Jones-Day-Partner Johannes Zöttl wollte es wissen: Er hat das beste Jurablog Deutschlands gekürt. Ein Bericht über Wahlmüde, Übereifrige und technische Tücken – und einen Drittplazierten, der gar kein Jurist ist.
76 Nominierte in 15 Kategorien. Dr. Johannes Zöttl, Kartellrechtspartner bei Jones Day, hat sich einer Mammutaufgabe gestellt: Er will das beste Jurablog 2015 wählen lassen. Ganz allein. Technisch unterstützt durch ein Plug-In, das allerdings nicht so recht will wie er.
Doch es gelingt: Die Leser von Zöttls Kartellblog.de beteiligen sich eifrig an der Umfrage, und inzwischen steht das Ergebnis fest: Sieger ist der Blog Datenschutzbeauftrager-info.de, gefolgt von der Kanzlei Hoenig und den Steuerköpfen. Seinen eigenen Blog stellte Zöttl übrigens nicht zur Wahl. Er betreibt ihn in seiner Freizeit, eine Vermischung mit seiner Position in der Kanzlei findet nicht statt.
Jurablogs, auch genannt Blawgs, gibt es zuhauf. Wer es unübersichtlich mag und die reine Masse bevorzugt, klickt auf Jurablogs.com und findet dort jeden Tag ein neues Ranking von etwa 340 Blogs. Insgesamt sind auf der Seite sogar mehr als 900 Blogs mit juristischem Bezug registriert. Warum also erfindet Zöttl ein weiteres Ranking? "Einfach so!" sagt er und lacht. "Ich wollte etwas Bewegung in die Szene bringen und Blawgs bekannter machen", fügt er hinzu.
Wahlmüdigkeit auf der einen, Übereifer auf der anderen Seite
Das hat er geschafft. Dem Aufruf auf seinem Kartellrechtsblog, für die nominierten Blogs abzustimmen, folgten knapp 2.700 Menschen. Das sind allerdings im diesjährigen Durchgang weit weniger als beim ersten Mal 2014 - damals waren es mehr als 4.500 Stimmen.
Und auch hier gibt sie: Die Menschen, die sich selbst zu ernst nehmen und unbedingt ihr eigenes Projekt nach vorne bringen möchten. Sie schreiben hitzige Kommentare und Emails, die Zöttl mit einem Kopfschütteln abtut. "Es gab Blogger, die sich beschwerten, warum sie nicht oder nicht in bestimmte Kategorien aufgenommen wurden. Doch wenn sie von ihren Lesern nicht nominiert wurden, waren sie eben nicht dabei", sagt Zöttl lapidar.
Er hat beinahe jede Nominierung seiner Leser angenommen – es sei denn, der Blog war offensichtlich nicht mehr in Betrieb. Die Kategorien hat er sich selbst ausgedacht, bis auf das Sportrecht. Das schlug ein Leser seines Blogs vor, Zöttl selbst kannte die Portale bis dato nicht. So lernt auch der erfahrene Blogger immer Neues kennen.
Mehr als Pressemitteilungen widerkauen
Im Gegensatz zum Blog-Aggregator Jurablogs.com hat der Kartellrechtler bei der Auswahl der Nominierten darauf geachtet, dass die Inhalte ansprechend und vor allem selbst produziert sind. Denn die Kehrseite von Jurablogs.com ist die technische Selektierung der Blogs. Gelistet sind die, die in den letzten 60 Tagen einen neuen Artikel auf ihrer eigenen Seite, auf Jurablogs.com aber mindestens zehn Beiträge veröffentlicht haben. Soll heißen: Wer seine Beiträge fleißig auf Jurablogs.com veröffentlicht, der steht im Ranking ganz oben. Was allerdings nichts über die Qualität der Inhalte aussagt.
"Viel zu viele Blogs kauen lediglich die Pressemitteilungen der Gerichte wieder", sagt Zöttl. Seit er vor sechs Jahren mit Kartellblog.de gestartet ist, hat er einen guten Überblick über die Szene der Blawgs gewinnen können. "Ich kann es verstehen, wenn dies kleinere Kanzleien tun, die ihre Internetpräsenz im Ranking bei Google nach oben bringen wollen", erklärt Zöttl. "Da helfen aktuelle Inhalte, und diese Inhalte kommen dann eben von den Gerichten. Doch derartige Webseiten würde ich nicht als Blawgs bezeichnen."
Tippen für’s Marketing
Blogs, die sich juristischen Themen widmen, sollten also nicht nur aktuell sein, sondern auch eigenen Input beisteuern. Mehrwert für die Leser ergibt sich dann, wenn eine Einordnung stattfindet, das Geschehene kommentiert oder erklärt wird, oder wenn es neue Sichtweisen auf eine Fragestellung gibt. Der Mehrwert für die Kanzlei entsteht, wenn mithilfe des Blogs die eigene Bekanntheit steigt. Viele denken dabei zuallererst an potentielle Mandanten.
Dass das die Hauptmotivation für Kanzleien und Einzelanwälte ist, steht für Henning Krieg außer Frage. Der Legal Counsel bei Lumesse hat bereits vor einigen Jahren auf seinem eigenen Blog kriegs-recht.de festgestellt, dass Blogs ein beliebtes Marketinginstrument für Anwälte und Kanzleien darstellen.
Wie erfolgreich sie jeweils sind, ist aber ein anderes Thema. Denn ein Blog ist laut Krieg zu allererst auf Dialog mit den Lesern ausgerichtet und keine "Einbahnstraßenkommunikation". Wer jedoch reine Werbebotschaften in das Netz pustet, würde langfristig gesehen keine Stammleserschaft aufbauen, meint er. Viel geändert hat sich seit Kriegs Analyse nicht.
Désirée Balthasar, Wahl des Jurablogs 2015: . In: Legal Tribune Online, 19.03.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/14993 (abgerufen am: 11.12.2024 )
Infos zum Zitiervorschlag