Supervision in der Justiz: Erzähl' doch mal

Interview von Tanja Podolski

20.06.2017

2/2: Auch Richter haben Belastungen

LTO: Ein wenig hört sich das Ganze trotzdem nach einem Plauderstündchen mit Tee und Räucherstäbchen an. Wer hatte die Idee dafür?

Wege: Es ist wohl eher die Erkenntnis, dass es für Richter im Job belastende Situationen gibt, mit denen wir lernen müssen, umzugehen.

Der Wunsch nach diesem Angebot kam jedenfalls aus der Richterschaft selbst. Es waren allerdings zunächst die Güterichter, die den Anspruch an sich selbst haben, sich regelmäßig supervidieren zu lassen. Die schleswig-holsteinische Justiz hat das Angebot 2013 auf alle Richter ausgeweitet. Seitdem gibt es verschiedene Angebote für Güterichter und sonstige Richter, darunter dann spezielle Angebote etwas für Familienrichter und seit 2015 auch sogenannte Verwaltungsgruppen. Da treffen sich jeweils Direktoren von Gerichten, Geschäftsleiter, Abteilungsleiter und inzwischen auch die Präsidenten der Gerichte der ordentlichen Gerichtsbarkeit.

Es menschelt ungemein

LTO: Bei diesen ginge es dann aber eher um den Umgang mit den Mitarbeitern?

Wege: Genau. Bei den so genannten Verwaltungsgruppen geht es vor allem um Probleme mit dem Personal, um Entwicklungsgespräche, um Konflikte innerhalb des Gerichts. Bei den Familienrichtern liegt der Schwerpunkt dagegen bei den zu bearbeitenden Fällen. Das hängt mit der Materie zusammen.. Sorgerechtsentscheidungen und  Herausnahme von Kindern aus gefährdenden Familien kann sehr belastend sein So etwas lässt sich in einer Supervision sehr gut besprechen, insbesondere, wenn es schwierig ist, Distanz zu halten oder damit emotional fertig zu werden.

Tatsächlich hatten wir Supervisoren erwartet, dass auch in den übrigen  Richtergruppen vor allem Fälle besprochen werden. Doch da menschelt es eher. Es geht um Schwierigkeiten mit einem Anwalt in der Sitzung, Probleme in einem Kollegialgericht – eventuell mit dem Senats- oder Kammervorsitzenden – oder auch mit der Geschäftsstelle. Insgesamt sind das menschliche Themen, die im Arbeitsalltag störend sein können.

Alles, aber keine Psychogruppe

LTO: Nehmen die Richter das Angebot denn an?

Wege: Richter, die nicht auch Mediatoren sind, sind durchaus schwieriger zu überzeugen. Sie tragen die Dinge oft mit sich selbst aus. In eine kollegiale Gruppe zu gehen und zu sagen, ich habe ein Problem mit meinem Vorsitzenden, einige Entscheidungen belasten mich sehr,  fällt vielen nicht leicht. Wir können aber schnell klar machen, dass es nicht um eine Psychogruppe geht, sondern um die Verbesserung  des persönlichen Arbeitsalltags.

LTO: Schleswig-Holstein gilt als einer der Vorreiter in der Supervision, viele andere Länder fangen erst an, sich mit dem Thema zu befassen. Was können Sie Kollegen, die noch am Anfang stehen, raten?

Wege: Vorreiter ist ein großes Wort, aber man kann wohl sagen, dass wir inzwischen einige Erfahrung haben. Wir haben die Mediation in Schleswig-Holstein im Jahr 2005 eingeführt, 2010 begann die Ausbildungen von Supervisoren durch den Diplompsychologen Heiner Krabbe, 2013 ging es mit der Supervision wirklich los. In den Jahren 2014 bis 2016 haben  an den 72 Supervisionsveranstaltungen insgesamt 437 Kollegen incl. Doppelteilnehmer teilgenommen. . Darauf sind wir Supervisoren schon etwas stolz, aber wir haben immer noch viel Luft nach oben.

Den Richterkollegen in anderen Bundesländern, die gerade dabei sind Supervision einzuführen, kann ich nur sagen: Habt viel Geduld und seid idealistisch. Supervision in der Justiz ist eine Kulturveränderung. Da ist es völlig normal, dass die Kollegen erst mal skeptisch sind. Macht deutlich, dass die richterliche Unabhängigkeit zu 100% gewahrt bleibt und Supervision ausschließlich dazu dient, den Blick zu erweitern und zu entlasten. Unsere regelmäßigen  Auswertungen bei den Teilnehmern zeigen: Wer mitmacht, findet die Supervision absolut sinnvoll und hilfreich für die eigene Arbeit.

Hanna Wege war seit 1978 Richterin, u.a. Familienrichterin und von 1998 bis zu ihrer Pensionierung 2015 Direktorin am Amtsgericht Eutin. Sie hat seit 2005 auch als Mediatorin bzw. Güterichterin gearbeitet und ließ sich zusammen mit 10 weiteren  Richtern in Schleswig-Holstein zur Supervisorin ausbilden und bei der Steinbeis-Hochschule Berlin zertifizieren. Sie ist weiterhin in der Justiz als Supervisorin tätig.

Zitiervorschlag

Tanja Podolski, Supervision in der Justiz: Erzähl' doch mal . In: Legal Tribune Online, 20.06.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/23225/ (abgerufen am: 29.03.2024 )

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