Neue Richtervereinigung kritisiert Kieler StA: "Öff­ent­lich­keit hat einen Anspruch auf Erläu­te­rung"

14.09.2020

Jahrelange Ermittlungsverfahren, wie etwa das gegen die Landesdatenschutzbeauftragte, und ihre Rolle bei der Entlassung des Innenministers haben die Kieler StA in die Kritik gebracht. Die Neue Richtervereinigung fordert Aufklärung.

Die Auseinandersetzungen um langwierige Ermittlungsverfahren der Kieler Staatsanwaltschaft (StA) gehen in eine neue Runde. Der komplexe Sachverhalt habe zwar umfangreiche Ermittlungen erfordert, hieß es in einer Mitteilung der Neuen Richtervereinigung. "Kommt es jedoch ohne evidente Gründe zu umfangreichen und langwierigen Ermittlungsverfahren und wird sodann das Verfahren mangels hinreichenden Tatverdachts eingestellt, hat die Öffentlichkeit einen Anspruch auf Erläuterung."

Die Richtervereinigung könne deshalb sehr gut nachvollziehen, wenn für mehrere Ermittlungsverfahren gegen Politiker Erklärungen verlangt werden. Als Beispiele nannte der Verband das Verfahren gegen die Landesdatenschutzbeauftragte Marit Hansen, die Polizeibeauftragte Samiah El Samadoni, Ex-Bildungsministerin Waltraud Wende und die frühere Kieler Oberbürgermeisterin Susanne Gaschke.

Im Zusammenhang mit der aktuellen Debatte um die Entlassung des Innenministers Hans-Joachim Grote durch Ministerpräsident Daniel Günther (beide CDU) Ende April hatte SPD-Fraktionschef Ralf Stegner einen Wechsel an der Spitze der Kieler StAgefordert. Sein sinngemäßer Vorwurf: Entweder habe sich die Anklagebehörde im Fall Grote in Politik eingemischt oder sie habe auf Anordnung gehandelt.

Erklärungsbedarf im Fall Thomas Nommensen

Hintergrund ist ein Verfahren gegen den früheren stellvertretenden Landesvorsitzenden der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG), Thomas Nommensen, das auch Informationen über Kontakte von Grote zu einem Journalisten an den Tag förderte. Dieser leitete Chats mit Grote an den Polizisten weiter. Von diesem soll der Reporter Polizeiinterna erfahren haben. Mittlerweile ist Nommensen wegen Verdachts des Geheimnisverrats angeklagt. Günther entließ Grote Ende April, weil er sich von ihm falsch über dessen Kontakte zu dem Journalisten und dem Gewerkschafter informiert fühlte.

Die Gewerkschaft der Polizei (GdP), die CDU und der eher konservative Richterverband hatten Stegners Forderung vehement kritisiert. Die Neue Richtervereinigung verlangte am nun auch Erläuterungen dafür, warum die Staatsanwaltschaft in einem Bericht über den damaligen Innenminister "offenbar umfassende Ausführungen über diesen erfolgten, obwohl er nicht etwa Beschuldigter, sondern strafprozessual Zeuge war".

Erklärungsbedürftig sei auch, warum gegen Nommensen nicht - "wie aufgrund der erhobenen Vorwürfe zu erwarten" - beim Amtsgericht angeklagt wurde, sondern ungewöhnlicherweise beim Landgericht. Die Öffentlichkeit habe Anspruch darauf, dass diese Fragen sachlich und ruhig erörtert werden. Dies sei keine Missachtung der Arbeit der in der Strafjustiz tätigen Richter und Staatsanwälte. Es entspreche vielmehr dem Bild einer modernen Strafjustiz. Diese müsse ihr Tun in der Öffentlichkeit verständlich machen, etwaige Fehler erkennen und in Zukunft vermeiden.

dpa/mgö/LTO-Redaktion

Zitiervorschlag

Neue Richtervereinigung kritisiert Kieler StA: "Öffentlichkeit hat einen Anspruch auf Erläuterung" . In: Legal Tribune Online, 14.09.2020 , https://www.lto.de/persistent/a_id/42785/ (abgerufen am: 19.04.2024 )

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