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BVerfG schaltet Instagram-Account ab: Schon wieder Schluss

von Dr. Markus Sehl

05.01.2022

(c) Screenshot der Seite des Bundesverfassungsgerichts auf Instagram durch LTO

Als das Bundesverfassungsgericht im August 2021 seinen Instagram-Auftritt startete, erhielt es dafür viel positive Resonanz. Nun ist der Account still und heimlich abgeschaltet worden. Warum?

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Wer im neuen Jahr auf Instagram mal wieder beim Bundesverfassungsgericht (BVerfG) vorbeischauen wollte, musste verwundert feststellen, dass der Account von der Social-Media-Plattform verschwunden ist. Und zwar still und heimlich. Dabei war der Einstieg bei Instagram dem Karlsruher Gericht im Sommer noch eine eigene Pressemitteilung wert. Mitte August verkündete es: "Anlässlich seines 70. Geburtstags startet das Bundesverfassungsgericht sein Angebot auf dem Netzwerk Instagram. Seit kurzem gibt es die Möglichkeit, dort abwechslungsreiche Einblicke in die Tätigkeit von Deutschlands höchstem Gericht zu erhalten. Wir laden alle Interessierten ein, das Bundesverfassungsgericht dort zu besuchen."

Innerhalb weniger Tage versammelten sich bereits knapp 20.000 neugierige Follower hinter dem Account, der mit recht unbelebten Fotos aus dem Verhandlungssaal und einer Außenansicht des Gerichtsgebäudes im blauen Abendlicht loslegte. Der neue Auftritt des Gerichts zog viel mediale Aufmerksamkeit auf sich, bei der ARD hieß es "Bundesverfassungsgericht wird Influencer*in". Der Entertainer Jan Böhmermann schrieb auf Twitter: "OMG! Das Bundesverfassungsgericht ist jetzt bei Instagram!" Auf faz.net erschien sogar eine Art Rezension, die allerdings wenig begeistert ausfiel. Das BVerfG betrat mutig Neuland, kein anderes Bundesgericht hat sich bislang auf Instagram gewagt. Überhaupt ist es eine mediale Welt, in die die deutsche Justiz noch nicht eingetaucht ist.

Alles nur zur Probe?

Zum 31. Dezember 2021 wurde der Account nun stillgelegt, wie der Pressesprecher des BVerfG auf eine Anfrage von LTO antwortet. Zu den Gründen der Abschaltung wird nur so viel mitgeteilt: "Im vergangenen Jahr wurde aus Anlass des 70-jährigen Jubiläums des Bundesverfassungsgerichts probeweise ein Instagram Account betrieben." Und weiter: "Das Bundesverfassungsgericht hat sich dazu entschieden, den Account nach Ablauf der Probephase vorerst nicht weiter zu betreiben."

Das mag erstaunen, weil beim Start des Accounts von einer nur vorläufigen Probephase keine Rede war. Alles deutete daraufhin, dass das BVerfG gekommen war, um zu bleiben. Auch die offizielle Kennzeichnung als verifizierter Account, den begehrten "blauen Haken", legte sich der Account auf der Plattform zu. Die stille Versenkung rund fünfeinhalb Monate nach dem viel beworbenen Start kommt überraschend.

Zuletzt hatte der Account "@bundesverfassungsgericht" 26.400 Follower, wie der Sprecher des Gerichts mitteilt. Es habe insgesamt zwölf Posts, manche davon mit mehreren Bildern, gegeben, und es seien zwei Video-Ausschnitte aus der Reihe der neuen Informationsfilme gepostet worden.

Viel Arbeit für ein Gericht?

Der Schritt auf die Plattform Instagram dürfte für das Gericht durchaus eine Herausforderung gewesen sein. Zum einen bot es die Chance, ein jüngeres Publikum zu erreichen, auf der anderen Seite eine Menge Herausforderungen auf dem Weg, eine angemessene Bildsprache zu finden. Anders als auf dem Kurznachrichtendienst Twitter, wo das Gericht seit 2015 mit einem offiziellen Account vertreten ist und recht nüchtern regelmäßig Informationen zu Entscheidungen postet, lebt Instagram von einer stark visuell geprägten Präsentation, die zwangsläufig auch eine gewisse Nahbarkeit und persönliche Note verlangt. Das Gericht versprach bei der Einführung schließlich auch "abwechslungsreiche Einblicke".  

Das ist viel Arbeit. Zwar hatte das Gericht schon den defensivsten Weg eingeschlagen, fremde Kommentierungen der Beiträge und Direktnachrichten abgeschaltet. Aber selbst wenn der Account vor allem als Sender und weniger interagierend betrieben werden soll, braucht es dafür einen Plan und Pflege.

Beobachterinnen und Beobachter in den sozialen Medien reagierten überrascht und enttäuscht. Der Berliner Rechtsanwalt und Krisenkommunikator Martin Wohlrabe sagte: "Das Vorgehen wirft kein glückliches Licht auf die Kommunikationsstrategie des obersten Gerichts. Insbesondere vor dem Hintergrund, dass ein Bundesverfassungsgericht eine Vorbildfunktion für alle weiteren Gerichte in Deutschland hat, die sich mit solchen modernen Themen bis heute, nachvollziehbarerweise, schwer tun."

Schlägt das BVerfG neue Wege der Öffentlichkeitsarbeit ein?

Die Abschaltung fällt in eine Zeit, in der man den Eindruck gewinnen konnte, das Gericht probiert neue Wege der Öffentlichkeitsarbeit aus. Das in der Justiz viel zitierte Motto "Das Gericht spricht durch seine Entscheidungen" stößt in den vergangenen Jahren auch für Karlsruhe an seine Grenzen, es entpuppt sich als möglicherweise zu starr in dynamischen Lagen. Zu groß wurde das Bedürfnis, auch mal vor oder nach einer Entscheidungsverkündung öffentlich etwas dazu äußern zu können.

So veröffentlichte das BVerfG im Sommer 2021 eine Pressemitteilung, um bei Gelegenheit mitzuteilen, wie viele Verfahren mit Corona-Bezug bereits abgearbeitet und entschieden sind und wann mit einer Entscheidung zur Bundesnotbremse zu rechnen ist. Zuvor hatten sich kritische Stimmen zu Wort gemeldet, die dem Gericht vorwarfen, sich in der Corona-Pandemie zurückgehalten zu haben.

Ein Novum in der Öffentlichkeitsarbeit stellt auch der Auftritt des BVerfG-Richter Henning Radtke in einem TV-Interview des ZDF Anfang Januar dar, bei dem er Grundzüge des Beschlusses zur Bundesnotbremse erläuterte. Das knapp fünfminütige Gespräch schloss er ab mit den Worten: "Ich danke herzlich für die Gelegenheit im Namen des Gerichts." Während der Kanal Instagram erst einmal abgeschaltet ist, kann man damit rechnen, dass es im Fernsehen nicht der letzte Auftritt eines Mitglieds des BVerfG gewesen sein dürfte.

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BVerfG schaltet Instagram-Account ab: Schon wieder Schluss . In: Legal Tribune Online, 05.01.2022 , https://www.lto.de/persistent/a_id/47126/ (abgerufen am: 13.08.2022 )

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