Der Chemiekonzern Bayer gewinnt im Glyphosat-Rechtskomplex einen Prozess um einen an Krebs erkrankten Jungen. Eine bevorstehende wegweisende Entscheidung des Supreme Court hat aber weiterhin höchste Priorität.
Der seit Jahren mit milliardenteuren Glyphosat-Rechtsstreitigkeiten ringende Bayer-Konzern hat in den Vereinigten Staaten erstmals einen Prozess um angebliche Krebsrisiken des Unkrautvernichters gewonnen. Die Geschworenen befanden am Dienstag (Ortszeit) in Los Angeles, dass die Erkrankung eines Jungen mit dem "Non-Hodgkin-Lymphom", das zu den am schnellsten wachsenden Tumorarten gezählt wird, nicht auf die Verwendung des glyphosathaltigen Pestizids Roundup zurückzuführen sei. Der Klageschrift zufolge hatte die Mutter des zum Zeitpunkt der Erkrankung im Jahr 2016 vier Jahre alten Jungen das Pestizid auf dem Grundstück der Familie eingesetzt.
“Wir haben großes Mitgefühl für Ezra Clark und seine Familie”, hieß es in einer Mitteilung von Bayer. Der Konzern sieht sich durch das Urteil der Geschworenen aber gleichzeitig in seiner Auffassung bestätigt, dass Glyphosat bei sachgemäßer Anwendung sicher ist. Dafür führt das Unternehmen immer wieder wissenschaftliche Studien an.
Supreme Court vor bedeutender Entscheidung
Infolge einer Niederlage in einem Prozess im Sommer 2018 war die Zahl der Klagen gegen Bayer nach oben geschnellt. Zwei weitere Schlappen für Bayer folgten seither. Ungleich wichtiger als der aktuelle Sieg in dem Prozess in Los Angeles ist aber die anstehende Entscheidung des höchsten US-Gerichts in einem anderen Fall.
Bayer-Chef Werner Baumann setzt auf eine höchstrichterliche Entscheidung, um eine grundlegende Trendwende herbeizuführen. Dazu legte Bayer im Sommer beim Supreme Court im Fall Hardeman Revision ein. Sollten die Richter ihn zur Entscheidung annehmen und später im Sinne von Bayer urteilen, hätte dies Signalwirkung. Die Deutschen versprechen sich dadurch, die Glyphosat-Streitigkeiten im Grunde beenden zu können.
Für den Fall, dass der Supreme Court sich mit dem Glyphosat-Verfahren nicht befassen will oder gegen Bayer entscheidet, hat der Konzern Rückstellungen von 4,5 Milliarden Dollar gebildet. Mit dem Geld würde Bayer dann ein Programm aufsetzen, um in den kommenden 15 Jahren mit den Forderungen neuer Kläger umzugehen. Zuvor hatte Bayer bereits mehr als elf Milliarden Dollar für ein Vergleichspaket zur Beilegung von US-Klagen zurückgestellt. Rund 96.000 Fälle sind bereits endgültig beigelegt worden.
Rechtliche Unsicherheit belastet den Aktienkurs
Bayer hatte sich die teuren Rechtskonflikte rund um Roundup im Jahr 2018 mit der über 60 Milliarden Dollar teuren Übernahme des US-Saatgutriesen Monsanto ins Haus geholt. Seitdem belastet die Ungewissheit mit Blick auf die zeitintensiven Glyphosat-Prozesse auch die Entwicklung des Aktienkurses.
Die Anteilsscheine des Konzerns haben in den vergangenen drei Jahren mehr als ein Drittel ihres Wertes eingebüßt. Keine Dax-Aktie hat sich in diesem Zeitraum schwächer entwickelt. Auch die Nachricht zum gewonnenen Rechtsstreit kann keine Euphorie entfachen. Aktuell büßt der Bayer-Kurs rund ein Prozent an Wert ein.
dpa/sts/LTO-Redaktion
Prozesse um Glyphosat: . In: Legal Tribune Online, 06.10.2021 , https://www.lto.de/persistent/a_id/46223 (abgerufen am: 02.12.2024 )
Infos zum Zitiervorschlag