Die Big 4 der Wirtschaftsprüfungsgesellschaften rüsteten in den vergangenen Jahren juristisch auf und nahmen den Kanzleimarkt ins Visier. Inzwischen sind die Rechtsberatungsgesellschaften ein ernstzunehmender Player geworden.
Die Zeiten, als sich die Rechtsberatungszweige der Wirtschaftsprüfungsgesellschaften in erster Linie als dünne Äste einer großen Gesellschaft sahen und sich die Juristen ausschließlich mit Steuerfragen beschäftigten, sind vorbei. Einige von ihnen blasen selbstbewusst zum Frontalangriff auf klassische Rechtsanwaltskanzleien. Dementsprechend klingt beispielsweise das Selbstverständnis von KPMG Law: "Grundsätzlich sind wir in allen Bereichen des Wirtschaftsrechts für unsere Mandanten da und verstehen uns als Full Service Law Firm", sagt Dr. Manfred Kessler, Global Head des KPMG Legal Services Network.
Die dünnen Äste sind inzwischen zu ansehnlichen Stämmen herangewachsen. Das spiegelt sich beispielsweise in der Personalstärke, denn diese stieg in der jüngeren Vergangenheit rasant. KPMG Law beschäftigt derzeit rund 220 Anwälte, Deloitte etwas mehr als 100. Bei PwC Legal sind rund 190 und bei EY Law 130 Rechtsanwälte in Deutschland angestellt. Zusammengenommen würden die Rechtsanwälte der Big 4 hierzulande die größte Wirtschaftskanzlei in den Schatten stellen: Bei CMS Hasche Sigle, der nach Anwaltszahl größten Kanzlei in Deutschland, arbeiten rund 600 Juristen.
Die Rechtsberatungsgesellschaften zeigen zudem regional Präsenz: Neben den üblichen Standorten in deutschen Metropolen beraten die WP-Anwälte auch in Städten, die sonst selten auf der Landkarte der großen Law Firms stehen. Etwa in Mannheim, Essen, Bielefeld, Kassel oder Osnabrück.
Schillernde Namen
Vergangen sind die Zeiten, in denen sich ausschließlich ein bestimmter Anwaltstypus zu den WP-Gesellschaften hingezogen fühlte. Den Juristen der Rechtsberatungsarme haftete das Image von Hinterzimmer-Anwälten an, die nicht aus dem Schatten der Steuerberater und Wirtschaftsprüfer heraustreten können. Wer Wert auf Renommee legte, der ging nicht zu einer WP-Gesellschaft – schon gar nicht als Partner. Doch das hat sich gewandelt. Die Namen, die in den letzten Jahren von Kanzleien zu WP-Gesellschaften wechselten, sind schillernd.
Insbesondere PwC Legal konnte mit namhaften Zugängen aufwarten. So schloss sich ein Team um das Vergaberecht-Urgestein Dr. Friedrich Ludwig Hausmann der WP-Anwaltsgesellschaft an und nach dem Aus der Energierechtskanzlei Scholtka & Partner kam ein Team um Namenspartner Dr. Boris Scholtka neu hinzu. Auch der Ex-Managing Partner von Mayer Brown Jörg Wulfken gehörte zu den prominenten Zugängen bei PwC Legal. Eines ist klar: Diese etablierten Anwaltspersönlichkeiten stellt keine Hinterkammer zufrieden.
Entsprechend hochkarätig sind auch die Mandate, die von den Anwälten der WP-Law-Firms bearbeitet werden. Sie begleiten Deals in einer Größenordnung, die vor einiger Zeit noch undenkbar gewesen wären. KPMG Law wurde beispielsweise beim Verkauf der Großbäckerei Klemme an Aryzta neben Freshfields Bruckhaus Deringer tätig, PwC Legal beriet die NOZ Medien beim Kauf der mh:n-Gruppe und Deloitte Legal begleitete gemeinsam mit Milbank Tweed Hadley & McCloy die Fusion von Immowelt und Immonet.
Kostendruck und Internationalisierung
Ihre Chancen sehen die Rechtsberatungsarme der WP-Gesellschaften im Wandel des Kanzleimarktes. Insbesondere die Globalisierung - und damit einhergehend die Internationalisierung des Geschäfts - nennen die WP-Kanzleien als maßgebliche Treiber des Wachstums. Thomas Northoff, Managing Partner bei Deloitte Legal, beschreibt die Situation folgendermaßen: "Unsere Strategie basiert auf der Erkenntnis, dass immer mehr Unternehmen die Vorteile einer Rechtsanwaltskanzlei zu schätzen wissen, die in einen internationalen Beratungsverbund und ein globales Netzwerk integriert ist."
