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Niedersachsen kündigt Bundesratsinitiative an: Länder for­dern län­gere Unter­b­re­chung von Straf­pro­zessen

09.08.2022

Barbara Havliza (CDU), Justizministerin von Niedersachsen, sitzt im niedersächsischen Landtag

Niedersachsen will den Sachgrund der "höheren Gewalt" unbefristet in die StPO aufnehmen, um Unterbrechungsfristen zu hemmen. Foto: picture alliance / Geisler-Fotopress | Christoph Hardt/Geisler-Fotopres

Wegen der Corona-Pandemie konnten Strafprozesse vorübergehend länger unterbrochen werden, als es die StPO eigentlich vorsieht. Niedersachsen will hieran nun dauerhaft festhalten und die Regelung etwa noch auf Naturkatastrophen ausweiten.  

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Um Hauptverhandlungen in Strafverfahren bei Naturkatastrophen oder Seuchenlagen leichter unterbrechen zu können, setzt sich Niedersachsen für eine flexiblere Strafprozessordnung (StPO) ein. Das Land kündigte am Montag eine Bundesratsinitiative an, um in solchen Fällen "höherer Gewalt" bislang geltende Unterbrechungsfristen zu verändern, teilte das Justizministerium in Hannover mit. "Die Strafprozessordnung ist auf diese Unsicherheiten nicht eingestellt. Wir brauchen deshalb eine neue, dauerhaft geltende Regelung im Prozessrecht", sagte Niedersachsens Justizministerin Barbara Havliza (CDU).

Die StPO erlaube nur eine vergleichsweise kurze Unterbrechung einer Hauptverhandlung von drei Wochen bis zu einem Monat oder bei klar benannten Fällen wie Erkrankung oder Mutterschutz, nicht aber aufgrund von Quarantäne-Anordnungen oder höherer Gewalt, heißt es. Geregelt ist die Aussetzung und Unterbrechung der Hauptverhandlung in § 229 StPO. Verstreicht die Frist, muss der Prozess von vorne beginnen. Bei großen Strafverfahren werden darum beispielsweise Ersatzschöffen und auch ein zusätzlicher Richter eingesetzt, um etwa im Krankheitsfall nicht von vorne beginnen zu müssen. Niedersachsen will den Sachgrund der "höheren Gewalt" nun unbefristet in die StPO aufnehmen, um Unterbrechungsfristen zu hemmen.

Wegen der Corona-Pandemie hatte der Gesetzgeber im März 2020 eine Vorschrift erlassen, dass Gerichtsprozesse wegen Infektionsschutzmaßnahmen länger als üblich unterbrochen werden dürfen. Diese Regelung lief zum 30. Juni 2022 ab. Nach jetzigem Stand soll die Vorschrift erst mit dem Corona-Maßnahmepaket im Herbst 2022 wieder in Kraft gesetzt werden. Mehrere Bundesländer - darunter Niedersachsen - halten das für zu spät.

Neuregelung im Herbst kommt zu spät

Wenn die bestehenden Unterbrechungsfristen nur um einen Tag versäumt werden, muss die komplette Verhandlung neu begonnen werden. Das sei nicht nur für die Gerichte frustrierend und die Opfer belastend, sondern koste auch viel Geld, sagte Havliza. Angesichts der wieder steigenden Infektionszahlen fordern die Justizminister von Baden-Württemberg, Bayern, Brandenburg, Hessen, Niedersachsen, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein in einem gemeinsamen Brief an Bundesjustizminister Marco Buschmann bereits sofort eine Nachfolgeregelung.

Die Justizsenatorinnen von Bremen und Hamburg, Claudia Schilling (SPD) und Anna Gallina (Bündnis 90/Grüne), wiesen auf die Eilbedürftigkeit hin. Bis zu einer Neuregelung im Herbst gehe wertvolle Zeit verloren, betonte Schilling: "Allein am Landgericht Bremen drohen inzwischen drei Verfahren - zwei davon aus dem Themenbereich Encrochat - zu platzen, weil die Höchstdauer der in der Strafprozessordnung vorgesehenen Unterbrechung aufgrund coronabedingter Quarantäne einzelner Verfahrensbeteiligter nicht mehr eingehalten werden kann", sagte die Politikerin. Über den verschlüsselten Messengerdienst Encrochat wurden Drogengeschäfte in großem Stil abgewickelt.

Gallina erklärte, dass die Regelung zu den Unterbrechungsfristen für eine funktionierende Justiz sofort wieder in Kraft gesetzt werden müsse. Sie habe sich in der Praxis bewährt.

dpa/mgö/LTO-Redaktion

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Niedersachsen kündigt Bundesratsinitiative an: . In: Legal Tribune Online, 09.08.2022 , https://www.lto.de/persistent/a_id/49271 (abgerufen am: 07.11.2025 )

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