Debatte nach Verfassungsrichterwahl in Mecklenburg-Vorpommern: "So etwas würde in NRW oder Bayern nicht pas­sieren"

20.05.2020

Tabubruch oder Gesamtpaket? Die Wahl der Linke-Politikerin Borchardt zur Verfassungsrichterin wird heftig diskutiert. Sie ist Mitglied in einer vom Verfassungsschutz beobachteten Vereinigung - und kam mit Hilfe der CDU ins Amt.

Die Wahl der Linke-Politikerin Barbara Borchardt zur Verfassungsrichterin in Mecklenburg-Vorpommern sorgt bundesweit für Diskussionen. Der Verfassungsrechtler Michael Brenner bezeichnete die Wahl am Mittwoch als Skandal. Borchardt ist Mitglied der vom Verfassungsschutz auf Bundesebene beobachteten Vereinigung "Antikapitalistische Linke" und will es auch bleiben, wie sie selbst sagte.

"Wenn jemand Verfassungsrichter ist, muss man erwarten, dass er fest auf dem Boden des Grundgesetzes steht. Wenn jemand einen Systemwechsel will, ist das nicht gegeben", sagte der Professor der Universität Jena der Deutschen Presse-Agentur. "Artikel 14 des Grundgesetzes sichert das Privateigentum", betonte Brenner. Es sei die Grundlage der sozialen Marktwirtschaft. Wenn Borchardt das ablehne, stelle sie die freiheitlich-demokratische Grundordnung in Frage und sei als Verfassungsrichterin untragbar. "Das geht nicht", bekräftigte der Wissenschaftler. Dies könne dazu führen, dass das Vertrauen der Bevölkerung in den Rechtsstaat und die Verfassungsgerichtsbarkeit erschüttert werde.

Dass Borchardt im Schweriner Landtag - wenn auch erst im zweiten Anlauf - die nötige Mehrheit für die Wahl zur Verfassungsrichterin erhielt, lege nahe, dass manchem Abgeordneten die Grundstrukturen des Grundgesetzes noch nicht in Fleisch und Blut übergegangen seien. "Ich würde sagen, so etwas würde in Bayern oder Nordrhein-Westfalen nicht passieren", sagte Brenner.

Bei der Wahl im Schweriner Landtag hatten CDU-Abgeordnete die Linken-Politikerin am vergangenen Freitag im zweiten Wahlgang mitgetragen, damit sie die notwendige Zwei-Drittel-Mehrheit erhielt.
Der Bundestagsabgeordnete Philipp Amthor führte den Vorgang am Mittwoch auf die politische Polarisierung zurück. Die Wahl sei "das bittere Resultat des Umstandes, dass es im Landtag keine
hinreichenden Mehrheiten mehr jenseits der extremen linken und rechten Vereinfacher gibt", sagte Amthor. 

Amthor bewirbt sich um den vakanten Vorsitz der CDU in Mecklenburg-Vorpommern, ebenso wie die dortige Justizministerin Katy Hoffmeister. Sie äußerte sich am Mittwoch, ohne eine politische Einschätzung zu treffen: "Die Wahl der Verfassungsrichter ist allein eine Entscheidung der Legislative. Die Mitglieder des Landesverfassungsgerichts werden von einem besonderen Ausschuss des Landtages zur Wahl vorgeschlagen und sodann vom Landtag gewählt." 

Der aus Mecklenburg-Vorpommern stammende CDU-Bundestagsabgeordnete Eckhardt Rehberg erklärte: "Die Besetzung des Landesverfassungsgerichts ist als Gesamtpaket zu sehen. Dazu war eine
Zwei-Drittel-Mehrheit im Landtag aus SPD, CDU und Linken nötig." Letztendlich sei es die persönliche Entscheidung eines jeden Abgeordneten gewesen. Die Bundes-CDU äußerte sich nicht. 

Die AfD bezeichnete das Vorgehen der CDU bei der Verfassungsrichterwahl als scheinheilig. "Die Wahl Borchardts mit den Stimmen der CDU war ein Tabubruch und ein Tiefpunkt in der Geschichte des Landes", sagte der AfD-Landesvorsitzende Leif-Erik Holm. 

dpa/vbr/LTO-Redaktion

Zitiervorschlag

Debatte nach Verfassungsrichterwahl in Mecklenburg-Vorpommern: . In: Legal Tribune Online, 20.05.2020 , https://www.lto.de/persistent/a_id/41688 (abgerufen am: 13.12.2024 )

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