Zwar beanstandet der BGH das Strafurteil des LG Hannover. Dass ein verdächtiger Staatsanwalt am Prozess mitgewirkt hat, war für den BGH aber nicht ausschlaggebend. Damit ist eine Hiobsbotschaft für die niedersächsische Justiz ausgeblieben.
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat das Urteil gegen ein Mitglied einer Kokain-Bande teilweise aufgehoben, das verkündete der Vorsitzende des 6. Strafsenats am Montagmorgen in Leipzig. Obwohl ein in dem gleichen Komplex unter Korruptionsverdacht stehender Staatsanwalt an dem Prozess mitgewirkt habe, sei das Recht auf ein faires Verfahren nicht verletzt, so der Vorsitzende Richter Burkhard Feilcke bei der Verkündung. Aufgehoben hat der BGH nur den Strafausspruch, die Aufklärungsbemühungen des Angeklagten müssen neu berücksichtigt werden (Az. 6 StR 335/23).
Das Landgericht (LG) Hannover hatte den Spediteur im März 2023 zu zwölfeinhalb Jahren Haft wegen bandenmäßigen Drogenhandels verurteilt. Das LG war überzeugt, dass der Mann aus dem Harz Mitglied einer aus den Niederlanden heraus agierenden Bande war, die Kokain auf dem Seeweg aus Südamerika auch über Hamburg nach Europa schmuggelt. Der Spediteur Jonas H. soll sich um das "Transport- und Speditionswesen" der Gruppe in Deutschland gekümmert haben.
Im Februar 2021 entdeckte der Zoll im Hamburger Hafen eine damals europaweite Rekordmenge an Kokain. In mehreren Schiffscontainern aus Paraguay fanden die Beamten 16 Tonnen Kokain, versteckt mit Spachtelmasse in Blechkanistern. Die Lieferung wird der rund 20-köpfigen deutschen Kokain-Bande zugerechnet. Der Wert der Ladung wird auf 500 Millionen geschätzt.
Strafverteidiger: "Mein Mandant hatte kein faires Verfahren"
Vor Beginn des Strafprozesses gegen ihn gab H. Hinweise auf eine oder mehrere Maulwürfe bei Polizei und Staatsanwaltschaft, die gegen Geld Informationen an die Kokaingruppe verraten hätte. Konkret bezichtigte er den in seinem Verfahren die Ermittlungen führenden Staatsanwalt Yashar G. Im Oktober 2024 wurde G. wegen des Verdachts auf Bestechlichkeit in einem besonders schweren Fall, sowie Geheimnisverrat und Strafvereitelung festgenommen; er sitzt in Untersuchungshaft.
H.'s Verteidiger hatten das Urteil gegen ihn angefochten. "Mein Mandant hatte kein faires Verfahren", sagte Rechtsanwalt Pascal Ackermann. Gemeinsam mit den Strafverteidigern Raban Funk und Ali B. Norouzi hatte Ackermann Anfang Dezember eine durchaus mitreißende mündliche Verhandlung in Leipzig bestritten. Schon da zeichnete sich ab, dass es für die BGH-Richterinnen und Richter vor allem auf den Grad des Verdachts gegen den Staatsanwalt ankommen würde. Ab wann sind die Vorwürfe so konkret, wiegt der Verdacht so schwer, dass die Justiz den Staatsanwalt G. hätte abziehen müssen? Immerhin steht für die andere Seite die Integrität des Prozesses und der Verlust eines aufwändig eingearbeiteten Staatsanwalts auf dem Spiel.
BGH: "Verdacht gegen den Staatsanwalt damals nur vage"
Der 6. Senat des BGH konnte nun mit seinem Revisionsurteil keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten erkennen. Damit wird die Verurteilung durch das LG Hannover rechtskräftig. Zu der Verdachtsfrage teilte der BGH mit: Damals seien die Verdachtsmomente gegen den Staatsanwalt nur vage gewesen. Außerdem seien keine schweren Pflichtverletzungen des Staatsanwalts in dem Verfahren ersichtlich. Des Weiteren habe es auch eine Rolle gespielt, dass neben dem Staatsanwalt G. auch dessen Vorgesetzter, ein Oberstaatsanwalt, an der gesamten Hauptverhandlung als Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft teilgenommen hatte.
Hätte der BGH den Fall in der Revision anders eingeschätzt und das Urteil des LG Hannover wegen der Mitwirkung des Staatsanwalts aufgehoben, hätte sich der Druck in dem Fall, den die Opposition in Niedersachsen als "Justizskandal" sieht, noch erhöht. Dort wird weiter von mehreren Seiten um Aufklärung gerungen.
Aufgehoben hat der BGH den Strafausspruch mit Blick auf die Aufklärungshilfe des Spediteurs G. Zwar habe das LG die Voraussetzungen des gesetzlichen Strafmilderungsgrundes der Aufklärungshilfe rechtsfehlerfrei abgelehnt (§ 46b Strafgesetzbuch), heißt es in der Pressemitteilung des BGH. Aufklärungsbemühungen könnten aber auch jenseits dieses gesetzlichen Milderungsgrundes zu Gunsten eines Angeklagten als allgemeiner Strafmilderungsgrund zu berücksichtigen sein. Warum dies hier von der Strafkammer nicht erkennbar erwogen wurde, habe der Senat angesichts der im Urteil mitgeteilten Aufklärungsbemühungen und den eingeleiteten Ermittlungen gegen den Staatsanwalt nicht nachzuvollziehen können.
Nun muss eine andere Kammer des LG Hannover neu über das Strafmaß entscheiden.
Staatsanwalt unter Korruptionsverdacht: . In: Legal Tribune Online, 16.12.2024 , https://www.lto.de/persistent/a_id/56119 (abgerufen am: 18.01.2025 )
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