Zivilrichtertag zur Digitalisierung: Vor­sichtig in die ZPO-Zukunft

von Dr. Markus Sehl

04.02.2021

Mehr Online-Verfahren, mehr Videotechnik: Auf dem Zivilrichtertag stellte eine Richter-Arbeitsgruppe Vorschläge zur ZPO-Reform vor. Über die sollen nun auch Anwaltschaft und Wissenschaft diskutieren – und dann schnell Gesetz werden.

E-Akten statt Papierberge, besserer Zugang von Bürgerinnen und Bürger zur Ziviljustiz und der Einsatz von Videotechnik: Beim virtuellen Zivilrichtertag am OLG Nürnberg stellte eine Arbeitsgruppe unter Vorsitz des Präsidenten des Oberlandesgerichts (OLG) Nürnberg, Dr. Thomas Dickert, ihre Vorschläge zur Modernisierung des Zivilprozesses noch einmal offiziell vor. Bereits im Sommer 2020 waren erste Eckpunkte bekannt geworden, später der finale Bericht der Arbeitsgruppe. Neben den Präsidentinnen und Präsidenten der Oberlandesgerichte, des Kammergerichts, des Bayerischen Obersten Landesgerichts und des Bundesgerichtshofes beteiligten sich auch zahlreiche Richterinnen und Richter verschiedener Oberlandesgerichtsbezirke.

Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer waren sich über einen Punkt wenig überraschend einig: Es besteht Reformbedarf im Zivilprozess. Nur wie soll es da weitergehen? "Jetzt geht es darum, das richtige Reformtempo zu finden", sagte Prof. Dr. Roman Poseck, Präsident des OLG Frankfurt am Main. Er deutete an, dass es bei den Themen Wortprotokoll im Zivilverfahren, Einsatz Künstlicher Intelligenz und Strukturierungsvorgaben für die Vorträge von Anwältinnen und Anwälte um Bereiche geht, in denen das Reformtempo jedenfalls keine Höchstgeschwindigkeit erreichen werde.

Bayerns Justizminister: "Digitalisierung kostet erst einmal Geld"

Realistischer für eine zeitnahe Umsetzung scheinen dagegen die Kernpunkte der Arbeitsgruppe wie zum Beispiel die Einführung eines Online-Verfahrens, mit dem Bürgerinnen und Bürger ihre Anliegen per Eingabemaske einfach und auch ohne Anwalt geltend machen können. Damit sollen Verbraucher Ansprüche einfacher und jenseits privater Konkurrenz von Legal Tech & Co. durchsetzen können. Als Streitwertgrenze ist bislang 5.000 Euro vorgesehen.

"Der Zugang für die Bürgerinnen und Bürger zum Gericht ist noch immer weitgehend papiergebunden oder erfordert eine persönliche Vorsprache. Hier besteht dringender Handlungsbedarf: Für die Rechtsuchenden ist ein zeitgemäßer digitaler Zugang zu den Gerichten zu ermöglichen. Außerdem muss der Zivilprozess mit den Mitteln der IT effizienter, schneller und ressourcenschonender gestaltet werden", so Dickert am Dienstag in Nürnberg.

Bayerns Justizminister Georg Eisenreich (CSU) betonte:"Wir brauchen eine Digitaloffensive im Zivilprozess. "Justiz sei für die Menschen da und die Möglichkeiten der Digitalisierung müssten genutzt werden, um den Zivilprozess der Zukunft noch bürgernäher und effizienter zu gestalten. Dass die Justiz dadurch aber wirklich Geld einsparen kann, das glaubt Eisenreich nicht. "Digitalisierung kostet erst einmal Geld", sagte er.

ZPO-Reform dürfte Fall für nächste Legislaturperiode werden

Die Teilnahme Eisenreichs an der Tagung ist ein Zeichen dafür, dass die Vorschläge möglichst bald mehr als nur ein Diskussionspapier sein und stattdessen zu einem rechtspolitischen Projekt werden sollen. Bereits auf der Justizministerkonferenz (Jumiko) im Herbst 2020 hatte sich Bayern für das Thema Digitalisierung der Justiz eingesetzt, der Eisenreich hatte zuvor den Posten des Staatsministers für Digitales in Bayern.

Mit einstimmigem Beschluss von der Jumiko soll das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe einsetzen, um die Vorschläge weiterzuentwickeln. Als Gesetzgeber wäre für eine ZPO-Reform der Bund am Zug. Mit Blick auf die knappe verbleibende Zeit der gegenwärtigen Legislaturperiode dürfte das Vorhaben ein Fall für die nächste Regierungskoalition werden.

Bislang sind die Vorschläge noch ein internes Projekt der Ziviljustiz, der Zivilrichtertag soll aber nun nach dem Willen der Teilnehmenden der Startschuss für eine breitere Diskussion geben – die Anwaltschaft und Wissenschaft werden hierzu sicherlich Eigenes beizutragen haben.

Zitiervorschlag

Zivilrichtertag zur Digitalisierung: Vorsichtig in die ZPO-Zukunft . In: Legal Tribune Online, 04.02.2021 , https://www.lto.de/persistent/a_id/44186/ (abgerufen am: 29.03.2024 )

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