James Freis, nach dem Rücktritt von Markus Braun kurzzeitig Vorstandsvorsitzender von Wirecard, stärkt mit seiner Aussage vor dem LG München Zweifel an der Existenz eines Treuhandguthabens.
Im Münchener Wirecard-Prozess hat der Kurzzeit-Nachfolger des Ex-Vorstandschefs Markus Braun die Zweifel an der Existenz der seit drei Jahren vermissten Milliarden untermauert. Die Bankbestätigungen über Treuhandguthaben von 1,9 Milliarden Euro seien ihm sofort suspekt gewesen, berichtete der US-Manager James Freis am Mittwoch.
Der Wirecard-Aufsichtsrat berief Freis im Frühjahr 2020 in den Vorstand. Eigentlich sollte der Jurist seinen Posten am 1. Juli antreten und für Rechtstreue zuständig sein. Weil sich die Anzeichen für eine Bilanzmanipulation schnell verdichteten, trat Freis seinen neuen Job bereits am 18. Juni an. Einen Tag später trat Braun zurück. Freis wurde so innerhalb eines Tages zum neuen Vorstandsvorsitzenden. Wenige Tage später folgten unter Freis’ Regie das Eingeständnis, dass die 1,9 Milliarden nicht auffindbar waren, und schließlich die Insolvenz.
Nach Freis’ Worten hatte Braun noch am 18. Juni bekundet, dass das Geld sehr wahrscheinlich existiere. Freis ließ sich als eine seiner ersten Amtshandlungen Bestätigungen zweier philippinischer Banken vorlegen, auf denen das Geld angeblich lagerte.
400 Millionen Euro per Handy-Überweisung
Laut Freis’ Zeugenaussage gab es mehrere offensichtliche Merkwürdigkeiten: Demnach hatte Wirecard nie Gebühren oder Verwahrzinsen für die Konten gezahlt. Die meisten Beträge waren glatt. "Das war wirtschaftlich unvorstellbar." Auf einem der Konten war zudem eine Handy-Überweisung von 400 Millionen Euro verbucht. Dass eine derartige Summe per Mobiltelefon überwiesen werde, habe er noch nie gehört, sagte Freis.
Der Manager ist Fachmann für Wirtschaftsverbrechen. Früher war er als leitender Beamter im US-Finanzministerium für die Bekämpfung von Geldwäsche und Finanzkriminalität zuständig. Nach der Pleite Ende Juni 2020 übernahm der Insolvenzverwalter das Ruder. Freis schied nach knapp drei Monaten wieder aus. In dieser Zeit entdeckte der Kurzzeit-Vorstandschef nach eigenen Worten keinen Hinweis, dass es die angeklagten Scheingeschäfte tatsächlich gegeben haben könnte.
Im größten Betrugsfall der deutschen Nachkriegsgeschichte sind Freis’ Vorgänger Braun und zwei weitere frühere Wirecard-Manager wegen des Verdachts des gewerbsmäßigen Bandenbetrugs angeklagt. Laut Anklage sollen sie seit 2015 die Wirecard-Bilanzen gefälscht und kreditgebende Banken um 3,1 Milliarden Euro geschädigt haben. Nach Brauns Darstellung wurden die vermissten Milliarden ohne sein Wissen und ohne seine Beteiligung von Kriminellen im Unternehmen veruntreut.
dpa/sts/LTO-Redaktion
Nachfolger von Markus Braun sagt aus: . In: Legal Tribune Online, 26.04.2023 , https://www.lto.de/persistent/a_id/51641 (abgerufen am: 02.12.2024 )
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