Die EU-Kommission hat das EU-Justizbarometer 2019 veröffentlicht. Tendenz: Qualität und Effizienz der Justizsysteme in den Mitgliedstaaten hätten sich weiter verbessert. Dennoch zweifelten viele Bürger an der Unabhängigkeit der Justiz.
Die diesjährige Ausgabe des EU-Justizbarometers erscheine "zu einem Zeitpunkt, an dem die Rechtsstaatlichkeit an manchen Orten in Europa immer stärker unter Druck gerät", erklärte Věra Jourová, EU-Kommissarin für Justiz, Verbraucher und Gleichstellung. Sie freue sich, dass viele Länder sich weiter für eine Verbesserung ihres Justizwesens engagierten. Leider verlaufe die Entwicklung bei einigen Mitgliedstaaten "in die umgekehrte Richtung". Es gebe "immer noch zu viele EU-Bürger, die ihre Justizsysteme nicht als unabhängig betrachten und die zu lange warten müssen, bis die Justiz ihren Fall aufgreift“, so Jourová weiter.
In der siebten Ausgabe des EU-Justizbarometers stand die Unabhängigkeit der Justiz stärker im Mittelpunkt. So enthält der Vergleich nun auch Angaben zu den Disziplinarordnungen für Richter in den nationalen Justizsystemen und den zugehörigen Schutzmechanismen, die eine Kontrolle gerichtlicher Entscheidungen durch die Politik verhindern sollen.
in zwei Dritteln der Mitgliedstaaten beurteilten die Bürger die Unabhängigkeit der Justiz zwar besser als 2016, in etwa drei Fünfteln der Mitgliedstaaten werde die Unabhängigkeit der Justiz jedoch zunehmend skeptischer beurteilt, so auch in Deutschland. Insgesamt bewerten allerdings 74 Prozent der Deutschen die Unabhängigkeit der Justiz als sehr gut oder ziemlich gut, die Bundesrepublik belegt damit den sechsten Platz. Schlusslicht ist Ungarn, hier haben weniger als 20 Prozent der Bürger Vertrauen in die Justiz.
Positive Trends bei der Bürgerfreundlichkeit
Die EU-Kommission sieht jedoch einige positive Trends bei der Verbesserung der Qualität der Justizsysteme. So seien die gesamtstaatlichen Ausgaben für die Gerichte im Jahr 2017 in den Mitgliedstaaten insgesamt stabil geblieben. Deutschland liegt bei den Justizausgaben hinter Luxemburg auf Platz 2.
Zudem böten mittlerweile die meisten Gerichte den Richtern Fortbildungen zum Aufbau, zur Art der Begründung und zum Abfassen von Urteilen an. In einigen Mitgliedstaaten haben die Verfahrensbeteiligten zudem Zugang zu Mechanismen, mit denen sie Klarstellungen in Bezug auf Gerichtsentscheidungen erhalten können – aus Sicht der Kommission "eine interessante Praxis zur bürgerfreundlicheren Gestaltung der Justizsysteme". Auch der Online-Zugang zu Gerichtsurteilen habe sich im Vergleich zu den Vorjahren verbessert.
Bei der Effizienz der Justizsysteme sieht die EU-Kommission ebenfalls tendenziell Fortschritte. In Deutschland habe allerdings, anders als in vielen anderen Mitgliedstaaten, die Verfahrensdauer bei Zivil- und Handelssachen zugenommen.
Das 2013 in Leben gerufene EU-Justizbarometer ist Teil des Rechtsstaatlichkeits-Instrumentariums der EU, mit dem die Kommission Justizreformen begleitet, die von den Mitgliedstaaten durchgeführt werden; seine Ergebnisse fließen in das Europäische Semester ein. Ergänzt wird es durch die länderspezifischen Bewertungen im Rahmen des Europäischen Semesters, mit dem die wirtschafts-, haushalts- und sozialpolitischen Reformen in den EU-Mitgliedstaaten koordiniert werden.
Bei der Erstellung des Justizbarometers nutzt die Kommission verschiedene Informationsquellen, insbesondere Zahlenmaterial der Kommission des Europarats für die Wirksamkeit der Justiz (CEPEJ), mit der die EU-Kommission einen Vertrag über die Durchführung einer jährlichen Studie geschlossen hat. Weitere Datenquellen sind unter anderem die Gruppen der Ansprechpartner für die nationalen Justizsysteme, das Europäische Netz der Räte für das Justizwesen (ENCJ), das Netz der Präsidenten der Obersten Gerichtshöfe der Europäischen Union, die Expertengruppe für Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung, Eurostat sowie andere europäische Stellen.
Justizbarometer 2019 veröffentlicht: . In: Legal Tribune Online, 26.04.2019 , https://www.lto.de/persistent/a_id/35093 (abgerufen am: 06.11.2024 )
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