Recruitment 4.0: Active Sourcing: Hier werden Sie gefunden

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Active Sourcing ist kein Hype mehr. Es ist eines der wichtigen Recruitment-Tools in Zeiten, in denen sich Unternehmen bei Kandidaten bewerben müssen. Die Methode ist zumindest ein kleiner Teil der Lösung.
Der Markt der Anwaltskanzleien ist geteilt: In große, mittlere und kleine Kanzleien. Und so, wie daraus Unterschiede bei Mandaten, Umsätzen, Gehältern und Personalbedarf abzuleiten sind, gilt das auch für die Strategie des modernen Recruitments. Kleinen Kanzleien nämlich, die primär Verbraucher beraten, steht jedenfalls im Moment noch eine Masse an Volljuristen mit durchschnittlichen Examensnoten zur Verfügung, die sich um eine Festanstellung bemühen.
Die großen allerdings, die Gleiss Lutz', Hengeler Muellers, Linklaters und Freshfields Bruckhaus Deringer und Hogan Lovells, kämpfen um die Besten und bemühen sich schon zu deren Studienzeiten um potenzielle künftige Mitarbeiter. Und sie beginnen dabei, selbst zu machen, was sie bisher vornehmlich den Personalberatern überlassen haben: Sie betreiben Active Sourcing.
Active Sourcing – was ist das?
Active Sourcing gilt seit etwa 2010 im Personalwesen als eine der modernsten und erfolgversprechendsten Methoden, um passende Kandidaten für ein Unternehmen zu finden. Der Begriff steht für den Abschied vom klassischen Bewerbungsverfahren durch die Kandidaten. Und für die Hinwendung zu bewusster, aktiver Suche nach Mitarbeitern, vor allem über soziale Netzwerke. Kandidaten werden identifiziert, kontaktiert und – wenn es gut läuft – rekrutiert.
"Noch vor ein paar Jahren wurden Mitarbeiter über die klassischen aufbereiteten Print-Anzeigen im Beck-Stellenmarkt, im Juve-Rechtsmarkt, in der NJW oder Anzeigenschaltungen bei verschiedenen Online Portalen gefunden", sagt Personalberater Dominik Schütte, Senior Consultant bei Taylor Root, die sich auf das Legal Recruitment spezialisiert haben. "Die Kanzleien merken allerdings, dass vereinzelte Rückläufer höchstens noch von Berufsanfängern kommen."
Bewerbungen von Rechtsanwälten mit Berufserfahrung und vor allem von Anwälten, die auf Partnerebene einsteigen sollen, so genannten Laterals, bekämen sie nicht. Stellenanzeigen in Print-Produkten würden daher von den wirtschaftsberatenden Kanzleien vor allem noch als Marketing-Tool genutzt, um den Bekanntheitsgrad zu erhalten oder zu steigern, nicht aber für die eigentliche Personalgewinnung.
Neue Wege über Online-Netzwerke
Überzeugen müsse er von dieser Entwicklung vornehmlich noch kleinere Kanzleien, in denen seniorigere Partner für das Recruitment zuständig seien. "Die wollen noch mal die Farbe einer Anzeige ändern oder sich einen peppigeren Spruch ausdenken, um den Rücklauf potentiell geeigneter Kandidaten zu erhöhen", so Schütte. Da inzwischen aber passende Bewerbungen auf diese Anzeigen ausblieben, würden auch diese Partner mangels Erfolgen zunehmend davon überzeugt, dass sie andere Wege gehen müssten.
In der Praxis sieht für Schütte das Active Sourcing so aus, dass er bei der Identifikation von potentiellen Kandidaten mit Berufserfahrung über die Webseiten der Kanzleien und zudem über das Juve-Handbuch, in dem Experten nach Rechtsgebieten empfohlen sind, sowie über diverse Netzwerke und das Anwaltsregister sucht. "Schwierig ist allerdings, dass man bei dieser Recherche oftmals nichts über Auslandserfahrungen und die Examensnoten weiß", sagt Schütte.
Dennoch: Er ruft die Kandidaten an. Die reagierten in aller Regel positiv, sagt er. Manchmal könnten sie nicht offen reden und man verabrede sich für einen späteren Zeitpunkt für ein Telefonat oder ein persönliches Treffen. "Doch der erste Kontakt ist da und selbst wenn dieser erste Kontakt nicht zu einer zeitnahen Vermittlung führt, so bleibt man im Gespräch miteinander und ruft im gegenseitigen Einverständnis alle paar Monate mal an."
Portale zum Suchen und Gefunden werden
Zudem gibt es inzwischen zuhauf Portale, in denen sich speziell juristische Arbeitgeber und Kandidaten finden können: LTO Jobs, clavisto, Legalhead, Lawyered, careerloft, Xing Talent-Manager, Talentrocket, Jurajobs oder Lawconex.
LTO Jobs, Talentrocket und Jurajobs sind Online-Stellenbörsen: Die Kanzleien schalten ihre Anzeigen, die Kandidaten bewerben sich. Ähnlich ist es bei Legalhead: "Dort stellen wir eine Vakanz ein", sagt Thorsten Ashoff, Head of Human Resources Continental Europe bei Hogan Lovells. "Der Kandidat kann sein Interesse an der Position bekunden, dann gibt es einen so genannten Match und wir können miteinander in Kontakt treten." Eine direkte Suche nach Personal ist nicht möglich. Neu ist dabei vor allem der Aspekt "Cash-for-change". Bei einer erfolgreichen Vermittlung zahlt der Arbeitgeber eine Provision an das Portal, der Vermittelte bekommt von der Summe einen Anteil als Wechselbonus.
