Anwälte nutzen Kongresse und Kanzlei-Sommerfeste gerne zum Netzwerken und zur Akquise. Was aber, wenn derzeit keine großen Veranstaltungen stattfinden dürfen? Kein Grund zum Nichtstun, meint Carmen Schön.
LTO: Frau Schön, derzeit sind klassische Netzwerkveranstaltungen wie Sommerfeste, Seminare oder Kongresse abgesagt. Wie können Anwälte dennoch Kontakt zu ihren Mandanten halten?
Carmen Schön: Auch wenn keine großen Veranstaltungen stattfinden – man kann sich ja trotzdem treffen. Ich kenne einige Anwälte, die durchaus mit ihren Mandanten wiedergemeinsam zu Mittagessen. Denn einige freuen sich ja durchaus über Abwechslung.
Man sollte also nicht einfach die Flinte ins Korn werfen und sagen: Jetzt geht gar nichts mit persönlichen Kontakten. Jeder muss für sich überlegen: Was will ich selbst? Was passt in die Kanzleilinie und was will der Mandant? Sie könnten dem Kunden einfach einmal anbieten, sich in einer kleinen Runde zu treffen. Und dann schauen Sie, wie er darauf reagiert.
Generell sind diese Monate für eines gut: für die Markenbildung. Wir sparen viel Zeit, weil Events nicht stattfinden, und Reisezeit fällt derzeit auch kaum an. Das können wir gut dazu einsetzen, um an unserer Marke zu arbeiten.
"Zum Telefon greifen"
Aber was tut derjenige, der in der Corona-Zeit lieber ohne viele unmittelbare Kontakte netzwerken will?
Der greift ganz klassisch zum Telefon. Jeder Anwalt hat vermutlich eine Datenbank, eine Excel-Tabelle oder zumindest irgendeine Konstruktion, in der er seine Kontakte pflegt. Nun ist Zeit, diese Liste abzutelefonieren. Und wer noch keine Struktur in seinen Kontakten hat, könnte das jetzt einmal angehen. Viele Anwälte haben nur eine Art Loseblattsammlung - nun wäre eine gute Gelegenheit, dem Ganzen eine Ordnung zu geben.
Rufen Sie den Mandanten an und fragen Sie ihn, wie es ihm in den letzten drei Monaten ergangen ist. Wenn er gerade Zeit hat und sprechen will, ist ein solches Gespräch eine gute Möglichkeit, eigenen seelischen Ballast loszuwerden. Denn wir alle sprechen ja jetzt sehr viel über unsere Erlebnisse in Zeiten von Corona. Das bietet auch die Chance, sich intensiver kennenzulernen. Zudem gibt es natürlich auch Geschäftsmöglichkeiten, etwa im Arbeitsrecht, im Insolvenzrecht oder im Steuerrecht.
Anwälte denken oft, dass sie nicht nerven wollen und der Mandant sicher andere Probleme hat. Aber das sehe ich anders. Nehmen Sie ruhig Kontakt auf und machen Sie ein Gesprächsangebot. Seien Sie dabei aber nicht "pushy" und gehen Sie nicht mit der Erwartung in das Gespräch, dass Sie unbedingt ein Mandat haben wollen.
Ist das Social-Media-Profil auf der Höhe?
Netzwerken über die Business-Plattformen im Internet – was ist davon zu halten?
Social Media war schon vor Corona interessant, aber jetzt ist es als Marktplatz natürlich besonders gut geeignet, um Kontakte zu halten und aufzubauen. Wer bei LinkedIn oder Xing noch nicht präsent ist, sollte sich überlegen, ob das sein Ding ist und er dort auch vertreten sein will. Beispielsweise mit Blick auf den Datenschutz könnten manche durchaus Bedenken haben. Wer schon ein Profil hat, sollte schauen, ob es auf der Höhe ist, sprich professionell aufgebaut.
