Justizministerin Barley in Karlsruhe: "Renais­sance des Richter-Berufs­bildes"

von Dr. Christian Rath

11.07.2018

Katarina Barley will den Richterberuf wieder attraktiv machen, wie sie bei einer Veranstaltung ankündigte. Für die im Koalitionsvertrag versprochenen Richterstellen seien aber auch die Länder selbst mitverantwortlich. Von Christian Rath.

Die Justizpressekonferenz (JPK), der Verein der Karlsruher Rechtskorrespondenten, hatte die neue Justizministerin Katarina Barley (SPD) gebeten, die Grundlinien ihrer Politik vorzustellen. Sie präsentierte sich dabei in drei Rollen: als Hüterin des Rechtsstaats, als Kümmerin und als Gesellschaftspolitikerin.

Barley betonte, dass der im Koalitionsvertrag verankerte "Pakt für den Rechtsstaat" aus mehr bestehe als aus zusätzlichen Richterstellen. Es müsse auch eine "Kampagne für den Rechtsstaat" geben. Die "natürliche Autorität der Justiz" gehe in der Öffentlichkeit immer mehr verloren. In Medien und Politk werde immer häufiger gegen eine vermeintliche "Kuscheljustiz" polemisiert. Dabei sei die hervorragende deutsche Justiz ein "Leitbild für viele andere Länder" in Europa und anderswo. Dies müsse besser vermittelt werden. Zugleich müsse auch die Arbeit der Justiz besser erklärt werden. Barley sprach sich für eine "Professionalisierung der Öffentlichkeitsarbeit" aus, wie sie an großen Gerichten schon üblich sei.

Wichtig sei aber auch eine "Renaissance des Berufsbilds", um die Attraktivität und Autorität des Richteramts zu stärken, so Barley. Es müsse wieder mehr Kammer- statt Einzelrichter-Entscheidungen geben. Es soll wieder mehr mündlich verhandelt werden statt im schriftlichen Verfahren möglichst viel abzuarbeiten. Die Richter sollten wieder die "Zeit bekommen, die Verfahren so zu gestalten, wie sie es für richtig halten". Dann werde der Richterberuf auch wieder etwas "ganz Besonderes" - was auch wichtig sei in der Konkurrenz um qualifizierten Nachwuchs.

Pakt für den Rechtsstaat: Länder sollen nicht auf Geld aus Bundesjustizetat schielen

Barley vermutet, dass es "nicht einfach" werde, sich mit den Ländern über die im Koalitionsvertrag versprochenen 2.000 zusätzlichen Richterstellen zu verständigen. Die Landesjustizministerien sollten dabei nicht auf Geld aus dem Bundesjustizetat schielen. "Mein Etat ist mit rund einer Milliarde Euro der kleinste", sagte Barley. Als Familienministerin sei sie hingegen für 10 Milliarden Euro verantwortlich gewesen und als geschäftsführende Arbeitsministerin sogar für 200 Milliarden Euro.

Die Justizminister in Bund und Ländern sollten sich deshalb besser zusammentun und geschlossen gegenüber den Finanzministern auftreten. Sie erinnerte auch daran, dass immerhin 14 von 16 Regierungschefs der Länder an der Aushandelung des Koalitionsvertrags beteiligt waren. Diese seien also für die Umsetzung des Pakts für den Rechtsstaat mitverantwortlich.

Zum Pakt gehöre auch eine Qualitätsoffensive, insbesondere bei der Digitalisierung. "Ohne Digitalisierung gibt es auf Dauer keine vernünftigen Arbeitsbedingungen", betonte Barley. Sie zeigte sich allerdings erstaunt, dass die Länder immer noch die gleichen Diskussionen über unterschiedliche Verfahren führten wie vor Jahren in ihrer Zeit als Richterin - "und zwar immer noch die gleichen Länder". Hier müsse der Bund "vorangehen" und "eine führende Funktion einnehmen".

"Die Kümmerin" strebt mehr Fortbildungen für Richter an

Auch eine bessere Fortbildung ist Barley ein Anliegen. Richter bräuchten "mehr Unterstützung", vor allem beim Wechsel in ein neues Dezernat und bei der Übernahme neuer Aufgaben. Sie begründete dies mit eigenen Erfahrungen: "Als ich Richterin war, hatte ich mal ein Zehntel Pensum frei und bekam deshalb das Adoptionsrecht dazu - mit dem ich bis dahin nichts zu tun hatte." Später wurde sie auch Ermittlungsrichterin, "weil es eben gerade in die Pensenberechnung passte". Wer neue Aufgaben übernehme, müsse dann auch einen Anspruch haben, sich fortbilden zu können, nannte die Ministerin als Ziel.

Mit gewissem Stolz übernahm Barley den Begriff "die Kümmerin", den ihr die Zeitung Die Welt gegeben hatte. Es sei ihr wichtig, den "ganz normalen Menschen" einen niedrigschwelligen Zugang zum Recht zu geben. Die Leute hätten oft das Gefühl, dass sie zwar Recht haben, es aber nicht bekommen. Möglicherweise sei auch der Rückgang der Eingänge in der Ziviljustiz darauf zurückzuführen, dass die Verfahren zu aufwändig sind und zu lange dauern. Hier gegenzusteuern könne auch das Vertrauen in den Rechtsstaat stärken, so die Ministerin.

Musterfeststellungsklage als erster Schritt, Minderheiten im Rechtsstaat

Als ersten Schritt bezeichnete sie die Musterfeststellungsklage, die der Bundestag jüngst beschlossen hat. Hier könnten zum Beispiel Bürger, die sich durch eine illegale Masche abgezockt fühlen, mit Hilfe von anerkannten Verbänden ohne eigenes Risiko die grundlegenden Fragen klären lassen. Auf die Kritik, dass die Bürger anschließend immer noch selbst klagen müssten, antwortete Barley wieder mit einer Erfahrung aus ihrem Berufsleben:

Als junge Medizinrechtlerin arbeitete sie für eine Anwaltskanzlei an einem Massenverfahren um Strahlenschäden bei einem Klinikum. "Wenn man alle Klagen in ein Verfahren packt und dann in jedem Einzelfall den Gesundheitsschaden und die Kausalität nachweisen muss, dauert das ewig", argumentierte Barley. Mit der Musterfeststellungsklage könnte in so einem Fall zunächst festgestellt werden, dass die Bestrahlungsmethode nicht der ärztlichen Kunst entsprach, so Barley.

"Dann würden wohl alle betroffenen Patienten ein Vergleichsangebot der Klinik erhalten". Aber die Justizministerin räumte ein, dass erst die praktische Erfahrung zeigen wird, ob die Musterfeststellungsklage ein effizientes Instrument ist.

Als dritten Schwerpunkt ihres neuen Amtes nannte Barley die Gesellschaftspolitik. Sie erinnerte an die Einführung der "Ehe für alle" und die Rehabilitierung von verurteilten Homosexuellen in der letzten Wahlperiode. "Davon waren scheinbar zwar nur Minderheiten betroffen, aber der Umgang mit Minderheiten ist ein zentraler Gradmesser für die Rechtstaatlichkeit eines Staates". In der laufenden Wahlperiode will sie unter anderem das Karlsruher Urteil zum dritten Geschlecht umsetzen, das Transsexuellengesetz reformieren und ein neues Abstammungsrecht schaffen.

Zitiervorschlag

Christian Rath, Justizministerin Barley in Karlsruhe: . In: Legal Tribune Online, 11.07.2018 , https://www.lto.de/persistent/a_id/29681 (abgerufen am: 10.10.2024 )

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