Außerdem sei die Nachfrage nach ihrer Art der Rechtsberatung deshalb gestiegen, weil Mandanten eine umfassende Lösung für unternehmerische Herausforderungen suchten, die stetig komplexer würden, so Northoff. Hinzu kommen die veränderten Preis- und Geschäftsmodelle aufgrund von stärkerem Kostendruck aufseiten der Unternehmen.
Auch KPMG Law-Chef Kessler sieht den strategischen Vorteil der WP-Rechtsberatung darin, dass sie ihre Kunden interdisziplinär, ganzheitlich und vernetzt betreuen. Ein weiterer wichtiger Punkt sei die Digitalisierung. Genau wie die reinen Anwaltskanzleien sehen sie hier großen Bedarf und legen diesen als Chance für sich aus. Northoff von Deloitte Legal sagt dazu: "Wir beschäftigen uns intensiv mit Markt- und Technologieentwicklungen sowie neuen Anbietern, die traditionelle Geschäftsmodelle verändern."
2/2: Droht Gefahr von Seiten der EU?
Klar, die WP-Anwälte punkten seit jeher besonders bei internationalen Mandaten. Sie glänzen dann, wenn die Expertise aus verschiedenen Ländern gefragt ist und das WP-eigene Netzwerk nützt. Doch aufgrund der allgemeinen Internationalisierung des Anwaltsmarkts in Deutschland ist dies längst kein Alleinstellungsmerkmal mehr.
Ohnehin muss sich zeigen, ob die Zeiten für WP-Gesellschaften und deren Rechtsberatung weiterhin so günstig bleiben. Die EU Audit-Reform, die eine schärfere Trennung zwischen Abschlussprüfung und Rechtsberatung vorsieht, wird erhebliche Auswirkungen auf das Geschäftsmodell multidisziplinärer Gesellschaften haben.
Die Reform sieht für Unternehmen des öffentlichen Interesses, zum Beispiel börsennotierte Konzerne, Versicherungen oder Banken, eine Pflichtrotation vor sowie die Trennung von Prüfung und Beratung. Hierin liegt Chance und Risiko zugleich: So erhoffen sich die WP-Gesellschaften, dass sich zahlreiche Unternehmen Alternativen zu ihren bisherigen Abschlussprüfern suchen und sie neue Mandanten gewinnen. Die Kehrseite: Mandatsbeziehungen dürften deutlich volatiler werden.
Am langen Arm des internationalen Managements
Zur Strategie der Rechtsberatungszweige gehört auch, dass sich eigenständig im Markt positionieren und nicht mehr nur als Anhängsel der WP-Gesellschaft wahrgenommen werden wollen.
Deloitte Legal etwa kümmert sich aktuell um die Unternehmenskultur und Qualitätssicherung, KPMG Law setzt sich mit Weiterbildungs- und Vergütungsmodellen auseinander. Strategisch möchte letztere ein weiteres Stammfeld klassischer Anwaltskanzleien in Angriff nehmen und sich verstärkt um Familienunternehmen bemühen. Außerdem soll der Energiebereich ausgebaut werden. Das Management von Deloitte Legal konzentriert sich auf regulierte Branchen wie Energie und Finanzen, außerdem stehen dort Datenschutz- und IT-Themen ganz oben auf der Agenda.
Doch letztlich hängen die Entscheidungen für den deutschen Markt bei vielen WP-Gesellschaften von einem internationalen Management ab. Manche investieren hierzulande, andere lassen das Geschäft mit angezogener Handbremse laufen. So hat beispielsweise PwC im vergangenen Herbst bekannt gegeben, dass sieben kleinere deutsche Standorte geschlossen werden sollen. Betroffen sind auch drei Standorte der bislang so expansiven PwC Legal.
Die Zeiten haben sich schon immer geändert.
Désirée Balthasar, Rechtsberatung der WP-Gesellschaften: Alle Zeiten ändern sich . In: Legal Tribune Online, 18.04.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/19120/ (abgerufen am: 29.03.2024 )
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