Es geht um schwere Steuerhinterziehung und Beihilfe dazu. In einem weiteren Prozess zur Aufarbeitung des Cum-Ex-Komplexes müssen sich der Ex-Steuerchef von Freshfields sowie ein ehemaliger Manager der Maple Bank verantworten.
Seit 9.30 Uhr wird an diesem Donnerstag vor der 24. großen Strafkammer – Wirtschaftsstrafkammer – des Landgerichts (LG) Frankfurt am Main unter dem Vorsitz von Richter Werner Gröschel erstmals zur strafrechtlichen Verantwortlichkeit von Personen verhandelt, die bei Cum-Ex-Geschäften als Berater in Erscheinung getreten sind (Az. 5/24 KLs 7480 Js 208433/21). Mit auf der Anklagebank sitzt Ulf Johannemann, ein ehemaliger Anwalt der Wirtschaftskanzlei Freshfields Bruckhaus Deringer, der sich nach LTO-Informationen von Leitner & Kollegen vertreten lässt.
Johannemann beriet die mittlerweile insolvente Maple Bank, die Cum-Ex-Geschäfte in großem Stil betrieben und damit einen Steuerschaden von gut 388 Millionen Euro verursacht hatte. Im November 2022 wurden vier frühere Maple-Banker, darunter der frühere Deutschlandchef, zu teils langen Haftstrafen verurteilt. Das Verfahren um den früheren Freshfields-Steuerrechtler, der die Kanzlei bereits 2019 verlassen hat, wurde zuvor abgetrennt.
Gefälligkeitsgutachten und Falschangaben
Die Cum-Ex-Deals, bei denen dividendenberechtigte Aktien rund um den Ausschüttungsstichtag zwischen mehreren Transaktionspartnern hin- und hergeschoben wurden, um sich anschließend Kapitalertragsteuern mehrfach erstatten zu lassen, fanden überwiegend im Zeitraum von 2006 bis 2011 statt. Der gesamte Schaden, der dem Fiskus dadurch entstanden ist, wird auf mehr als zehn Milliarden Euro taxiert. Im Juli 2021 entschied der Bundesgerichtshof, dass die Geschäfte als Steuerhinterziehung zu werten seien (Urt. v. 28.07.2021, Az. 1 StR 519/20).
Die Staatsanwaltschaft wirft Johannemann, der 2019 kurzzeitig in Untersuchungshaft genommen wurde, vorg, Gefälligkeitsgutachten erstellt und damit den Aufbau der Strukturen für die Cum-Ex-Geschäfte unterstützt zu haben. Zudem soll er gegenüber Finanzbehörden unrichtige oder unvollständige Angaben gemacht haben.
Der Anwalt, der seinen beruflichen Status zum Prozessauftakt mit "ruhend" charakterisierte, sei bei den Dividendenstichtagsgeschäften "federführend bei der Entwicklung und anschließenden Verschleierung" gewesen, heißt es in der Anklageschrift. Anfängliche Bedenken aus dem Kreis der Maple-Banker habe er "mit erkennbar fadenscheinigen Argumenten und unter Hinweis auf ein noch zu erstellendes Gutachten" zu zerstreuen versucht.
Freshfields berief Ethikkomitee ein
Freshfields sah sich im Kontext der Beratung der Maple Bank mit einer Schadensersatzklage wegen Falschberatung konfrontiert. Mit dem Insolvenzverwalter der Bank, Dr. Michael Frege (CMS), konnte man sich auf einen Vergleich verständigen. Die Kanzlei zahlte 50 Millionen Euro, die Klage wurde zurückgenommen. Im Zuge der weiteren Aufarbeitung berief Freshfields ein prominent besetztes Ethikkomitee ein und gab ein Bekenntnis zur ethischen Dimension der Anwaltsarbeit ab.
Die Hauptverhandlung im aktuellen Verfahren um Johannemann soll am kommenden Montag fortgesetzt werden, das LG hat zunächst 19 Sitzungstage bis Ende November dieses Jahres terminiert. Die Verteidiger des Ex-Maple-Bankers, Dr. Astrid Lilie und Dr. Saleh Ihwas, haben eine Einlassung ihres Mandaten angekündigt. Johannemann will sich nach Angaben seiner Verteidiger nicht zur Sache äußern.
mit Material der dpa
Cum-Ex-Prozess in Frankfurt: . In: Legal Tribune Online, 07.09.2023 , https://www.lto.de/persistent/a_id/52653 (abgerufen am: 01.11.2024 )
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