass der Händler günstigere Entgelte anderer Zahlungsdienstleister nicht durch niedrigere Verkaufspreise an die Endkunden durchreichen kann.

Die Vorgaben zur Darstellung von PayPal verlangen, dass die Händler "PayPal auf Augenhöhe mit anderen Zahlungsquellen behandeln, die an ihren Verkaufsstellen angeboten werden". Dies gilt bei PayPal unter anderem für die "Behandlung in Bezug auf Zahlungsablauf, Bedingungen, Konditionen, Einschränkungen und Gebühren, jeweils im Vergleich zu anderen Marken und Zahlungsquellen in Ihren Verkaufsstellen."

Mehrgliedrigkeit des Kartellrechts als Herausforderung

Das BKartA prüft die Vorwürfe sowohl als möglichen Missbrauch einer marktbeherrschenden oder relativ marktmächtigen Stellung, als auch unter dem Gesichtspunkt des Verbots wettbewerbsbeschränkender Vereinbarungen. Hier stellt sich für das Amt die Herausforderung, dass bestimmte Vertragsklauseln von Unternehmen mit einem Marktanteil bis zu 30 % nach der Vertikal-Gruppenfreistellungsverordnung (Vertikal-GVO) vom Kartellverbot freigestellt sind, während sie in anderem wettbewerblichen Kontext als missbräuchlich angesehen werden können. Für die Kartellbehörde stellt sich daher unter Umständen die Gretchenfrage: Kann verboten sein, was eigentlich erlaubt ist?

Dazu gilt es zu verstehen, dass der einseitige Missbrauch von Marktmacht (Art. 102 AEUV, §§ 19, 20 GWB) unabhängig vom Verbot wettbewerbsbeschränkender Vereinbarungen zwischen Unternehmen (Art. 101 AEUV und § 1 GWB) beurteilt wird. Dabei kann es vorkommen, dass ein- und dasselbe Verhalten zwar nach dem Kartellverbot als erlaubt gilt, zugleich aber als unzulässiger Marktmachtmissbrauch einzuordnen ist.

Marktabgrenzung und Marktanteile als entscheidende Parameter

Wie so häufig im Kartellrecht, liegt es nahe, dass auch im vorliegenden Fall der Marktanteil von PayPal entscheidend für die rechtliche Einordnung sein wird. PayPal steht nicht nur im Wettbewerb zu Zahlungsdienstleistern wie Klarna, Google Pay und Amazon Pay, sondern auch zu Kreditkartenanbietern und Banken, die die Kaufabwicklung per Rechnung oder Vorauskasse ermöglichen. Daran gemessen hat das Marktforschungsunternehmen EHI Retail einen Marktanteil von PayPal in Höhe von 28,2 % ermittelt. Sollte die Kartellbehörde zum gleichen Ergebnis kommen, spricht vieles dafür, dass die gerügten Klauseln vom Kartellverbot freigestellt sind.

Insbesondere läge keine unzulässige "weite Bestpreisklausel eines Online-Vermittlungsdiensts" (Art. 5 Abs. 1 lit. d) Vertikal-GVO) vor. PayPal ist kein klassischer Online-Vermittlungsdienst wie Amazon Marketplace oder Ebay, sondern unterstützt lediglich bei der Bezahlung solcher Angebote. Zudem verbietet PayPal den Händlern auch nicht, Endverbrauchern Produkte über konkurrierende Online-Vermittlungsdienste günstiger anzubieten. Vielmehr untersagen die seitens des Kartellamts gerügten Klauseln den Händlern, ihre Produkte auf ihrer eigenen Website günstiger anzubieten, wenn sich der Kunde für eine andere Online-Zahlungsmethode anstatt für PayPal entscheidet.

Der Nachweis einer marktbeherrschenden Stellung dürfte dem BKartA unter diesen Voraussetzungen kaum gelingen. Noch vor wenigen Jahren hatte die Behörde selbst in einer Fusionskontrollentscheidung zum Erwerb von Honey Science durch PayPal (Entsch. v. 17.12.2019, Az. B6-86/19) festgestellt, dass trotz einer verhältnismäßig starken Marktstellung von PayPal keine erhebliche Behinderung wirksamen Wettbewerbs vorliege. Der Regelfall für eine solche Wettbewerbsbehinderung lag damals in Bezug auf PayPal offenbar nicht vor. Das Gesetz vermutet eine marktbeherrschende Stellung erst ab einem Marktanteil von 40 %.

Relative Marktmacht als Türöffner für die Kartellbehörde?

Denkbar ist, dass das BKartA den Eingang in den Marktmachtmissbrauch schlussendlich über den Begriff der relativen Marktmacht von PayPal nach § 20 GWB findet. Es müsste dann nachweisen, dass bestimmte Unternehmen von PayPal in der Weise abhängig sind, dass für sie keine ausreichenden oder zumutbaren Möglichkeiten bestehen, auf Wettbewerber von PayPal auszuweichen.

