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Supervision in der Justiz: Erzähl' doch mal

Interview von Tanja Podolski

20.06.2017

Männer und Frauen beim Meeting (Symbolbild)

© Adam Gregor - stock.adobe.com

In Supervisionsgruppen besprechen Richter mit Kollegen ihre Probleme bei der Arbeit. Klingt nach Plauderründchen, das Format bringt den Teilnehmern aber tatsächlich mehr Zufriedenheit im Job, sagt Supervisorin und Richterin Hanna Wege. 

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LTO: Frau Wege, Sie bieten Supervision in Justiz an, was bedeutet das?

Hanna Wege: Richter mit entsprechender Fortbildung bieten Richterkollegen Termine an, in denen in Gruppen Probleme bei der Arbeit besprochen werden. In Schleswig-Holstein arbeiten  wir  mit der Methode der sog.“ Kollegialen mediationsanalogen Fallsupervision“. Wie der Name schon sagt, kommt das Konzept aus der Mediation. Es bedeutet, dass wir wie bei einer Mediation mit Sachverhaltsannahmen und Handlungsideen arbeiten. Kollegial steht dafür, dass Lösungen aus dem Kreis der Kollegen geliefert werden. Und Fallsupervision, weil es um Fälle bzw. Vorfälle aus dem Arbeitsalltag der Richter geht.

Einfach mal anders denken

LTO: Das klingt noch sehr abstrakt, wie kann man sich das praktisch vorstellen?

Wege: Nun, die Richter melden sich zu den Supervisionen freiwillig an und treffen sich dann in Gruppen von maximal zehn Personen. Ein Teilnehmer, der Supervisand, stellt einen Fall aus seinem Arbeitsalltag vor. Das muss nicht ein juristisch zu entscheidender Fall sein, sondern kann auch die Zusammenarbeit mit einem Kollegen oder Anwalt betreffen. Diesen Fall verbindet der Supervisand mit drei Fragen, die ihn rund um das Fallgeschehen beschäftigen. Die Teilnehmer formulieren anschließend Vermutungen, was bei den Beteiligten passiert sein könnte, was rund um das Fallgeschehen los gewesen sein könnte. Bei einer Gruppe von zehn Leuten kommen so schnell 50 Vermutungen bzw. Hypothesen zusammen. Daraus wählt der Supervisand ca. drei Hypothesen aus, die ihm am besten gefallen, die er am plausibelsten findet, die ihm richtig und möglich erscheinen. Die Auswahl  wird von den Teilnehmern nicht kommentiert und diskutiert. Es ist eine autonome Entscheidung des Supervisanden.

Auf der nächsten Ebene entwickeln die Teilnehmer auf Grundlage dieser ausgewählten Hypothesen neue Ideen bzw. Optionen, wie man sich verhalten könnte. Der Supervisand sucht noch einmal ca. drei hiervon aus, die auch wieder nicht kommentiert werden. In der Abschlussbesprechung  geht es dann darum, ob die Fragen des Supervisanden beantwortet sind, welche Annahmen sich für den Supervisanden geändert haben und wie er künftig mit der Situation umgehen möchte. Bei einem Supervisionstreffen werden meistens vier Fälle in dieser Weise bearbeitet.

Warum so kompliziert?

LTO: Und das funktioniert?

Wege: Ja. Ganz konkret ist das Ziel einer Supervision für alle Teilnehmer die Erweiterung der Perspektive. Es geht also darum, sich klarzumachen, dass man einen Sachverhalt aus ganz unterschiedlichen Blickwinkeln betrachten kann. Die Entwicklung der vielfältigen Hypothesen als mögliche Gründe für bestimmte Verhaltensweisen führt dann letztlich zu einem größeren Verständnisgewinn für die Situation. Man versteht eher, warum ein Anwalt in besonderer Weise in der Sitzung agiert und was das bei mir als Richter bewirkt hat. Man reflektiert, was man selbst mit dem Verhalten zu tun hat, warum man sich so über das Verhalten ärgert und damit nicht professionell umgehen kann.

Die zweite Ebene ist dann die Entwicklung der Handlungsalternativen, also zu überlegen: Was kann ich zukünftig tun, wenn ich in einer ähnlichen Situation bin, welche Optionen habe ich, um anders zu agieren? Wie kann ich mich auf eine Sitzung anders vorbereiten oder anders kommunizieren? Wie kann ich gelassener reagieren? So kann man zum Beispiel  verstanden haben: Der Anwalt meint nicht mich, sondern er hat generell ein Problem mit Richterinnen. Dann kann ich mir vornehmen, mich beim nächsten Mal nicht in einen persönlichen Kampf zu begeben, sondern professionell und distanziert zu bleiben.

All das soll letztlich zu einer persönlichen Entlastung führen und last but not least zu einer Qualitätsverbesserung der Arbeit, weil man einfach effizienter, verständnisvoller und klüger miteinander umgeht.

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  • Seite 1:

    Bei der Supervision geht es um die Erweiterung des eigenen Blickwinkels

  • Seite 2:

    Ziel sind persönliche Entlastung und Qualitätsverbesserung

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Zitiervorschlag

Tanja Podolski, Supervision in der Justiz: . In: Legal Tribune Online, 20.06.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/23225 (abgerufen am: 18.05.2025 )

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