Nach einem Urteil des türkischen Verfassungsgerichts hat die Staatsanwaltschaft Ermittlungen gegen die Verfassungsrichter eingeleitet. Der DAV zeigt sich besorgt über die Entwicklungen in der türkischen Justiz.
Das türkische Verfassungsgericht hatte am 25. Oktober 2023 über die Verfassungsbeschwerde des inhaftierten Abgeordneten Can Atalay entschieden und stellte fest, dass seine Rechte als gewählter Abgeordneter unrechtmäßig beschnitten worden seien. Mit seinem Beschluss verwies das Verfassungsgericht den Fall wieder zurück an die zuständige Strafkammer mit der Anordnung, die Inhaftierung auszusetzen und zu verhandeln.
Die Richter der Strafkammer widersetzten sich jedoch gegen diesen Beschluss des türkischen Verfassungsgerichts. Die Strafkammer leitete die Akte weiter an das oberste Berufungsgericht. Dessen Richter wiederum erhoben Einwände gegen das Urteil des türkischen Verfassungsgerichts und warfen den Verfassungsrichtern vor, ihre Befugnisse überschritten und entgegen der Verfassung geurteilt zu haben. Daraufhin leitete der Generalstaatsanwaltschaft Ermittlungen gegen die Verfassungsrichter ein.
DAV: Eine unabhängige Justiz ist unverzichtbar
Der Deutsche Anwalt Verein (DAV) beobachtet die jüngsten Ereignisse in der türkischen Justiz wie diese mit großer Sorge. Der Vizepräsident des DAV, Rechtsanwalt Stefan von Raumer, ordnet ein: "Der türkische Staatsgerichtshof ist das Verfassungsgericht der Türkei und die höchste Instanz in Streitigkeiten um verfassungsmäßige Rechte. Dass ein Strafgericht Ermittlungen gegen Richter eines Verfassungsgerichtes einleiten lässt, weil es deren Entscheidung als verfassungswidrig beurteilt, ist in rechtsstaatlicher Hinsicht nicht hinnehmbar."
Schon länger stelle sich das Verfassungsgericht den Plänen der Regierung für einen Umbau des Staates in den Weg, so Raumer. So habe der Vorsitzende der Regierungspartei MHP bereits mehrfach eine Abschaffung des Verfassungsgerichts gefordert. "Spätestens jetzt müssen die Alarmglocken schrillen", so der Rechtsanwalt. In einem Rechtsstaat dürfe die Souveränität der Gerichte nicht derart untergraben werden. Eine unabhängige Justiz sei unverzichtbar für eine funktionierende Demokratie.
Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan kommt am Freitag, 17.November 2023 nach Berlin. Auf der Agenda stehen Gespräche mit Bundeskanzler Olaf Scholz und Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier. Neben den Gesprächen um den Nahost-Konflikt könnten auch diese jüngsten Ereignisse in der türkischen Justiz Gesprächsstoff bieten.
so/LTO-Redaktion
DAV sieht Gefahr für Gewaltenteilung in der Türkei: . In: Legal Tribune Online, 15.11.2023 , https://www.lto.de/persistent/a_id/53174 (abgerufen am: 02.12.2024 )
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