Dienstreisen und richterlicher Vertretungsfall: Das gilt bei Fort­bil­dungen für Richter

Gastbeitrag von Dr. Lorenz Bode

03.04.2025

Was gilt eigentlich, wenn Richter auf Fortbildung sind – sind sie dann auf Dienstreise und bekommen die Kosten erstattet? Wird der richterliche Vertretungsfall ausgelöst? Lorenz Bode weiß, was die Rechtsprechung dazu sagt.

Keine Frage: Fortbildung ist wichtig – gerade für Richterinnen und Richter, die dem Rechtsstaat mit ihren Entscheidungen dienen. Zugleich steht das Thema Richterfortbildung immer wieder im Fokus der Rechtsprechung. Dabei dürften vor allem zwei Fragen für fortbildungsinteressierte Richterinnen und Richter wichtig sein: Erstens, ob die Teilnahme an einer Fortbildung eine Dienstreise ist und zweitens, ob die Teilnahme daran den richterlichen Vertretungsfall auslöst.

Die typische Juraantwort gleich vorweg: Es kommt drauf an. Man muss dazu vor allem die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) näher betrachten, das diese Frage im Kontext der Reisekostenerstattung erörtert hat und dessen Erwägungen Spielraum für Interpretation bieten.

Ist die Teilnahme an einer Fortbildung eine Dienstreise?

Eine wichtige Erkenntnis liefert die Entscheidung des BVerwG aus dem Jahr 2012 (Az. 5 A 1.12). In dem Urteil ging es um eine Bundesbeamtin, die verpflichtet worden war, an einer internen Fortbildung teilzunehmen. Nach Auffassung des BVerwG hat die Bundesbeamtin "mit der ersten Hinfahrt zum Fortbildungsort und der letzten Rückfahrt zum Wohnort jeweils eine Dienstreise im Sinne des Bundesreisekostengesetzes durchgeführt". Dienstreisen sind demnach "Reisen zur Erledigung von Dienstgeschäften außerhalb der Dienststätte", wobei der Begriff des Dienstgeschäfts "an das Amt im konkret-funktionellen Sinne" anknüpft. In diesem Zusammenhang hebt das Gericht maßgeblich hervor, dass der Beamtin auf der internen Fortbildung "nach Gegenstand und Ausbildungsinhalt Kenntnisse und Fähigkeiten vermittelt wurden, die ihr bei der Erledigung der Aufgaben ihres Dienstpostens zugutekommen". Kurzum: Dem BVerwG folgend kommt es auf den Inhalt der Fortbildung und seine Bedeutung für die konkrete Amtstätigkeit an.

Eine weitere wichtige Entscheidung ist ein weiteres Urteil des höchsten deutschen Verwaltungsgerichts vom 15. April 2021 (Az. 2 C 13.20). Es ging um einen Richter, der zum Gerichtshof der Europäischen Union nach Luxemburg gereist war, um dort die mündliche Verhandlung in eigener Sache zu besuchen. Die Leipziger Richterinnen und Richter haben das nicht als Dienstreise eingestuft. Zugegeben: Man spürt in jeder Zeile dieses Urteils die Ablehnung. So wird man die recht pauschal und vor allem fortbildungsunfreundlich klingenden Erwägungen des BVerwG etwas relativieren müssen, wonach Fort- und Weiterbildung "keine Dienstgeschäfte in Sinne des Reisekostenrechts" seien und "etwa Fahrten zur Deutschen Richterakademie, an der Fachwissen sowie berufliche Kenntnisse und Erfahrungen ergänzt und vertieft werden, für Richter keine Dienstreisen". 

Regel-Ausnahme-Verhältnis zuungunsten von Fortbildungen

Zudem hat der Gesetzgeber, etwa in § 37 Jugendgerichtsgesetz (JGG), ausdrücklich Fortbildungspflichten auch für die Richterschaft festgeschrieben. Losgelöst vom Einzelfall bestätigt diese jüngere Entscheidung aber die Annahme, dass nach der Rechtsprechung des BVerwG in puncto Dienstreise ein Regel-Ausnahme-Verhältnis zuungunsten der Fortbildung besteht. Das bedeutet: Im Regelfall ist die bloße Teilnahme an einer Fortbildung keine Dienst-, sondern eine sogenannte Fortbildungsreise.

Ganz allgemein unterscheidet sich die Fortbildungsreise von der Dienstreise mit Blick auf die Kostenerstattung. Dies zeigt anschaulich ein Urteil des Verwaltungsgerichts Göttingen aus dem Jahr 2009 (Az. 3 A 495/07). Dort heißt es noch bezogen auf das Bundesreisekostengesetz (BRKG): "Die Teilnahme an einer Veranstaltung der Deutschen Richterakademie stellte für einen niedersächsischen Berufsrichter (…) regelmäßig eine Fortbildungsreise im Sinne von § 11 Absatz 4 BRKG dar mit der Folge, dass er – anders als bei einer Dienstreise im Sinne von § 2 BRKG – keinen gebundenen Rechtsanspruch auf Auslagenerstattung, sondern lediglich einen Anspruch auf ermessensgerechte Entscheidung über die Gewährung einer Kostenerstattung hatte."

