Der Stadtplanverlags-Erbe beteuert bis zuletzt, keine Gewalt gegen den Wirtschaftsanwalt beauftragt zu haben, der einen Prozess gegen ihn vorbereitete. Die angeblich beauftragten Männer in der Türkei anzuhören, lehnte das Gericht ab.
Im Prozess gegen Alexander Falk hat die Staatsanwaltschaft beantragt, den Unternehmer und Stadtplanverlags-Erben zu sechs Jahren Haft zu verurteilen und den Haftbefehl gegen Falk, der seit 2018 in Untersuchungshaft sitzt, wegen Fluchtgefahr aufrechtzuerhalten. Die Staatsanwältin Nicole Metcalf zeigte sich überzeugt, dass Falk einen Schuss auf einen Großkanzlei-Anwalt im Jahr 2010 in Auftrag gegeben, sich mithin wegen Anstiftung zur gefährlichen Körperverletzung strafbar gemacht habe. Metcalf bezeichnete die Tat als einen "Angriff auf den Rechtsstaat", der "erhebliche kriminelle Energie" zeige.
Falk selbst hat vor dem Landgericht (LG) Frankfurt am Dienstag erneut seine Unschuld beteuert, sein Verteidiger plädierte vor der 22. Strafkammer auf Freispruch für den 50-Jährigen. Die Verteidiger beantragten zudem erneut, zwei Entlastungszeugen in der Türkei im Wege der Rechtshilfe zu vernehmen. Diesen Antrag lehnte das Schwurgericht wieder ab, weil der Zeuge unerreichbar sei. Die Kammer unter dem Vorsitz von Dr. Jörn Immerschmitt will ihr Urteil weiterhin am Donnerstag verkünden.
StAin: Anstiftung zur gefährlichen Körperverletzung
Der Millionenerbe und Internetunternehmer Falk sitzt schon seit September 2018 in Untersuchungshaft. Der Vorfall, um den es geht, liegt mittlerweile zehn Jahre zurück. Anfang 2010 wurde ein Prozessrechtler, Partner bei DLA Piper in Frankfurt, auf dem Weg in die Kanzlei angeschossen und schwer verletzt.
Das Motiv sieht die Anklage in einem Verfahren vor dem Hamburger Landgericht um manipulierte Umsätze beim Verkauf von Falks Firma Ision an ein britisches Telekommunikationsunternehmen im Jahr 2000. Das spätere Opfer bereitete, bis Ende 2009 noch für die Kanzlei Clifford Chance, damals eine zivilrechtliche Millionenklage gegen Falk vor. Auch um Pfändungsmaßnahmen ging es, darunter Bankkonten, zwei Yachten und Grundstücke, die Falk gehörten. Es gab einen Arrestbefehl in Höhe von 30 Millionen Euro. Aus kurzer Entfernung wurde auf den Anwalt geschossen, dieser wurde ins Bein getroffen. Nach dem Schuss verließ der Schütze den Tatort.
Die Staatsanwaltschaft legte Falk dennoch anfänglich zur Last, dieser habe den Auftrag erteilt, den Anwalt zu töten und klagte ihn an wegen Anstiftung zum versuchten Mord in Tateinheit mit Anstiftung zur gefährlichen Körperverletzung. Staatsanwältin Metcalf betonte noch in ihrem Plädoyer am Dienstag, "der Schuss hätte auch lebensgefährlich sein können". Wie schon die erkennende 22. Strafkammer geht nun aber auch die Staatsanwaltschaft nicht mehr von einem Mordvorsatz aus, der Vorwurf lautet noch auf Anstiftung zur gefährlichen Körperverletzung.
Manipulierte Tonbänder, umgekippte Zeugen
Es ist nur eine der erstaunlichen Wendungen, die das Verfahren seit seinem Beginn im August 2019 nahm. An der Glaubhaftigkeit der Aussage des Hauptbelastungszeugen Etem E., der die Ermittlungen wegen des Verbrechens im Jahr 2017 erneut ins Rollen gebracht hatte, und sich im Prozess mehrfach in Widersprüche verstrickte, meldete ein von der Verteidigung beauftragter aussagepsychologischer Gutachter massive Zweifel an. E.'s Onkel, den die Anklage ebenfalls als wichtigen Belastungszeugen führte, hat seine Falk belastende Aussage im Zeugenstand zurückgezogen, weil er von E. zu dieser gedrängt worden sei. E. hingegen behauptet, seinem Onkel seien für diese Änderung seiner Aussage mehrere Millionen Euro angeboten worden.
Das Beweismittel, auf das die Staatsanwältin die Anklage hauptsächlich stützte, hat sich als manipuliert herausgestellt. Es geht um eine Audiodatei, auf der zu hören ist, wie Falk nach dem Anschlag sagt, er habe gejubelt.
