Obstruktive Großaktionäre: Der Feind in meinem Haus

Gastbeirag von Dr. Lars-Gerrit Lüßmann und Matthias Dezes

21.05.2019

Obstruktive Aktionäre machen den Vorständen großer deutscher Konzerne zunehmend das Leben schwer. Was sie rechtlich dürfen und was nicht und welche Gegenmittel helfen, erläutern Lars-Gerrit Lüßmann und Matthias Dezes.

Bislang haben sie den Unternehmensvorständen mit Blockade-Aktionen und Dramen in der Hauptversammlung das Leben schwergemacht. In der aktuellen Hauptversammlungssaison wird es aber ernst: Den Chief Executive Officers von Bayer und UBS wurde die Entlastung verweigert, und auch die Hauptversammlung der Deutschen Bank am 23. Mai könnte zur Hängepartie geraten: Institutional Shareholder Services (ISS), einer der mächtigste Aktionärsberater, empfahl den Aktionären des größten deutschen Bankhauses, dem Vorstand ebenfalls die Entlastung zu verweigern. Das gab es noch nie in der Geschichte der Deutschen Bank.

Aktionäre mit obstruktiver Haltung können jedem Vorstand eines börsennotierten Unternehmens das Leben schwermachen. Dabei handelt es sich um Großaktionäre, deren Anteile signifikant sind, die aber nicht unbedingt gesellschaftsrechtliche Kontrolle oder gar unternehmerische Mitverantwortung anstreben. Die Haltung resultiert oftmals aus unterschiedlichen strategischen Vorstellungen einzelner Aktionäre – und kann gelegentlich auch in persönliche Animositäten münden. 

Vorstand muss im Interesse des Unternehmens handeln

Gerät die Unternehmensführung mit einem oder mehreren Aktionären in Konflikt, gibt es verschiedene Handlungsoptionen. Sie kann sich beispielsweise entscheiden, den Konflikt auszutragen. Die rechtlichen Handlungsmöglichkeiten sind hierbei jedoch beschränkt, denn das Handeln des Vorstands muss sich jederzeit am Unternehmensinteresse messen lassen. Er kann nicht einfach einen von den Aktionären geforderten Tagesordnungspunkt ablehnen oder Mehrheiten gegen die Beschlussvorschläge von Aktivisten auf der Hauptversammlung organisieren.

Maßnahmen auf der Hauptversammlung selbst, etwa die Beschränkung des Rederechts oder die Überprüfung der Stimmberechtigung aufgrund möglicherweise falsch gemeldeter Beteiligungen im Vorfeld - beispielsweise wegen abgestimmten Verhaltens mit anderen Großaktionären -, sind in ihrer Wirkung begrenzt oder gehen ins Leere.

Eine weitere Variante ist es, die Aktionärsanteile durch eine oder mehrere Kapitalerhöhungen zu verwässern. Ein erster Schritt könnte zum Ziel haben, die Sperrminorität eines obstruktiven Großaktionärs unter 25 Prozent zu drücken. Bis zu einer potenziellen Squeeze-Out-Option, die bei einem Anteil von weniger als fünf Prozent greifen würde, ist es allerdings ein weiter und beschwerlicher, oftmals kaum gangbarer Weg. Und dem Vorstand sind ebenfalls Grenzen gesetzt: Das Finanzierungsinteresse der Gesellschaft muss in solchen Situationen jeweils das Interesse der Aktionäre, nicht verwässert zu werden, überwiegen. Vorstände dürfen sich ihre Aktionäre nicht aussuchen.

Koalitionen schmieden – wie Tui es gemacht hat

Stabile Anker- bzw. Großaktionäre zu gewinnen, die die strategischen Ziele der Unternehmensführung teilen und stets komfortable Mehrheiten gewährleisten, wäre eine weitere Alternative im Umgang mit obstruktiven Aktionären. So hat es der Reisekonzern Tui in der seinerzeit öffentlich ausgetragenen Auseinandersetzung um die Abspaltung von Hapag-Lloyd gemacht. Dem damaligen Tui-CEO Michael Frenzel und dem Aufsichtsratsvorsitzenden Jürgen Krumnow gelang es gemeinsam mit Großaktionären wie der Familie Riu die Angriffe des norwegischen Reeders John Fredriksen abzuwehren.

Auch dies setzt aber im Zweifel die Begebung neuer Aktien voraus, die sich am Finanzierungsinteresse der Gesellschaft messen lassen muss. Darüber hinaus lehren die Beispiele der jüngeren Vergangenheit wie ThyssenKrupp und andere, dass ein stabiler Aktionärskreis mit einem maßgeblichen Ankeraktionär - zumal wenn dies gesellschaftsrechtlich strukturell abgesichert ist (KGaA Entsendungsrecht) - die Gesellschaft zwar vor feindlichen Übernahmen schützen kann, nicht aber vor den sogenannten aktivistischen Aktionären.

