Immer wieder kommt es in Fällen Organisierter Kriminalität zu Bedrohungen von Zeugen, Richtern und Sachverständigen im Strafprozess. Mit einem Antrag im Bundesrat will Berlin nun dagegen angehen und den Nötigungsparagrafen verschärfen.
Der Berliner Senat will mit einer Strafverschärfung gegen Bedrohungen und Einschüchterungsversuche von Zeugen und Gerichtspersonen durch die Organisierte Kriminalität vorgehen. Einen entsprechenden Antrag, der jetzt in den Bundesrat eingebracht werden soll, beschloss der Senat am Dienstag.
"Die Initiative ist Bestandteil einer noch intensiveren Bekämpfung der Organisierten Kriminalität. Das ist ein klares gesetzgeberisches Signal für einen besseren Schutz im Bereich der Justiz", sagte Berlins Justizsenatorin Dr. Felor Badenberg (CDU).
Konkret sieht Badenbergs Vorschlag die Einführung eines weiteren Regelbeispiels für einen besonders schweren Fall der Nötigung in § 240 Abs. 4 Nr. 3 Strafgesetzbuch (StGB) vor. Dieser soll künftig "in der Regel" auch dann erfüllt sein, "wenn der Täter einen Verfahrensbeteiligten oder eine Beweisperson in einem Strafverfahren nötigt, seine oder ihre Rechte und Pflichten nicht oder in einem bestimmten Sinne auszuüben". Den Tätern würden dann Freiheitsstrafen bis zu fünf Jahren drohen.
Richterin mit dem Tod bedroht
Hintergrund der Initiative sind laut Berlins Justizsenatorin jüngste Entwicklungen an Berliner Strafgerichten. In einem Pressestatement nannte Badenberg am Mittwoch z.B. einen Fall vom November 2022, als im Rahmen einer strafrechtlichen Berufungsverhandlung die Vorsitzende Richterin des Landgerichtes vom Angeklagten mit dem Tod bedroht worden war.
Nach Einschätzung Badenbergs handelt es sich dabei nicht mehr um Einzelfälle: "Aus der justiziellen Praxis und auch im Rahmen der medialen Berichterstattung seien in der jüngeren Vergangenheit vermehrt Bedrohungshandlungen gegenüber Verfahrensbeteiligten bekannt geworden", heißt es in der Begründung des Antrags, der unter Umständen bereits Ende September in der Länderkammer abgestimmt werden könnte.
In der Berliner Initiative wird auch auf diverse Fälle verwiesen, in denen Gerichtspersonen von Angeklagten oder deren Familienangehörigen bedroht worden seien. So seien etwa Zeugen nach Anzeigeerstattung auch mit Schusswaffen, vor einer Zeugenvernehmung direkt vor dem Gerichtssaal oder während einer Verhandlungspause zum Beispiel durch Angeklagte eingeschüchtert oder nach einer Zeugenaussage von Angehörigen einer Großfamilie aufgesucht und bedroht worden. Richter und Staatsanwälte hätten infolge derartiger Bedrohungen mitunter Polizeischutz bekommen müssen. In einem Fall habe der Gerichtssaal wegen einer Bombendrohung geräumt werden müssen. Auch hätten sich Täter Privatadressen und Rufnummern von Gerichtspersonen beschafft. Eine von ihnen bekam einen Vogelkadaver zugeschickt.
Vom künftigen strafrechtlichen Schutz profitieren sollen auch Gerichtsvollzieher und Dolmetscher. "Insbesondere soweit diese als Angehörige einer bestimmten Ethnie bzw. Sprachgemeinschaft zu deren prozessualen Nachteil tätig werden", heißt es im Antrag. Flankiert werden soll die Strafverschärfung im StGB im Übrigen durch prozessuale Regelungen, die den Ermittlern Überwachungsbefugnisse einräumen. So sollen die Taten als "schwere Straftaten" in die Kataloge des §§ 100a Abs. 2 und 100g Abs. 2 Strafprozessordnung (StPO) aufgenommen werden. Telekommunikationsüberwachung und die Abfrage von Verkehrsdaten werden so möglich.
Lob von der Polizei, Grüne kritisieren
Laut Berliner Morgenpost gab es nach einer Erhebung des Bundeskriminalamtes zur Einschüchterung von Zeugen, Amtsträgern oder Sachverständigen im Zuge strafrechtlicher Ermittlungs- und Gerichtsverfahren bundesweit insgesamt 20 reale Fälle von 2019 bis 2022. Berlins Justizsenatorin jedoch geht von einer hohen Dunkelziffer aus.
Die Berliner Gewerkschaft der Polizei (GdP) hält den Vorstoß Berlins für sinnvoll. "Wir erleben seit Jahren, dass unsere Gerichtssäle gerade von Personen aus der Organisierten Kriminalität als Bühne missbraucht werden, um unsere Kollegen, Zeugen, Staatsanwälte und Richter einzuschüchtern und der Rechtsstaat sie bisher nicht entsprechend schützt, es an wirklich wirksamen Mitteln fehlt", teilte Sprecher Benjamin Jendro mit. "Berlin bringt den Stein ins Rollen und wir hoffen, dass die anderen Länder dieses Vorhaben unterstützen und gemeinsam weiterdenken."
Scharfe Kritik an Badenbergs Vorschlag gab es dagegen von der Grünenfraktion im Landesparlament: "Die vorgeschlagene Bundesratsinitiative schafft keine Abhilfe hinsichtlich der Bedrohung von Zeugen durch Organisierte Kriminalität", so deren rechtspolitische Sprecherin, Petra Vandrey. "Nötigung und Bedrohung sind bereits strafbar – die Forderung neuer Vorschriften im Strafrecht ist Symbolpolitik und wird dem Regierungsanspruch nicht gerecht."
Wichtiger seien konkrete Maßnahmen auf Landesebene, um bestehende Gesetze konsequent umzusetzen und Zeugen zu schützen. "Dafür brauchen Staatsanwaltschaften und Gerichte mehr Personal und bessere Ausstattung", so die Grünen-Abgeordnete. Dafür hatte sich Badenberg nach der Senatssitzung allerdings ebenfalls ausdrücklich ausgesprochen.
Badenberg schätzt die Erfolgschancen der Bundesratsinitiative als gut ein. Sie habe das Thema bereits am Rande der jüngsten Justizministerkonferenz angesprochen, sagte sie. "Ich rechne mit einer sehr großen Mehrheit." Die nächste Sitzung der Länderkammer findet am 27. September statt.
Mit Material von dpa
Berlin startet Bundesratsinitiative: . In: Legal Tribune Online, 10.09.2024 , https://www.lto.de/persistent/a_id/55374 (abgerufen am: 14.10.2024 )
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