Neuwahl eines Verfassungsrichters: Seeg­müller bleibt unge­wählt

von Dr. Christian Rath

30.01.2025

An diesem Donnerstag sollte BVerwG-Richter Robert Seegmüller im Wahlausschuss des Bundestags als Richter am Bundesverfassungsgericht nominiert werden. Doch der Akt fiel kurzfristig aus. Was steckt dahinter?

Gesucht wird ein Nachfolger für Josef Christ, dessen Amtszeit am Ersten Senat bereits am 30. November endete. Die CDU/CSU schlug Robert Seegmüller vor. Er ist Richter am Bundesverwaltungsgericht und Vorsitzender des Bunds Deutscher Verwaltungsrichter und Verwaltungsrichterinnen (BDVR). Seegmüller ist der erste Vorschlag von Friedrich Merz für einen Bundesverfassungsrichter. Wie Merz ist Seegmüller ziemlich konservativ. 

Bedenken der Grünen

Die Richter:innen des Bundesverfassungsgerichts werden entweder vom Bundestag oder vom Bundesrat mit Zwei-Drittel-Mehrheit gewählt. Diesmal ist der Bundestag zuständig. Anfang Dezember stellte sich Seegmüller den Rechtspolitiker:innen von SPD, FDP und Grünen vor. SPD und FDP kündigten an, Seegmüller mitzuwählen, die Grünen signalisierten jedoch weiteren Gesprächsbedarf. Die Süddeutsche Zeitung legte damals nahe, dass Seegmüllers konservative Positionen im Asylrecht der Anlass sein könnten. 

Eigentlich sollte Seegmüller an diesem Donnerstag um 8 Uhr im "Wahlausschuss für die vom Deutschen Bundestag zu berufenden Richter des Bundesverfassungsgerichts" nominiert werden. Schon am 23. Januar hatte Renate Künast (Grüne) als ältestes Mitglied des Wahlausschusses zu der Sitzung eingeladen. Alles sah so aus, als hätten sich die Fraktionen auf Seegmüller geeinigt. 

Doch am Mittwoch verschickte der Wahlausschuss überraschend eine dringende Änderungsmitteilung: Die Sitzung "findet nicht statt". Eine Begründung wurde nicht angegeben. Erhält Friedrich Merz hier die Quittung für die gemeinsame Abstimmung von CDU/CSU und AfD am Vortag? Wohl nicht. Es hatte wohl in den hektischen letzten Tagen einfach noch keine Einigung mit den Seegmüller-skeptischen Grünen gegeben. Die Einladung zum Wahlausschuss war lediglich vorsorglich verschickt worden, in der Hoffnung Seegmüller noch vor der Bundestagswahl wählen zu können. 

Eine baldige Wahl Seegmüllers ist nun aber kaum noch möglich. Es gibt zwar noch zwei Sitzungstage des Bundestags am 10. und 11. Februar. Doch zwischen der Nominierung im Wahlausschuss und der Wahl im Plenum des Bundestags müssen 2 Tage liegen. 

Es ginge auch ohne die Grünen

Theoretisch wäre eine Wahl Seegmüllers auch ohne die Grünen möglich. Im Wahlausschuss sind acht von zwölf Stimmen erforderlich. CDU/CSU, SPD und FDP haben zusammen neun Stimmen. Doch im Bundestags-Plenum haben CDU/CSU, SPD und FDP zusammen nur vier Stimmen mehr als die erforderliche Zwei-Drittel-Mehrheit. 

Schon eine kleine Grippewelle hätte die Wahl Seegmüllers verhindern können. Vor allem aber hätten wütende SPD-Abgeordnete die geheime Abstimmung über Merz' Kandidaten nutzen können, um Merz einen Denkzettel zu erteilen. Die CDU/CSU wollte daher den Abstimmungsprozess nicht ohne Plazet der Grünen einleiten und bat um Absetzung der Sitzung am Donnerstag. Sie hält jedoch an Seegmüller als Vorschlag fest.