Dienstreisen bei Fortbildungen bleiben also eher die Ausnahme, kommen aber mit Blick auf den Inhalt und im Falle der besonderen Bedeutung der Fortbildung für die richterliche Tätigkeit in Betracht. So gesehen dürften etwa praxisbezogene Fachtagungen den Ausnahmefall bilden – vor allem, wenn sie zusätzlich eine gesetzliche Fortbildungspflicht (siehe nur § 37 JGG) betreffen.

Schließlich ist noch eine etwas ältere Entscheidung des BVerwG relevant. Sie stammt aus dem Jahr 1979 (Az. 6 C 23.78) und ist deshalb interessant, weil das Gericht hier ausdrücklich zwischen bloßer Teilnahme einerseits und Referententätigkeit andererseits bei einer Fortbildung unterscheidet. So lautet die relevante Passage des Urteils kurz und knackig: "Daß hiernach die Teilnahme von Bediensteten, die als Vortragende oder als Aufsichtskraft an einer Fortbildungsveranstaltung mitwirken, zu deren Dienstgeschäften gehört, kann nicht zweifelhaft sein." Damit ist klar: Wer als Referentin oder Referent ("Vortragende") oder als Tagungsleiterin oder Tagungsleiter ("Aufsichtskraft") an einer Fortbildung mitwirkt, kann – in Erfüllung eines Dienstgeschäftes – auf Dienstreise sein.

Löst die Teilnahme an einer Fortbildung den richterlichen Vertretungsfall aus?

Bleibt nun noch die Frage, ob die Teilnahme an einer Fortbildung den richterlichen Vertretungsfall auslöst. Diese Frage ist wichtig, denn es gilt das Gebot des gesetzlichen Richters aus Artikel 101 Absatz 1 Satz 2 Grundgesetz. Die Antwort lautet: Ja. Das gilt unabhängig davon, ob sich die Fortbildungsteilnehmerin oder der Fortbildungsteilnehmer zugleich auf Dienstreise befindet oder nicht. Jedenfalls dann, wenn man dem Bundesgerichtshof (BGH) folgt. Der hat in einer Entscheidung aus dem Jahr 2021 (Az. 3 StR 485/20) Folgendes klargestellt:

"Das Gebot des gesetzlichen Richters (…) zwingt nicht zur Annahme eines absoluten Vorrangs des regulär zuständigen Richters. Denn auch ein durch den gerichtlichen Geschäftsverteilungsplan und ggf. die spruchkörperinternen Mitwirkungsregeln und damit vorab nach abstrakt-generellen Regelungen bestimmter Vertreter ist gesetzlicher Richter – und zwar der im Vertretungsfall zur Mitwirkung berufene gesetzliche Richter."

Doch damit nicht genug. Der BGH betont in seiner Entscheidung ausdrücklich, dass es im Rahmen der revisionsgerichtlichen Kontrolle nicht auf das Vorliegen der "tatsächlichen Voraussetzungen einer Verhinderung" ankomme, sondern allein darauf, ob der Begriff der Verhinderung "verkannt worden ist".

Mehr gute Angebote statt Zwang

In diesem Zusammenhang sei unter anderem zu berücksichtigen, dass der Vorsitzende bei der Festlegung der Termine viele relevante Faktoren abwägen muss. Diese Informationen könnten dem "sachverhaltsferneren Revisionsgericht" nur unvollständig durch dienstliche Mitteilungen und andere Beweismittel vermittelt werden. Dazu zählen – so der BGH wörtlich – "die Verfügbarkeit von Verteidigern sowie Abwesenheitszeiten von Kammermitgliedern wegen Urlaubs, Fortbildungen, Krankheit".

Man sieht: Die Abwesenheit wegen Fortbildung ist geeignet, den richterlichen Vertretungsfall auszulösen. Insofern stellt der BGH mit der vorstehenden Aufzählung die Abwesenheit wegen Fortbildung der Abwesenheit wegen Krankheit oder Urlaub gleich. Weitere Einschränkungen, gar einen Dienstreisevorbehalt bei Fortbildungsteilnahme, macht er dabei nicht.

Eigentlich kann uns allen nur daran gelegen sein, dass sich Richterinnen und Richter regelmäßig fortbilden. Neben diesem frommen Wunsch, der gern auch mal als Vorwurf an die Richterschaft adressiert wird, braucht es – statt mehr gesetzlichen Zwang – aber vor allem gute Fortbildungsangebote und -bedingungen. Dazu gehören auch die hier behandelten Teilnahmebedingungen.

Dr. Lorenz Bode ist Staatsanwalt und lebt in Magdeburg. Er gibt hier ausschließlich seine Privatmeinung wieder.

Zitiervorschlag

Dienstreisen und richterlicher Vertretungsfall: . In: Legal Tribune Online, 03.04.2025 , https://www.lto.de/persistent/a_id/56930 (abgerufen am: 25.04.2025 )

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