Rechtliche Position nicht so stark wie oft vermutet

Fest steht, dass obstruktive Großaktionäre ein erhebliches (Verhinderungs-) Potenzial haben. Sie können Beschlüsse, die eine qualifizierte Mehrheit erfordern, wie Kapitalerhöhungen unter Ausschluss des Bezugsrechts oder gesellschaftsrechtliche Strukturmaßnahmen, verhindern oder gerichtlich anfechten. Dadurch üben sie Druck auf Gesellschaft und Management aus und können unternehmerische Entscheidungen massiv erschweren.

Andererseits ist die rechtliche Stellung des Minderheitsaktionärs aber keineswegs so stark, wie gelegentlich vermutet. Unmittelbaren strategischen Einfluss auf das Unternehmen und seine Geschäftsführung gesteht das Recht ihnen nämlich nicht zu: Der Vorstand führt im aktienrechtlichen Organisationsgefüge allein die Geschäfte und ist dabei unabhängig von Weisungen seitens des Aufsichtsrats oder der Aktionäre.

Maßnahmen der Geschäftsführung darf der Aufsichtsrat nicht an sich ziehen, wenn sie nicht unter den Katalog zustimmungspflichtiger Geschäfte fallen. Und die Hauptversammlung darf nur im Rahmen der ihr ausdrücklich zugewiesenen Gegenstände - Gewinnausschüttung, Satzungsänderungen, Kapitalmaßnahmen und Ähnliches - Beschlüsse fassen. Nur in Ausnahmefällen kann die Hauptversammlung im Rahmen ihrer originären Kompetenzen Veränderungen anstoßen, in dem sie beispielsweise den Vorstand anweist, eine Ausgleiderung vorzubereiten und durchzuführen. Dazu bedarf es in der Regel qualifizierter Mehrheiten.

Die Abwehrrechte der Aktionäre sind mithin bei Weitem stärker als ihre Durchsetzungsrechte. Der Druck kommt daher in vielen Fällen nicht in erster Linie über das rechtliche Instrumentarium von Minderheitsaktionären. Die Schlacht wird vielmehr anderswo geschlagen: Auf dem Feld der individuellen – zumeist öffentlichen – Auseinandersetzung und Kommunikation.

Offene Diskussion gehört zu guter Corporate Governance

Im Zusammenhang mit obstruktiven Aktionären werden oft Cerberus oder Elliot genannt. Die Methoden der US-amerikanischen Anlagefirma um den Investmentexperten Paul Singer gelten vielen als robust. Im Zusammenhang mit der Debatte um die künftige Ausrichtung von Thyssen Krupp war gar von "Psychoterror" die Rede.

Andererseits wird diesen Investoren attestiert, verkrustete Strukturen aufgebrochen und oftmals den notwendigen Anstoß zu positiven Veränderungen gegeben zu haben. Im Zusammenhang mit Cerberus wird als Positivbeispiel gerne die Neuausrichtung der österreichischen Bawag-Bank nach dem Erwerb durch den Investor erwähnt.

Für die Unternehmensführung darf es auch in schweren Konflikten mit Stakeholdern nur um eines gehen: Stets im Sinne des Unternehmens zu handeln. Vorstände sollten daher Vorschläge von Minderheitsaktionären nicht von vornherein abwehren - auch wenn sie bisweilen offensiv vorgetragen werden und Konfrontation die emotional nächstliegende Reaktion wäre. Eine legitime strategische Diskussion ist Teil guter Corporate Governance.

Aktivistischer Aktionär kann auch Impulse geben

Für manche Unternehmen kann das Auftreten eines aktivistischen Aktionärs auch durchaus eine positive Wende bedeuten. Ein Investor, der Veränderungen empfiehlt, kann das entscheidende Signal setzen, um den Weg für eine strategische Neuausrichtung frei zu machen, gegebenenfalls auch einen Verkauf anzustoßen und daraus das Startkapital für Neues zu generieren. 

Im Interesse der Flexibilisierung unternehmerischen Handelns – und letztlich auch um die Rechtsform der Aktiengesellschaft und den deutschen Kapitalmarkt für Unternehmen wieder attraktiver zu machen, sollte daneben die politische Debatte um eine Lockerung der Bestimmungen für den Minderheitenschutz weitergeführt werden.

Nachdem die Entwicklung in Gesetzgebung und Rechtsprechung der letzten Jahre das Wesen der sogenannten räuberischen Kleinaktionäre erfolgreich eingedämmt hat, wäre diese Diskussion ein nächster Schritt in Richtung der Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit des deutschen und europäischen Kapitalmarkts.

Dr. Lars-Gerrit Lüßmann ist Partner bei Taylor Wessing in Frankfurt, er ist auf Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht spezialisiert. Matthias Dezes ist Inhaber der Kommunikationsberatung DEZES Public Relations, die auf CEO-Positionierung, Issue Management und Krisen-PR spezialisiert ist.

Zitiervorschlag

Obstruktive Großaktionäre: Der Feind in meinem Haus . In: Legal Tribune Online, 21.05.2019 , https://www.lto.de/persistent/a_id/35499/ (abgerufen am: 19.03.2024 )

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