Wie geht es nun weiter? Laut § 7a Bundesverfassungsgerichtsgesetz (BVerfGG) muss nun Renate Künast als Ausschuss-Älteste "unverzüglich" das Bundesverfassungsgericht auffordern, drei Personalvorschläge für die Nachfolge von Josef Christ zu machen. Die Verfassungsrichter:innen kommen ins Spiel, wenn zwei Monate nach dem Ende der Amtszeit eines Richters immer noch keine Nachfolger:in gewählt wurde. Die Abgeordneten sind an die Vorschläge aus Karlsruhe freilich nicht gebunden und können nach wie vor wählen, wen sie für richtig halten. 

Neue Verhältnisse nach der Bundestagswahl

Die nächste Sitzung des Wahlausschusses wird nach der Bundestagswahl stattfinden, dann in neuer Besetzung. Denkbar ist, dass die AfD dann allein oder gemeinsam mit dem BSW eine Sperrminorität von einem Drittel der Sitze im Bundestag innehat.

Dies dürfte die Wahl Seegmüllers weiter komplizieren. Wenn die AfD eine Sperrminorität erreicht, könnte sie ihre Zustimmung zu Seegmüller davon abhängig machen, dass ihr die alten Parteien ein eigenes Vorschlagsrecht einräumen. Derzeit sind die Vorschlagsrechte nach dem Schlüssel 3 - 3 - 1 - 1 verteilt, das heißt: CDU/CSU und SPD können pro Senat je drei Richter:innen vorschlagen, Grüne und FDP jeweils eine Richter:in.

Falls das BSW in den Bundestag einzieht, könnten die alten Parteien die Zwei-Drittel-Mehrheit aber auch herstellen, indem sie das BSW mit einem Vorschlagsrecht einbinden und die AfD dann weiter außen vor lassen.

Möglich ist zudem, dass die alten Parteien auf eine Wahl im Bundestag verzichten und die Wahl dem Bundesrat überlassen. Dieser Ersatzwahlmechanismus war erst im Dezember in Artikel 93 Abs. 2 Grundgesetz und in § 7a Abs. 5 BVerfGG verankert worden. Voraussetzung ist, dass der Bundestag auch drei Monate nach Vorlage der BVerfG-Personalvorschläge immer noch niemand gewählt hat.

Auf diesem Wege könnte zwar die Ausgrenzung der AfD sichergestellt werden. Eine Umgehung der Grünen ist so allerdings nicht möglich, weil die Grünen derzeit an sieben Landesregierungen beteiligt sind und so im Bundesrat eine Sperrminorität haben.

Noch mehr Verfassungsrichterwahlen

Die Arbeitsfähigkeit des Ersten Senats des BVerfG ist derweil nicht gefährdet. Josef Christ arbeitet geschäftsführend weiter als Verfassungsrichter. Der Senat ist nun aber etwas zögerlich, neue Großverfahren zu beginnen, wenn er weiß, dass einer der Richter bald ausscheidet. 

Die Wahl eines Nachfolgers für Josef Christ ist nicht die einzige Verfassungsrichterwahl, die 2025 ansteht. Am 30. Juni endet die Amtszeit von Vizepräsidentin Doris König, der Vorsitzenden des Zweiten Senats. 

Parallel wird wohl auch Richter Ulrich Maidowski ausscheiden, ebenfalls im Zweiten Senat. Seine reguläre Amtszeit endet zwar erst im Juli 2026. Maidowski ist jedoch gesundheitlich angeschlagen.

Für beide Wahlen ist zufällig auch der Bundestag zuständig. Im Bundesrat finden 2025 keine Verfassungsrichterwahlen statt (außer er muss den Bundestag als Wahlorgan ersetzen).
 

Zitiervorschlag

Neuwahl eines Verfassungsrichters: . In: Legal Tribune Online, 30.01.2025 , https://www.lto.de/persistent/a_id/56480 (abgerufen am: 11.02.2025 )

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