Nur 10 Prozent der Partner in deutschen Law Firms sind Frauen. Das liegt an abseitiger Arbeitsorganisation und Kanzleikultur, meint Markus Hartung. U.a. ein Bericht von der 12. Jahrestagung des Instituts für Anwaltsrecht an der HU Berlin.
Das Institut für Anwaltsrecht an der Berliner Humboldt Universität führt ein Dasein außerhalb der Öffentlichkeit. Das ist schade, aber über den Befund lässt sich kaum streiten. Die Öffentlichkeitsarbeit dieser Tagung ist schon fast rührend unprofessionell.
Neben vielen Lehrveranstaltungen in unterschiedlichsten Formaten veranstaltet das Institut seit Langem Jahrestagungen, auf denen aktuelle Themen des anwaltlichen Berufs- und Haftungsrechts von hochkarätigen Referenten behandelt werden. Es sind Expertentagungen, der Inhalt ist deutlich wichtiger als all das Drumherum, das man sonst auf Tagungen findet.
Für diejenigen, die von der Existenz der Veranstaltungen wissen, sind es Pflichttermine, denn es gibt kaum Gelegenheiten, auf diesem hohen Niveau zu diskutieren. Dem geschäftsführenden Direktor des Instituts, Reinhard Singer, ist es außerdem gelungen, bei den Jahrestagungen eine fast familiäre Atmosphäre beizubehalten – mittags geht es in ein Restaurant, wo alle Referenten und Teilnehmer an langen Tischen in bunter Reihe nebeneinandersitzen und Studenten mit Richtern des BVerfG nicht nur über die Tagungsthemen diskutieren können.
Frauen vs. Anwaltschaft
Das Oberthema lautete dieses Jahr "Karriere als Rechtsanwältin – Chancen, Risiken und Perspektiven". Tatsächlich ging es darum, warum Rechtsanwältinnen sich in der Anwaltschaft eher schwer tun. Das Thema ist leidlich bekannt, jedes Jahr wird darüber berichtet, dass sich der Anteil der weiblichen Partner in deutschen Wirtschaftskanzleien wiederum nicht nennenswert erhöht hat.
Nicht alle finden das schlimm: Manche Kanzleien präsentieren jährlich in ganzseitigen Anzeigen ihre neuen (männlichen) Partner, und wenn kaum eine oder gar keine Partnerinnen darunter sind, dann ist das eben so. Der Umstand selber führt offenbar nicht zum schlechten Gewissen oder wenigstens dem Gefühl, dass es ein Komplettversagen der Personalentwicklung darstellen könnte, wenn man keine einzige Anwältin zur Partnerin ernannt hat.
Kürzlich äußerte sich der Managing Partner einer internationalen Kanzlei in Deutschland darüber, dass M&A-Transaktionen eben dauernde Verfügbarkeit und 60- oder 70-Wochen-Stunden bedeuteten. Um zu den "Top-Leuten" zu gehören, müsse man die Familie unterordnen. Von Aufregung oder Shitstorms danach ist nichts bekannt.
Immerhin herrscht hier Gleichheit: Denn diese erhabenen und jenseits des ArbZG liegenden Arbeitszeiten gelten für Associates jedweden Geschlechts. Es entsteht der Eindruck, dass eine gewisse Ermüdung eingetreten ist und das Diversity-Dilemma nur noch mit Schulterzucken zur Kenntnis genommen wird.
Internationale Benchmarks ...
Im internationalen Vergleich steht es nicht gut um Deutschland. Der Anteil von Anwältinnen in Deutschland liegt mit 33 Prozent im unteren Bereich, nur noch unterboten von Schweden und China.
In allen anderen Teilen der Welt liegt der Anwältinnenanteil deutlich höher, angeführt von Frankreich mit 54,4 Prozent. Frankreich ist insoweit ein interessantes Beispiel, als dort die Geburtenquote ohnehin viel höher ist als etwa in Deutschland. Offenbar ist die französische Familienpolitik moderner als in anderen europäischen Ländern, jedenfalls moderner und erfolgreicher als bei uns.
... und deutsche Zahlen
Dies wäre alles nicht der Rede wert, wenn es inzwischen nicht deutlich mehr Frauen als Männer unter den Studierenden und Absolventen geben würde. Der Anteil der Jurastudentinnen liegt bei 55 Prozent, in der ersten Juristischen Prüfung sogar bei 60 Prozent.
Die Prognosen gehen sogar von einer Verstärkung des Trends aus. Die Rechtspflege wird weiblich, aber für die Anwaltschaft ist dieser Befund noch nicht so klar. Schaut man sich die Berufsvorlieben der jungen Anwältinnen an, ergibt sich weiterhin, dass die ganz überwiegende Anzahl eher in Einzelkanzleien arbeiten möchte, dass Frauen unter den Fachanwaltszulassungen deutlich unterrepräsentiert sind, außer im Familienrecht, dafür aber deutlich häufiger als Männer in Teilzeit arbeiten.
Eine Studie des Soldan-Instituts zeigt eine deutliche Gewichtung und erhebliche Unterschiede zwischen den Geschlechtern:
• Beruf und Familie: Junge Juristinnen beziehen die Familienplanung in ihre Überlegungen zum Berufseinstieg mit ein. Für junge Juristen spielt dies kaum eine Rolle.
• Zeitliche Intensität der Berufsausübung: Junge Anwältinnen, die zugleich Mütter sind, reduzieren ihre Arbeitszeit. Junge Anwälte, die zugleich Väter sind, erhöhen ihre Arbeitszeit.
Law Firms: 10 Prozent Partnerinnen
Damit steht fest, dass man keine Chance hat, jemals zu den "Top-Leuten" in Wirtschaftskanzleien zu gehören, wenn das richtig ist, was der bereits zitierte Managing Partner gesagt hat: Teilzeit und 70-Stunden-Woche passen einfach nicht zusammen.
Das belegen die seit Jahren bekannten Zahlen, die sich trotz vieler guter Vorsätze nicht ändern: Unter den Berufsanfängern in den Law Firms befinden sich knapp 40 Prozent Frauen – nicht schlecht angesichts der eben genannten Berufsvorlieben von Anwältinnen. Unter den Partnern liegt der Frauenanteil bei gut 10 Prozent.
Das Bild sieht seit Jahren gleich aus und scheint sich nicht zu ändern: Von den Top-50-Kanzleien in Deutschland haben 24, also knapp die Hälfte, im Jahr 2015 in Deutschland zwar Partner, aber keine einzige Partnerin in ihre Reihen aufgenommen. Das ist reine Geldverschwendung.
Markus Hartung, Rechtsanwältinnen: . In: Legal Tribune Online, 30.11.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/21306 (abgerufen am: 07.11.2024 )
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