Active Sourcing betreibt Hogan Lovells bei clavisto, Lawyeredund careerloft. "Diese Portale bieten einen Pool an Kandidaten, in dem wir nach dem Rechtsgebiet, Berufserfahrung, Tätigkeitszeitraum und Standort suchen kann", sagt Ashoff. Bei Lawyered zahlt der Arbeitgeber für jeden einzelnen Kontakt, den er herstellt – und jeder ist unterschiedlich teuer, abhängig von der Qualifikation. Clavisto und careerloft stellen den Kandidaten zudem Mentoren an die Seite.
Bei Linklaters komme das Active Sourcing "jetzt langsam an", sagt Nicola von Tschirnhaus, Senior Recruitment Manager bei Linklaters Deutschland. Das deckt sich mit den Ergebnissen aus dem Active Sourcing Report vom Frankfurter Institute for Competitive Recruiting (ICR). Nur etwa sieben Prozent der Unternehmen in Deutschland, die Active Sourcing betreiben, stammen danach aus dem Segment "Recht". Die Linklaters-HR-Kollegen in London seien da bereits viel weiter, sagt Tschirnhaus.
2/2: Neuer Player: Lawconex
Linklaters hat im Mai 2016 begonnen, neben LinkedIn den Talent Manager von Xing zu nutzen. Diese Plattform bietet das Unternehmen bereits seit 2012 an, Linkedin hat ein Pendant, den "Linkedin Recruiter". Auch in diesen Systemen können die Personalsuchenden die Ansprache von Kontakten und deren Pflege professionalisieren. Sie geben ihre konkreten Profilanforderungen ein und erhalten dann Kandidaten, die sie individuell anschreiben können.
"Das Einrichten des eigenen Unternehmensprofils und der Suchparameter bei Xing hat einiges an Zeit erfordert", sagt von Tschirnhaus. Sie gehe aber davon aus, dass sich der Aufwand langfristig lohne. Das Personal, um ohne eine vergleichbare digitale Plattform auf Mitarbeitersuche zu gehen, halte ihre Kanzlei in Deutschland zumindest noch nicht vor. "Wir haben eine eigene Talent Community, über die wir den Kontakt zu ehemaligen Praktikanten und Referendaren pflegen und seit diesem Sommer ein Stipendienprogramm für Jura-Studenten, um ein Active Sourcing weiter auf- und auszubauen", sagt die Personalerin.
Neu am Markt ist seit Mitte 2016 auch Lawconex, aufgebaut von dem Personalvermittler Perconex. Für Geschäftsführer Dr. Olaf H. Schmitt war klar: "Bevor diese Angebote nur andere machen, machen wir es lieber selbst". Auch wenn er sich durchaus die Frage gestellt habe, inwieweit er seinen Job als Headhunter selbst kannibalisiere. Auch bei Lawconex stellen die Kandidaten ihre Lebensläufe ein, "dann können sie warten, bis sie gefunden werden". Rund 350 Juristen waren nach rund sechs Wochen in der Datenbank. Bei einer Vermittlung wird für Arbeitgeber zwölf Prozent eines Jahresgehaltes fällig, geht der Mitarbeiter vor Ablauf eines Jahres wieder, bekommt die Kanzlei den Betrag anteilig erstattet.
In Asien auch über Whatsapp
In Asien funktioniert das Personalkarussell sogar noch direkter: "Meine Kollegen aus Asien betreiben Active Sourcing über Whatsapp", sagt Headhunter Schütte. In Deutschland sei das noch undenkbar. Das liege auch an einer insgesamt höheren Reserviertheit gegenüber Headhuntern, als sie etwa in London zu finden sei. "In Deutschland haben die Juristen sehr lange das Gefühl, sie befänden sich auf dem Partnertrack", sagt Schütte. Dieser persönliche, oft fehlerhafte Eindruck behindere die Bereitschaft, sich Optionen bei anderen Einheiten anzuschauen, in denen der nächste Karriereschritt oft zeitnaher realisierbar ist.
Das wird sich ändern, wenn die Kandidaten vermehrt von potenziellen Arbeitgebern kontaktiert werden. "Diese Angebote verändern das Recruitment stark", sagt Ashoff. Vor allem der Aufwand für die Arbeitgeber steige immens. "Post-and-pray, wie es für die Anzeigenschaltung und das Warten auf Bewerbungen heißt, funktioniert einfach nicht mehr", sagt der 47-Jährige. Er sei bei Hogan Lovells zumindest in einer Kanzlei, in der die Partner das verstünden. "Das Active Sourcing ist eine gute und moderne Ergänzung der konventionellen Recruitingaktivitäten. Es gibt uns jedoch keine Garantie, kritische Vakanzen zügig zu besetzen.
Tatsächlich hat das System einige Schwächen: Die Lebensläufe der Kandidaten sind nicht immer aktuell. Vor allem aber haben die Unternehmen und Kanzleien nicht genug Personal und Erfahrung, um diese aktive Art der Mitarbeitergewinnung über Clavisto und Co. zu betreiben. Ein Teil der Lösung dürfte die Nutzung der Sozialen Medien sein – um darüber zumindest das bestehende Alumni-Netzwerk zu betreuen, wie es Linklaters und Hogan Lovells mit eigenen Tools tun. Und nicht zuletzt: die Pflege der Beschäftigten. Denn, so sagt Schütte: "Zufriedene Mitarbeiter verweisen in ihrem Umfeld gerne auf ihr eigenes Unternehmen als Arbeitgeber." Manche Dinge ändern sich eben nie.