Falk bestreitet auch heute nicht, dass er sich über den Anschlag auf den ihm unliebsamen Anwalt gefreut habe; dass er ihn in Auftrag gegeben habe, bestritt er auch am Dienstag hingegen vehement. Er räumte ein, dass er den Auftrag erteilt habe, von dem Anwalt oder anderen Kanzleiangehörigen Daten zu beschaffen, von denen er sich Entlastung in dem laufenden Zivilverfahren versprach. Erneut erklärte der 50-Jährige in seiner Stellungnahme genau, wann und an wen dieser Auftrag ging. Er habe aber niemanden beauftragt, dem Juristen Gewalt anzutun.
Schwurgericht lehnt alten und neuen Entlastungsbeweis ab
Um diesen Auftrag zum Datendiebstahl ebenso zu beweisen wie die Tatsache, dass es keinen Auftrag gegeben habe, den Anwalt Gewalt anzutun, beantragte Verteidiger Gercke am Montag erneut die Vernehmung zweier Brüder, die sich in der Türkei aufhalten.
Laut der Staatsanwaltschaft waren sie oder einer von ihnen es, die Falk mit dem Anschlag auf den Juristen beauftragt haben soll. Vernommen wurden sie bisher nicht. Die Verteidigung hatte ihre Vernehmung bereits zu Beginn des Verfahrens beantragt, die Kammer hatte über den Antrag bisher nicht entschieden. Am Dienstag beschied sie ihn nun abschlägig.
Und das gleich doppelt: Die Verteidiger beantragten nach der Ablehnung ihres Antrags aus dem vergangenen Jahr am Dienstagmorgen erneut, die beiden Männer in der Türkei zu vernehmen und benannten dabei sowohl deren Anwalt als auch ladungsfähige Anschriften in der Türkei. Zudem stellten Gercke und seine Kollegin Dr. Kerstin Stirner einen formellen Antrag, die Männer im Wege der Rechtshilfe zu vernehmen und beantragten hilfsweise deren kommissarische Vernehmung durch einen ersuchten Richter oder per Videovernehmung. Doch das Gericht blieb dabei: Die Zeugen seien unerreichbar.
Verteidiger: Nicht mal mehr klar, was Falk vorgeworfen wird
Auch die Tatsachen, zu deren Beweis Gercke die Brüder nun benannte, gingen weiter als zuvor. Die beiden Männer, die wie auch der Zeuge Etem E. zur Hamburger Unterwelt gehören, sollen jetzt nicht nur aussagen, dass es vor dem Anschlag auf den Anwalt kein Treffen mit Falk gegeben habe. Sie sollen auch aussagen, dass Falk sie zu keinem Zeitpunkt beauftragt habe, einen Gewaltanschlag auf den Großkanzlei-Anwalt zu organisieren oder selbst durchzuführen oder diesen einzuschüchtern oder zu bedrohen.
Hintergrund dieses erweiterten Antrags dürfte ein Hinweisbeschluss des Gerichts vom 4. Juni sein, aus dem sich ergibt, dass die Kammer Falk seit Anfang Juni offenbar von einem anderen Lebenssachverhalt ausgeht, den sie Falk nun zur Last legt.
Statt von einem Auftrag des Internetunternehmers bei einem Treffen mit den Zeugen im einem Hamburger Steakhaus im September 2009 geht die Kammer offenbar jetzt davon aus, dass es sich bei einem Einbruchsversuch in das Haus des Anwalts Mitte Dezember 2009, also zwei Monate vor dem Anschlag auf den Juristen, um einen von Falk initiierten Versuch gehandelt habe, den Anwalt einzuschüchtern. Dessen Auswirkungen habe, so die Kammer jetzt, Falk erst abwarten wollen, bevor er einen Auftrag zu noch drastischeren Maßnahmen in Form einer gefährlichen Körperverletzung erteilte.
Verteidiger Björn Gercke monierte in seinem Plädoyer, dass die Staatsanwaltschaft nicht einmal dargelegt habe, was sie dem Angeklagten überhaupt vorwerfe. Stattdessen habe Staatsanwältin Metcalf den Charakter von Herrn Falk thematisiert und Strafschärfungsgründe angeführt, so der Kölner Verteidiger. Obwohl alle belastenden Beweismittel der Staatsanwaltschaft in sich zusammgebrochen seien, weigere das Gericht sich, die Entlastungszeugen zu laden. Und die Staatsanwältin habe "nicht einmal erklärt, was, wann, wie und wo sie Herrn Falk zur Last legt. Kein Wort mehr von der angeblichen Auftragserteilung im September 2009 - aber auch kein Wort dazu, wann sonst ein Auftrag erteilt worden sein soll", Gewalt gegen den Anwalt anzuwenden. "Man gewinnt zunehmend den Eindruck, dass entlastende Beweismittel bewusst nicht in das Verfahren eingeführt werden sollen. Mit einem fairen Verfahren hat dies nichts mehr
zu tun."
Ihr Urteil will die 22. Strafkammer am Donnerstag verkünden.
Mit Materialien von dpa
Nach Schuss auf Wirtschaftsanwalt: . In: Legal Tribune Online, 07.07.2020 , https://www.lto.de/persistent/a_id/42127 (abgerufen am: 14.10.2024 )
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