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Das Aktiengesetz erhält ein digitales Update: Die vir­tu­elle Haupt­ver­samm­lung soll bleiben

Gastbeitrag von Dr. Matthias Grote

18.02.2022

Mann hört interessiert zu

Das Aktiengesetz erhält ein digitales Update: Auch nach Corona soll es virtuelle Hauptversammlungen geben. Foto: Jacob Lund - stock.adobe.com

Die Aktionärstreffen börsennotierter Unternehmen können auch nach Ende der Pandemie virtuell stattfinden. Hauptversammlungen in großen Mehrzweckhallen mit Verpflegung für die Teilnehmer werden zum Auslaufmodell, prophezeit Matthias Grote.

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Das Bundesjustizministerium (BMJ) will virtuelle Hauptversammlungen von Aktiengesellschaften dauerhaft zulassen. Am 10. Februar wurde der Referentenentwurf für eine entsprechende Gesetzesänderung veröffentlicht. Aktionären wird die Teilnahme an der Versammlung ausschließlich auf elektronischem Weg ermöglicht. Das ist im deutschen Aktienrecht ein Novum.  

Das derzeit gültige Aktiengesetz (AktG) sieht als Regelfall die Präsenzversammlung vor und ermöglichte bis zum Beginn der Corona-Pandemie lediglich eine hybride Variante. Ein Maßnahmengesetz ermöglicht seit 2020 die reine Online-HV. Dieses ist bis zum Ende der Hauptversammlungssaison 2022 befristet. Die Regelungen dienten dazu, Hauptversammlungen auch in Pandemiezeiten ordnungsgemäß durchführen zu können.  

Referentenentwurf knüpft an HV-Praxis der Jahre 2020 und 2021 an

Der Referentenentwurf des BMJ verfolgt das Ziel, die virtuelle Version der Hauptversammlung dauerhaft im Aktienrecht zu verankern. Damit sollen Hauptversammlungen auch in Zukunft rein digital abgehalten werden können. Auf Basis von § 118a AktG, den der Referentenentwurf neu schaffen möchte, müssten am Ort der Versammlung nur der Versammlungsleiter, der Notar, die Vorstandsmitglieder und – falls nicht online zugeschaltet – die Aufsichtsratsmitglieder sowie der Abschlussprüfer physisch anwesend sein. Die Aktionäre könnten allein elektronisch teilnehmen. Dazu muss die gesamte Versammlung in Bild und Ton übertragen werden. Um eine möglichst hohe Rechtssicherheit zu gewährleisten, sollen technische Störungen während der Hauptversammlung weitgehend keine Anfechtungsrechte begründen.

Dieses Vorhaben ist richtig, zeitgemäß und im Grunde längst überfällig. Der Referentenentwurf verweist zutreffend auf die in der Tat guten Erfahrungen der letzten beiden Jahre und die breite Akzeptanz der virtuellen Hauptversammlung auf Grundlage der pandemiebedingten Sondergesetzgebung.  

Für börsennotierte Aktiengesellschaften ist die Online-Hauptversammlung mit erheblichen Kosteneinsparungen verbunden. Zugleich wird allen Aktionären die Teilnahme an der Hauptversammlung deutlich erleichtert; Zeit- und Kostenaufwand für die Anreise entfallen. Weit entfernt ansässige und insbesondere ausländische Investoren dürften sich in deutlich höherem Maße an einer virtuellen Versammlung beteiligen als dies bei reinen Präsenzversammlungen der Fall wäre. Dies dürfte im Ergebnis den Standort Deutschland für bestimmte Aktieninvestitionen attraktiver machen.  

Die gesetzlich vorgeschriebene Grundform soll auch nach der Reform die Präsenzversammlung bleiben. Virtuelle Hauptversammlungen sollen deshalb der breiten Legitimation durch die Aktionäre bedürfen. Die Satzung der Aktiengesellschaft muss die virtuelle Hauptversammlung gestatten oder den Vorstand zu deren Abhaltung ermächtigen. Diese Satzungsregelung oder -ermächtigung soll maximal fünf Jahre in Kraft bleiben und bedarf anschließend einer Bestätigung.

