Anwalts-Startups: Hat die Großkanzlei ausgedient?

von Désirée Balthasar

21.01.2015

2/2: Das Wichtigste: die eigene Branche finden

Sein Feierabendbier nahm Lukas Assmann zu Beginn seiner Karriere ohne Kollegen zu sich. Denn er hatte keine. Der heute 30-Jährige gründete 2011 seine eigene Wirtschaftskanzlei, direkt nach dem zweiten Staatsexamen. "Der Trend geht weg von der Großkanzlei, hin zu kleineren Sozietäten", glaubt Assmann. Und deutet auf einen Widerspruch hin: "Die Absolventen wollen sich nicht mehr ausbeuten lassen. Es fehlt ihnen aber oft der Mut, sich selbständig zu machen." Der gebürtige Münchener hat den Sprung gewagt.

Der Traum vieler angestellter Anwälte: der eigene Chef sein. "Mir war es egal, wie viel mehr Geld ich nach 20 Uhr verdienen würde. Viel wichtiger war für mich, dass ich nach 20 Uhr nicht mehr arbeiten muss", sagt Assmann. Doch solche Arbeitszeiten sind bei den großen Wirtschaftskanzleien eine Seltenheit, zumindest für Berufseinsteiger.

"Der Sicherheitsgedanke überwiegt weiterhin. Spin-Offs von Großkanzleien sind nach wie vor die häufigste Art, eine neue Kanzlei zu gründen. Doch es selbst zu versuchen, das trauen sich die Wenigsten." Er hat bewiesen: Es geht auch ohne jahrelange Berufserfahrung, einen festen Mandantenstamm und einen Haufen Gespartes. "Die Gründung selbst ist kein Hexenwerk", ist Assmann überzeugt. "Schwierig ist dagegen die Frage: Wie finde ich meine Branche? Die Spezialisierung ist äußerst wichtig, wenn man sich am Markt etablieren möchte."

Dynamische Rechtsgebiete ohne Platzhirsche

Assmann hat sich im Bereich Energiewirtschaftsrecht positioniert. Genauer: Erneuerbare Energien. Der Markt der Energiewirtschaft ist seit dem 1. April 2000 im Umbruch. Damals wurde das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) eingeführt, um den Ausbau der Regenerativen Energien voranzutreiben. Assmann profitierte davon, dass die Rechtsprechung noch relativ jung war, als er 2007 begann, in diesem Bereich neben dem Studium zu arbeiten. Das Geschäft lief so gut, dass Assmann 2012 Dr. Max Peiffer dazuholte. Sie gründeten die Sozietät AssmannPeiffer und stellten im Jahr darauf bereits einen weiteren Anwalt ein.

"Da es sich um ein relativ neues Rechtsgebiet handelt, gibt es hier keine Platzhirsche, die die Kompetenz bereits seit Jahrzehnten für sich beanspruchen", erzählt Assmann. Es gibt viele Kanzleien, die in der Energiewirtschaft beraten. Aber sie sind dem jungen Anwalt im Bereich des EEG nicht viel voraus.

Das ist sein Vorteil, denn Unternehmer mandatieren ihn, obwohl er zuvor nicht jahrelang in anderen Kanzleien gearbeitet hat. "Der Glaube, gute Rechtsberatung entstehe erst nach vielen Jahren als Anwalt, hält sich hartnäckig", sagt der Kanzleigründer. "In einem dynamischen Rechtsgebiet müssen vielmehr die Grundlagen solide sein, dann kann man jede neue Herausforderung annehmen." Er hat gelernt, dass tägliche Praxis genügt, um sich die Dinge selbst beizubringen. Auch wenn der Weg zur Lösung mal etwas länger dauert.

Gründerkultur statt Großkanzlei-Alltag

Assmann hatte vielleicht auch das Glück, dass in seinem privaten Umfeld zuvor das Start-Up-Fieber ausgebrochen war. Sein Bruder war zu dem Zeitpunkt bereits Geschäftsführer des jungen Biogasunternehmens Landwärme GmbH. "Ich habe Landwärme neben meinem Studium rechtlich mit aufgebaut und dadurch viel Praxiserfahrung gesammelt", erzählt Assmann. "In den Wirtschaftswissenschaften liegt ein Ausbildungsschwerpunkt auf der Gründung von Unternehmen einschließlich Businessplan und dergleichen. Im Jurastudium kennt sich damit keiner aus." Seine Mandanten sind kleine und mittelständische Energieunternehmen mit ebenso jungen Geschäftsführern und deren ambitionierten Wünschen, neue Märkte zu erschließen.

Dieses Aufbruchsgefühl durchzieht zwar einen großen Teil der deutschen Wirtschaft, aber die Rechtsberatung scheint davon weitgehend ausgenommen. "Juristen sind grundsätzlich risikoavers", findet Assmann. "Sie gehen methodisch immer vom 'Störfall' aus und sind deshalb von Berufs wegen Bedenkenträger. Im Gegensatz dazu sind BWL-er wesentlich offener für neue Geschäftsideen."

Insbesondere die Großkanzleien treiben selbst nur selten Innovationen voran. Und wenn neue Ideen umgesetzt werden, kommen diese im Normalfall nicht von den jungen Berufseinsteigern. "Wer die Gründer-Kultur erleben möchte, der geht zu einem Spin-Off, zu einer jungen Kanzlei oder zu einer, die selbst viele Start-Ups berät. Aber sicher nicht zu einer Großkanzlei", sagt Moini. Ein weiteres Argument, welches den Anwalt aus Berlin weg von den Großkanzleien trieb.

Dass eine junge Einheit auch für erfahrene Anwälte eine ernstzunehmende Alternative sein kann, zeigt AssmannPeiffer. Die jungen Partner bekommen in diesem Jahr Verstärkung von einem Kollegen, der sein 60. Lebensjahr bereits überschritten hat und als Of Counsel dazu kommt. Dessen Kommentar zum Eintritt: "Euch muss ich nichts mehr beibringen; ich bringe nur mein Spezialwissen ein.

Zitiervorschlag

Désirée Balthasar, Anwalts-Startups: Hat die Großkanzlei ausgedient? . In: Legal Tribune Online, 21.01.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/14443/ (abgerufen am: 19.04.2024 )

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