Der VerfGH NRW hat einer Individualverfassungsbeschwerde stattgegeben. Ein Aachener Amtsrichter habe von der Möglichkeit, über einen gegen ihn gerichteten Befangenheitsantrag zu entscheiden, in willkürlicher Weise Gebrauch gemacht.
Der Verfassungsgerichtshof (VerfGH) des Landes Nordrhein-Westfalen hat einem Bürger in einer Individualverfassungsbeschwerde Recht gegeben und das Handeln eines Richters am Amtsgericht (AG) Aachen als willkürlich bezeichnet. Das AG muss sich jetzt erneut mit der Sache befassen, wie aus einer kürzlich veröffentlichten Entscheidung hervorgeht (Beschl. v. 11.02.2020, Az. 32/19.VB-3).
Das beim AG Aachen anhängige Ausgangsverfahren betraf die Räumung und Herausgabe eines Einfamilienhauses. In dem Mietstreit hatte der Beklagte die Kopie der Gerichtsakten eingefordert. Als das Gericht seinem Wunsch nicht nachkam, stellte der Beklagte einen Befangenheitsantrag. Diesen verwarf das AG – durch den abgelehnten Richter selbst – als unzulässig.
Der Befangenheitsantrag sei offensichtlich rechtsmissbräuchlich, da die Bitte um Überlassung von Kopien mit dem sachlichen Gegenstand des Rechtsstreits nichts zu tun habe, entschied der Amtsrichter. Die dagegen eingelegte sofortige Beschwerde wies das Landgericht Aachen zurück.
Bergründung des AG nicht nachvollziehbar
Der VerfGH hob die Entscheidungen des Amts- und des Landgerichts nun aber auf und verwies das Verfahren über den Befangenheitsantrag zurück ans AG. Der abgelehnte Richter dürfe zwar über einen Befangenheitsantrag ausnahmsweise dann selbst entscheiden, wenn dieser missbräuchlich sei – etwa weil er offensichtlich lediglich dazu diene, das Verfahren zu verschleppen, oder mit ihm verfahrensfremde Ziele verfolgt würden. Von der Möglichkeit, selbst über den gegen ihn gerichteten Befangenheitsantrag zu entscheiden, habe der abgelehnte Richter laut VerfGH aber in sachlich nicht mehr gerechtfertigter und damit willkürlicher Weise Gebrauch gemacht.
Die Entscheidung des Amtsrichters habe den Beschwerdeführer in seinem Recht auf den gesetzlichen Richter verletzt, so die Münsteraner Richter. Die Begründung des Amtsgerichts, die von dem Beschwerdeführer erbetenen Kopien aus der Gerichtsakte seien für den Gegenstand des Rechtsstreits nicht von Bedeutung, sei nicht nachvollziehbar und im Ergebnis unhaltbar.
Individualverfassungsbeschwerden sind in NRW erst seit Anfang 2019 möglich. Mit dem Fall aus Aachen gab der VerfGH seitdem erst der zweiten Klage dieser Art statt.
acr/LTO-Redaktion
mit Materialien der dpa
Individualverfassungsbeschwerde erfolgreich: . In: Legal Tribune Online, 25.02.2020 , https://www.lto.de/persistent/a_id/40463 (abgerufen am: 04.12.2024 )
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