Aktionärsrechte im Vorfeld und während der Hauptversammlung  

Der Referentenentwurf greift berechtigte Kritik am Ablauf virtueller Hauptversammlungen während der Corona-Zeit auf. Während der Pandemie waren die Aktionärsbefugnisse in Online-Versammlungen – vereinfacht beschrieben – auf das Teilnahme- und das Stimmrecht reduziert. Aktionärsschützer postulieren, die Digitalisierung der Hauptversammlung dürfe nicht zur Verkürzung von Aktionärsrechten führen.  

Der Referentenentwurf gestaltet die Aktionärsrechte in der virtuellen Hauptversammlung nun detailliert aus. Dabei zielt er darauf ab, die Ausübung wichtiger Aktionärsrechte in das Vorfeld der Versammlung zu verlagern. Dies dürfte dazu beitragen, einerseits den Versammlungsablauf vor allzu ausufernden Frage- und Redebeiträgen von "Berufsaktionären" zu schützen. Andererseits sollte er auch eine lebendige und effektive Teilhabe der Aktionäre an der Versammlung der Anteilseigner sicherstellen.

So soll insbesondere die Wahrnehmung des Auskunftsrechts jedes einzelnen Aktionärs gewährleistet sein. Dabei soll der Vorstand vorgeben können, dass die Aktionäre Fragen bis spätestens vier Tage vor der Versammlung im Wege elektronischer Kommunikation einreichen müssen. Mit einem solchen Verfahren wurden in den Jahren der Pandemie gute Erfahrungen gemacht. Durch die besseren Vorbereitungsmöglichkeiten des Vorstandes auf die bereits bekannten Fragen sei die Qualität bei der Beantwortung von Aktionärsfragen verbessert werden, konstatiert der Referentenentwurf.  

Möglichkeiten zur aktiven Beteiligung der Aktionäre

Um die Interaktion zwischen Vorstand und Aktionären während der Versammlung zu ermöglichen, soll den Aktionären im Anschluss an die Beantwortung der Fragen ein Nachfragerecht im Wege elektronischer Kommunikation gestattet sein. Der Ansatz erscheint plausibel, wird sich aber in der Praxis erst noch beweisen müssen. Denn die Abgrenzung zwischen einer Nachfrage zu einer Antwort der Verwaltung und einer völlig neuen Frage wird in der juristischen Praxis nicht leicht sein.  

Ein neu einzufügender § 130a AktG soll den Aktionären Stellungnahmerechte vor und Rederechte während der Versammlung gewähren. In erster Linie soll es den Aktionären zustehen, im Vorfeld der Hauptversammlung Stellungnahmen zu den einzelnen Tagesordnungspunkten einzureichen. Darüber hinaus muss die Gesellschaft Aktionären im Wege der Videokommunikation während der Versammlung eine Redemöglichkeit bieten. Durch das Recht der Verwaltung, einen Gesamtzeitraum für solche Redebeiträge festzulegen, sollen die Wortbeiträge einzelner Aktionäre aber auf einen angemessenen Umfang reduziert werden. Dies sollte helfen, die Länge der Hauptversammlung einzugrenzen.

In jedem Fall muss den Aktionären die Möglichkeit gegeben werden, auch bei der virtuellen Versammlung Widerspruch gegen die HV-Beschlüsse einzulegen, um anschließend Anfechtungsklage erheben zu können. Dies ist virtuellen Teilnehmern von hybriden Versammlungen so nicht möglich.

Der Referentenentwurf macht Ernst mit der Online-Hauptversammlung für Aktiengesellschaften. Die Vorschläge erscheinen zeitgemäß und zugleich ausgewogen genug, um auch nach Abschluss des Verbandskonsultations- und des Gesetzgebungsverfahrens Gesetz werden zu können. Die meisten großen Aktiengesellschaften dürften die jährliche Charter von Messehallen und das Auffahren reichhaltiger Buffets für die Aktionärsversammlung überdenken. Die virtuelle Hauptversammlung wird nach der Pandemie zur Regel werden.

Dr. Matthias Grote, EMBA ist Rechtsanwalt und Notar in Essen und Partner bei Kümmerlein. Zu den Schwerpunkten seiner Tätigkeit gehören die Beratung großer und mittelständischer Unternehmen in allen Bereichen des Kapital- und Personengesellschaftsrechts.  

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Das Aktiengesetz erhält ein digitales Update: . In: Legal Tribune Online, 18.02.2022 , https://www.lto.de/persistent/a_id/47584 (abgerufen am: 08.11.2025 )

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