Nach Ende der Corona-Pandemie: Kla­ge­welle gegen Air­lines über­lastet Gerichte

20.03.2023

Etliche Portale versprechen Fluggästen eine schnelle und einfache Abwicklung ihrer Entschädigungsansprüche gegen Airlines. Was Verbraucher freut, wird für die Justiz zur Belastung.

Bei Gerichten an den Standorten größerer Flughäfen landen wieder massenhaft Klagen gegen Airlines. Nach einer Flaute im Zuge der Corona-Pandemie sind die Zahlen nach Angaben des Deutschen Richterbundes (DRB) im vergangenen Jahr um rund 40 Prozent auf mehr als 70.000 Fälle gestiegen – bei steigender Tendenz.

Die Kund:innen verlangen meist Entschädigungen für ausgefallene oder verspätete Flüge. Mit knapp 18.000 Fällen gab es beim Amtsgericht (AG) Köln das höchste Klageaufkommen, wie eine Umfrage der Deutsche Richterzeitung ergab, auf die sich der Verband bezieht. Es folgen Frankfurt/Main mit mehr als 11.300, Düsseldorf mit knapp 9.000 solcher Klagen und das AG Königs Wusterhausen, das für den Hauptstadtflughafen BER zuständig ist, mit mehr als 7.000 Fällen.

Internetportale sind Grund für die Klagewelle

Dieser Trend setzt sich nach Angaben von Stephan Lehmann, Direktor am AG Königs Wusterhausen, im laufenden Jahr fort: Von den neuen Zivilklagen gehe es in etwa 90 Prozent der Fälle um Forderungen von Fluggästen. Ein Großteil dieser Fälle werde "professionalisiert eingeklagt", schilderte Lehmann.

Auch der Richterbund sieht Portale, mit denen Passagier:innen ihre Ansprüche schnell und einfach durchsetzen können, als wesentlichen Grund für die massenhaften Klagen. Bundesgeschäftsführer Sven Rebehn verlangte Abhilfe von der Politik. Viele Zivilgerichte würden durch Massenverfahren, etwa auch denen zum Dieselskandal oder durch eine Flut gleichförmiger Verbraucherklagen, teilweise blockiert.

Angesichts von "Fließbandklagen", mit denen Anwaltskanzleien und Inkassodienstleister viele Gerichte überhäuften, seien flexiblere Vorschriften im Zivilprozessrecht nötig, betonte Rebehn: "Vorschläge der Richterschaft für sinnvolle Rechtsänderungen liegen seit mehr als einem Jahr auf dem Tisch."

Kann Künstliche Intelligenz Gerichte unterstützen?

Auch die Justiz sucht nach Lösungen: So läuft am AG Frankfurt seit 2021 ein Software-Pilotprojekt, das die Richter:innen bei gleich gelagerten Fällen mit Textbausteinen und Vorschlägen unterstützen soll.

Nach der erfolgreichen Entwicklung des Prototyps "Frauke" läuft derzeit die Beschaffung einer entsprechenden KI-Anwendung, berichtete das hessische Justizministerium. "Frauke" belasse die finale  Entscheidung bei den Richter:innen. Es sei aber noch nicht klar, wann das System für den Praxiseinsatz bereitsteht.

Nach dem Corona-Jahr 2021 hat der Flugverkehr in Deutschland im vergangenen Jahr wieder deutlich angezogen. Es kam im Sommer zu einer Vielzahl von Flugausfällen und Verspätungen, weil Flughäfen, Airlines und andere Dienstleister für den Wiederanlauf nach der Pandemie zu wenig qualifiziertes Personal eingestellt hatten.

Auch die Schlichtungsstelle für den öffentlichen Personenverkehr (SÖP), an die sich Kund:innen ohne Anwält:in wenden können, spürte den holprigen Neustart des Luftverkehrs. 2022 gingen mit 25.660 Schlichtungsanträgen zum Luftverkehr mehr als doppelt so viele ein wie ein Jahr zuvor, berichtet die SÖP in ihrem Jahresbericht.

dpa/bit/LTO-Redaktion

Zitiervorschlag

Nach Ende der Corona-Pandemie: . In: Legal Tribune Online, 20.03.2023 , https://www.lto.de/persistent/a_id/51352 (abgerufen am: 08.10.2024 )

Infos zum Zitiervorschlag
Jetzt Pushnachrichten aktivieren

Pushverwaltung

Sie haben die Pushnachrichten abonniert.
Durch zusätzliche Filter können Sie Ihr Pushabo einschränken.

Filter öffnen
Rubriken
oder
Rechtsgebiete
Abbestellen