Dies würde voraussetzen, dass die Zahlungsmöglichkeit via PayPal für die Kunden ein wesentlicher Faktor bei der Frage ist, über welchen Online-Händler sie ein Produkt beziehen. Denkbar wäre, hier insbesondere zu berücksichtigen, dass PayPal unabhängig von der Online-Zahlungsfunktion im B2C-Bereich auch eine kostenlose Möglichkeit von Geldtransfers über die Funktion PayPal-Friends anbietet. Da PayPal-Friends nur funktioniert, wenn Zahlungserbringer und Zahlungsempfänger einen PayPal-Account haben, könnte das BKartA insoweit auf eine relative Marktmacht im Markt für Bezahlungsverfahren im Internet aufgrund des Netzwerkeffekts in einem ganz anderen Markt schließen.

Kurz gesagt: Wer ohnehin schon einen PayPal-Account hat, wird lieber bei einem Händler mit Angebot der PayPal-Zahlungsfunktion kaufen, als ein paar Cent für den Kauf bei einem Wettbewerber zu sparen, für den er erst mühsam einen Giropay-, Klarna- oder Google Pay-Account anlegen müsste. Die neue Fallgruppe der "relativen Marktmacht durch Netzwerkeffekte" wäre geboren.

Behinderung der Wettbewerber beweisbedürftig

Hat das BKartA diese Hürde überwunden, müsste die Behörde zusätzlich noch die Missbräuchlichkeit der Klauseln nachweisen. Da die Online-Händler nach den Nutzungsbedingungen von PayPal ihre Produkte unter Inanspruchnahme anderer Zahlungsdienstleister nicht günstiger anbieten dürfen als mit PayPal, sind günstigere Leistungen der Konkurrenten von PayPal für die Online-Endkunden nicht attraktiv.

Insoweit könnte sich das BKartA an die E-Book-Entscheidung der Europäischen Kommission zu Amazon aus dem Jahr 2017 (Fall AT.40153) anlehnen. Die Kommission hatte Vertragsbedingungen von Amazon als missbräuchlich angesehen, die einen "Wettbewerb der Geschäftsmodelle" im Online-Handel unmöglich machten.

Eine ähnliche Zielrichtung entfalten auch die Klauseln von PayPal, weil PayPal-Händler etwaige Vorteile in den Geschäftsmodellen der Wettbewerber von PayPal nicht durch günstigere Preise an die Verbraucher weitergeben dürfen. Da die Händler die Konkurrenten von PayPal darüber hinaus auch nicht optisch hervorheben dürfen, können sich die Wettbewerber auch nicht durch besseres Marketing im Bewusstsein der Endkunden positionieren.

Hoffnung auf sinkende Verbraucherpreise durch mehr Transparenz

Sollte das BKartA zu dem Schluss gelangen, dass die Nutzungsbedingungen von PayPal unwirksam sind, wäre dies ein Triumph für das Amt nicht nur als Kartell-, sondern auch als Verbraucherschutzbehörde. Dann dürften Händler ihre Produkte zu günstigeren Preisen anbieten, wenn der Kunde einen anderen Zahlungsdienst als PayPal nutzt.

Der letzte Schritt zu einer verbraucherfreundlichen Preis- und Kostentransparenz wäre damit zwar noch nicht getan – doch auch daran arbeitet das BKartA bereits: Bislang verbietet es die Europäische Zahlungsdiensterichtlinie, separate Entgelte für bestimmte Zahlungsmethoden zu erheben. Daher weisen Online-Händler die Zahlungsentgelte nicht gesondert aus, so dass der Kunde nicht erkennen kann, ob und inwieweit der Händler Transaktionskosten an ihn weitergibt. Das BKartA spricht sich in einer Stellungnahme vom 2. August 2022 dafür aus, dieses gesetzliche Verbot abzuschaffen.

Gelingt auch dies, wären für die Verbraucher neben dem Preis nicht nur die Versandkosten, sondern auch die Transaktionskosten für die Zahlungsabwicklung erkennbar. Damit würden die Gebühren für die gewählte Bezahlungsmodalität zu einem eigenständigen Wettbewerbsfaktor im Online-Handel.

Jochen BernhardEliana Koch-HeintzelerDer Autor Dr. Jochen Bernhard ist Rechtsanwalt und Partner am Stuttgarter Standort der Kanzlei Menold Bezler. Die Autorin Eliana Koch-Heintzeler, LL.M., ist Senior Associate bei Menold Bezler. Beide Autoren beraten Unternehmen im Bereich Kartellrecht und Compliance.

Zitiervorschlag

Bundeskartellamt leitet Verfahren gegen PayPal ein: Wettbewerb statt Parität bei der Online-Bezahlung . In: Legal Tribune Online, 01.02.2023 , https://www.lto.de/persistent/a_id/50946/ (abgerufen am: 22.04.2024 )

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