Anfänger sollten sich auf LinkedIn und oder Xing ein aussagekräftiges Profil anlegen mit einem guten Portraitfoto und einem schönen Hintergrundbild, das eventuell auch zur Kanzlei passt, beispielsweise das Kanzlei-Logo. Die Portale sind eigentlich selbsterklärend und leicht zu bedienen. Fortgeschrittene könnten überlegen, ob Podcasts, ein Youtube-Kanal oder Instagram und Twitter etwas für sie sind.
Mindestens einmal pro Woche posten
Hat man ein Profil, dann gilt es Präsenz zu zeigen, also regelmäßig zu posten. Damit betreiben Sie eine Art Customer-Relationship-Management, weil viele Menschen und wohl auch Ihre Mandanten derzeit vermutlich mehr auf den Online-Plattformen unterwegs sind als sonst. Sie können eigene Beiträge oder Beiträge aus der Kanzlei posten, oder Sie teilen Postings von Kollegen. Dann aber ist es freundlich, wenn Sie den Namen des Kollegen in Ihrem Post nennen und ihn verknüpfen. Natürlich können Sie auch Beiträge von anderen liken und kommentieren. Ich stelle aber fest, dass Anwälte das nur sehr verhalten tun. Vermutlich, weil sie sich davor scheuen, eine Meinung abzugeben und sich zu exponieren.
Ein Vorurteil ist: Social Media ist nur etwas für Jüngere…
Auf keinen Fall! Ich habe Kunden, denen es gelungen ist, innerhalb von wenigen Monaten ein Netzwerk von 800-1.000 Kontakten aufzubauen. Viele meiner Kunden sind Anfang bis Mitte 50 und stellen sich dennoch dem Thema Social Media. Alle haben ihre anfängliche Skepsis und auch Befürchtung – kann ich das überhaupt – mittlerweile abgebaut.
Wie oft posten diese Kunden von Ihnen? Und wie viele Mandate haben sie bekommen?
Ungefähr zwei bis drei Mal pro Woche. Was die Frequenz angeht, können sich Anwälte durchaus auf ihr Bauchgefühl verlassen. Das sagt ihnen schon, wann sie den Mandanten wohl nerven. Ich persönlich denke, einmal am Tag zu posten könnte zu viel sein, aber einmal pro Woche wäre schon sinnvoll. Ein Post pro Monat ist sicherlich zu wenig. Letztlich kommt es aber auch darauf, einen Inhalt zu haben, den man teilen möchte und mit dem man sich gut fühlt.
Erfolg ist nur schwer messbar
Wie viele Mandate nun dadurch kommen, ist schwer zu sagen. Man kann natürlich die Resonanz auf einzelne Postings analysieren, aber letztlich ist es schwer zu beurteilen, wieviele direkte Mandate über einen Post gekommen sind. Wer mit einem Mandanten telefoniert oder sich trifft, weiß es dagegen direkt, wenn er nach dem Treffen beauftragt wird. Aber um seine Marke zu zeigen, funktioniert Social Media gut.
Dennoch trauern viele Anwälte den Mandantenveranstaltungen nach…
Natürlich ist es leichter, auf einem Event mit einem Glas Sekt oder Orangensaft in der Hand auf einen Mandanten zuzugehen. Wenn man den Menschen, seine Mimik und Gestik sieht, senkt das die Hemmschwelle. Kontakt halten über Social Media lässt sich dagegen schlechter steuern. Wer einen Mittelweg sucht, kann statt zu telefonieren zu einer Videokonferenz einladen. Ich denke, eine Mischung zwischen Online-Netzwerken und Präsenz wäre gut. Aber wenn jemand sagt, netzwerken gehe im Moment gar nicht – diese Einschätzungteile ich nicht!
Vielen Dank für das Gespräch, Frau Schön!
Die Volljuristin und ehemalige Rechtsabteilungsleiterin Carmen Schön berät und coacht Juristen, Führungskräfte und Anwaltskanzleien zu Themen wie Geschäftsaufbau, Führung, Auftritt und Wirkung.
Netzwerken trotz Abstandsgebot: . In: Legal Tribune Online, 15.07.2020 , https://www.lto.de/persistent/a_id/42200 (abgerufen am: 09.10.2024 )
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