Hans-Rolf Goebel ist einer der wenigen, wenn nicht der einzige Mensch, der es als Chef der Public Relations Abteilung in einer Großkanzlei auf 14 Jahre gebracht hat. Der Versuch einer Erklärung.
Es war einmal, da hatten Kanzleien in Deutschland keine Fachabteilungen für Public Relations (PR) oder Business Development (BD). Damals, es war Anfang der 2000er Jahre, hatten die renommierten deutschen Kanzleien gerade fast allesamt mit internationalen Wirtschaftskanzleien fusioniert, sie waren auf dem Weg in die große weite Welt. Internationale Kanzleihandbücher entdeckten zaghaft den deutschen Markt, der hiesige Branchenverlag Juve steckte noch in den Kinderschuhen. Das wenige, was Kanzleien als PR- oder BD-Maßnahmen unternahmen, machten die Anwälte selbst. Nicht nur, weil Juristen eh alles besser können. Sondern vor allem, weil sie es nicht besser wussten.
Die britische Magic-Circle-Kanzlei Clifford Chance allerdings, die im Jahr 2000 durch die Fusion mit Pünder, Volhard, Weber & Axster den deutschen Markteintritt gewagt hatte, wusste es besser. Unter dem damaligen Managing Partner Hans-Josef Schneider, ein Anwalts-Gentleman, wollte die Kanzlei eine eigenständige, von Business Development unabhängige PR-Abteilung aufbauen. Und holte dafür im Jahr 2003 Hans-Rolf Goebel.
Frühere Stationen: Journalismus, Politik, Unternehmenskommunikation
Goebel hatte anfangs nur eine geringe Ahnung davon, was ihn erwarten würde: Er sollte dabei helfen, aus zwei noch mental getrennten Anwaltsvereinigungen - der angelsächsischen Clifford Chance und der urdeutschen Kanzlei Pünder - eine homogene Einheit zu bilden, unter der Aufsicht von damals rund 100 Chefs, den Partnern der Kanzlei.
Durch sein Studium war Goebel für diese Aufgabe jedenfalls nicht unbedingt qualifiziert: Er hatte Anglistik und Hispanistik studiert und arbeitete zunächst als freier Journalist. Später war er als Sprecher für die FDP der "Bonner Republik" tätig, unter den Parteivorsitzenden Otto Graf Lambsdorff, Klaus Kinkel und Wolfgang Gerhardt.
Dann wechselte Hans-Rolf Goebel auf die Unternehmensseite. In den fünf Jahren, die er in zwei unterschiedlichen Firmen verbrachte, lernte er beispielsweise, welche PR-Maßnahmen in einem Chemieunternehmen nach einem Chemikalienunfall zu ergreifen und wie Übernahmen kommunikativ zu begleiten sind. Das prägte. Er bewarb sich auf die PR-Stelle bei Clifford - erfolgreich.
Krisenpläne in der Schublade
Dabei war Goebel zunächst unsicher, ob er als Nicht-Jurist dem Job in einer Kanzlei überhaupt genügen könnte. Doch Managing Partner Schneider sagte damals zu ihm, Juristen hätten sie ja genug. Sie bräuchten jetzt einen Experten für Kommunikation. Seitdem ist Goebel so manchen Anwälten und Mitarbeitern auch schon einmal auf die Nerven gegangen. Etwa mit seinem Wunsch, Leitfäden für die Krisenkommunikation aufzusetzen - und zwar bevor eine Krise kommt.
Wenn er jetzt aus der Kanzlei ausscheidet, hinterlässt er klare "To-do"-Listen für den Ernstfall, sei es eine Durchsuchung, mit denen sich Wettbewerber schon herumschlagen mussten, oder Ausstiege von Partnern – oder Schlimmeres.
Über die Jahre hat Goebel die Anwälte von der Sinnhaftigkeit der PR-Abteilung überzeugt. "Der Anwalt in einer Wirtschaftskanzlei sucht in seinem Gegenüber immer den Profi, so sind Juristen sozialisiert", meint er. Bis er dieser Wahrnehmung entsprochen habe, habe es einige Zeit gedauert. "Einen langen Atem brauchte man dafür schon", sagt der 60-Jährige.
Akzeptanz durch Grey-hair-Faktor
Sein Erfolgsgeheimnis: Er hat sich als Dienstleister angeboten sowohl nach außen gegenüber den Journalisten als auch intern. Nicht selten habe er Vertrauen gewonnen, indem er Erwartungen gemanaged habe. "Bei manchen Themenideen von Anwälten habe ich gerne das Bild bemüht, dass der Köder dem Fisch schmecken muss, und nicht dem Angler", erinnert er sich. Viele Themen seien nun mal für die Anwälte spannend, aber Lesern kaum zu vermitteln.
Zudem seien Juristen sehr risikoaverse Menschen, meint Goebel, auch das habe ihm bei seiner Arbeit geholfen. "Wenn ein Anwalt spontan mit der Presse gesprochen hat, ohne die PR-Abteilung hinzu zu ziehen, haben typische Nachfragen, die das Risiko verdeutlichten, schon geholfen. Danach waren wir immer eingeschaltet", erzählt der PR-Mann. Etwa, ob besprochen wurde, dass Zitate vor der Veröffentlichung noch freigegeben werden müssten.
Mit 46 hatte er bei Clifford angefangen, ein gutes Alter für diese Stelle in einer Kanzlei, meint Goebel. Er sieht durchaus einen Zusammenhang zwischen der Seniorität, dem Grey-hair-Aspekt, und der Akzeptanz, die sich PR-Leute in anderen Kanzleien nur wünschen können – wenn sie auch insgesamt besser geworden ist.
Gehen ohne Not
Über die Jahre hinweg hat er sich mit konstanter Rückendeckung der wechselnden Managing Partner, denen er direkt berichtete, seine Position aufgebaut. "Das Vertrauen des Managements und der Partnerschaft ist absolut notwendig", meint Goebel. "Wenn das verloren geht, bleibt ein Störgefühl, da kann man gehen."
Das tut er jetzt ohne Not und Notwendigkeit. Im Sommer ist der Kommunikationsexperte 60 Jahre alt geworden. Im Herbst kommt sein zweites Enkelkind auf die Welt. Er hinterlässt bei Clifford Chance ein kleines Team, Drehbücher für Krisenkommunikation - und Werte. "Mit Lügen kann man sich als PR-Verantwortlicher einen mühselig aufgebauten Ruf im Handumdrehen zerstören. Das habe ich also unterlassen und in manchen Situationen lieber gar nichts gesagt."
Mit seinem Abschied tritt er nun erstmals aus der zweiten in die erste Reihe, für einen kurzen Moment. Dann überlässt er das Feld seinem Nachfolger: Mit Christoph Tillmanns übernimmt ein anderer Grey-hair die Kommunikation bei Clifford Chance. Für Hans-Rolf Goebel war dies der letzte PR-Auftritt.
Tanja Podolski, Abschied nach 14 Jahren PR bei Clifford Chance: . In: Legal Tribune Online, 31.08.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/24235 (abgerufen am: 12.10.2024 )
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