Mit dem neuen Infektionsschutzgesetz kann das Gesundheitsministerium anordnen, dass patentgeschützte Erfindungen im Interesse der Allgemeinheit benutzt werden. Was das für Patentinhaber bedeutet, erklären Ralf D. Kirsch und Steven M. Zeman.
Die Coronapandemie macht Medizinprodukte wie Schutzmasken, Beatmungsgeräte und Impfstoffe zur heißbegehrten Ware. Doch viele dieser Produkte sind durch Patente geschützt. Der Gesetzgeber hat deshalb vorbeugend eingegriffen und Ende März 2020 das Infektionsschutzgesetz (IfSG) geändert.
Stellt der Bundestag eine "epidemische Lage von nationaler Tragweite" fest, kann das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) unter der Gesetzesänderung nun eine ganze Reihe von Maßnahmen durchführen. Dazu zählt auch die staatliche Benutzungsanordnung von patentgeschützten Erfindungen. Sie ist in §13(1) des Patentgesetzes (PatG) geregelt.
Die Bundesregierung kann danach anordnen, dass eine Erfindung im Interesse der öffentlichen Wohlfahrt oder im Interesse der Sicherheit des Bundes benutzt werden soll. Betroffen hiervon sind Arzneimittel einschließlich Betäubungsmitteln, Wirk-, Ausgangs- und Hilfsstoffe dafür, Medizinprodukte, Labordiagnostik, Hilfsmittel, Gegenstände der persönlichen Schutzausrüstung und Desinfektionsmittel.
Eine solche staatlich angeordnete Benutzung hat zur Folge, dass der Patentinhaber sein Hauptrecht aus dem Patent nicht mehr durchsetzen und daher auch eine ansonsten patentverletzende Benutzung nicht verbieten kann. Das gilt jetzt auch im Fall von Corona. Das BMG erhält dadurch die notwendigen Befugnisse, um effizient auf die Epidemie reagieren zu können.
Auch ein Konkurrent könnte beauftragt werden
Der Umfang der Benutzungsanordnung richtet sich nach dem öffentlichen Bedürfnis. Abhängig davon, welche Medizinprodukte dringend benötigt werden, kann eine patentgeschützte Erfindung ganz oder teilweise benutzt werden. Eine weitergehende Nutzung verletzt das Patent nach wie vor; der Patentinhaber behält sein Verbotsrecht. Außerdem ist die Benutzungsanordnung in der Regel zeitlich beschränkt. Ihre Grundlage entfällt spätestens dann, wenn die Feststellung "einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite" durch den Bundestag aufgehoben ist.
Die Benutzung der patentgeschützten Erfindung kann durch das Gesundheitsministerium selbst oder eine nachgeordnete Behörde erfolgen. Beide können auch einen Dritten beauftragen. Das kann für den Patentinhaber im schlimmsten Fall bedeuten, dass dieser Dritte ein Konkurrent ist, der in der Lage ist, die während der Epidemie benötigten Produkte, z.B. Schutzausrüstung, schneller und/oder in größeren Stückzahlen als der Patentinhaber selber zu liefern.
Allerdings darf der Dritte das Patent nicht für eigene gewerbliche Zwecke benutzen – dies stellt nach wie vor eine Patenverletzung dar. Denn Sinn des § 13 PatG ist es nicht, einen privaten Wettbewerber besser zu stellen als den Patentinhaber, sondern das Interesse der öffentlichen Wohlfahrt zu wahren.
Patentinhaber kann vor das BVerwG ziehen
Ministerium und Behörden müssen den Patentinhaber informieren, bevor sie seine Erfindung benutzen. Wenn die Benutzungsanordnung direkt durch das BMG erlassen wird, kann der Patentinhaber diese vor dem Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) anfechten. Ordnet dagegen eine nachgeordnete Behörde an, muss der Patentinhaber zunächst ein zeitraubendes Widerspruchsverfahren durchführen, bevor der weitere Verwaltungsgerichtsweg möglich ist.
Der Patentinhaber hat im Falle der Benutzungsanordnung einen Anspruch auf eine "angemessene Vergütung" nach §13(3) Satz 1 PatG. Diese Vergütung wird in der Regel geringer sein als der wirkliche Schaden für ihn, für den er etwa in einem Patentverletzungsprozess vor den ordentlichen Gerichten durch Schadensersatz entschädigt werden würde. Für den Patentinhaber kann das erhebliche finanzielle Nachteile bedeuten. Im Streitfall steht ihm dann allerdings der Gerichtsweg offen.
Das geänderte IfSG könnte schwere Zeiten für Patentinhaber bringen, denn die Wahrscheinlichkeit steigt, dass eine Benutzungsanordnung nach §13(1) PatG wirklich erfolgt. Das ist deswegen der Fall, da die Bundesregierung ihre Kompetenz zur Anordnung bei einer "epidemischen Lage von nationaler Tragweite" auf das BMG überträgt. Das BMG kann wiederum nachgeordnete Behörden beauftragen, solche Anordnungen zu treffen. Dadurch wird zwar eine effizientere Krisenreaktion ermöglicht – möglicherweise werden aber Patentinhaber dafür finanzielle Nachteile in Kauf nehmen müssen.
Die Autoren Ralf D. Kirsch und Steven M. Zeman sind Patentanwälte bei der IP-Kanzlei Grünecker in München. Ihre Schwerpunkte liegen in den Bereichen Life Science und Pharma.
Medizinische Erfindungen in Zeiten von Covid-19: . In: Legal Tribune Online, 30.04.2020 , https://www.lto.de/persistent/a_id/41466 (abgerufen am: 05.10.2024 )
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