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Gesetzentwurf zur Bild- und Tonaufzeichnung im Strafprozess: Video­auf­zeich­nung nur noch optional

06.04.2023

Marco Buschmann vor einer Kamera

Der BGH soll keine Tatsacheninstanz werden, die Länder sollen mehr Zeit bekommen und die Videoaufzeichnung soll optional sein. So lautet der Kompromissvorschlag des Bundesjustizministers zur Bild-Ton-Aufzeichnung im Strafprozess. Bild: picture alliance / Flashpic | Jens Krick

Vor allem aus der Justiz kam viel Kritik am Gesetzentwurf zur Bild-Ton-Aufzeichnung im Strafprozess. Nun kommt ein Kompromissvorschlag vom Bundesjustizminister. Die Länder bekommen mehr Zeit und die Videoaufzeichnung soll optional sein. 

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Nach Kritik von Richtern und Staatsanwälten hat Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) jetzt einen Kompromissvorschlag für die Verpflichtung zur Aufzeichnung der Hauptverhandlung im Strafverfahren vorgelegt. In einem neuen Referentenentwurf, der am Mittwochabend zur Abstimmung an die anderen Ressorts der Bundesregierung ging, ist die Videoaufzeichnung nicht mehr zwingend vorgesehen. Außerdem sollen die Justizbehörden der Länder mehr Zeit als ursprünglich geplant bekommen, um die Technik für Tonaufzeichnung und Transkription zu beschaffen.

Am Kern seines Vorhabens hält Buschmann aber fest. "Mir ist wichtig, dass wir zu einer besseren Dokumentation von strafgerichtlichen Hauptverhandlungen kommen. Denn in Strafverfahren geht es um sehr viel: den guten Namen und die Freiheit eines Menschen", sagte der Minister der Deutschen Presse-Agentur. Dass sich die Verfahrensbeteiligten bislang nach einem mitunter monatelangen Prozess alleine auf ihre Notizen und ihr Gedächtnis verlassen müssten, sei nicht zeitgemäß. 

Ein erster von Buschmann im November vorgelegte Entwurf für ein "Gesetz zur digitalen Dokumentation der strafgerichtlichen Hauptverhandlung" sah noch vor, die Hauptverhandlung künftig in Bild und Ton aufzuzeichnen und die Tonaufzeichnung mittels Transkriptionssoftware in ein Textdokument umzuwandeln.

Kritik aus der Justiz, Zuspruch aus der Anwaltschaft

Heftige Kritik kam damals von Staatsanwälten und Richtern. Sie warnten unter anderem davor, Zeugen könnten sich durch die Videoaufzeichnung eingeschüchtert fühlen. Ex-BGH-Richter Thomas Fischer hält die Aufzeichnung in einem Beitrag auf LTO dagegen für geeignet, "Willkürgefahren zu mindern und Rationalisierung voranzubringen". Auch BGH-Richter Andreas Mosbacher sprach sich auf LTO grundsätzlich für den Entwurf aus, bevorzugte aber die Vornahme von ausschließlich Tonaufzeichnungen.

Unterstützung für sein Vorhaben hatte Buschmann auch aus der Anwaltschaft erhalten, die sich davon auch eine erhebliche Arbeitserleichterung verspricht. Der Deutsche Anwaltverein (DAV) hatte im Februar festgestellt: "Eine Kompromisslösung, die sich nur mit einer bloßen Tonaufzeichnung begnügt, würde die Chance vertun, hier wirklich etwas im Sinne der bestmöglichen Wahrheitsfindung zu verändern." Schließlich sei der überwiegende Anteil menschlicher Kommunikation nonverbal. Mimik, Gestik, Körperhaltung, Blicke – all dies gehöre zur Würdigung einer Aussage dazu.

"Es gab einige Einwendungen gegen meinen ersten Vorschlag, die haben wir natürlich genau geprüft", sagte Buschmann der dpa. Ihm sei wichtig, dass die Bundesregierung hier vorankomme, "deshalb nehmen wir drei Anpassungen vor". Erstens werde in dem Entwurf noch einmal klargestellt, dass der Bundesgerichtshof, das oberste Revisionsgericht, dadurch nicht zu einer Tatsacheninstanz wird. Viele Richter dort haben die Sorge, dass aufgrund des Transkripts vor dem BGH Tatsachenstreitigkeiten ausgetragen werden. Der LTO vorliegende Entwurf sieht vor, dass die formelle Beweiskraft des Hauptverhandlungsprotokoll erhalten bleibt, dem Transkript also im Revisionsverfahren kein Protokollcharakter zukommt. Die Aufzeichnungen sollen dem Entwurf zufolge nur Hilfsmittel für das Verfahren in der Tatsacheninstanz sein und etwa zur Überprüfung und Berichtigung des Hauptverhandlungsprotokolls herangezogen werden können.   

Länder können auf Videoaufzeichnung verzichten

Zweitens sollten die Länder die Verpflichtung zur flächendeckenden Aufzeichnung der Hauptverhandlungen bei den Staatsschutzsenaten erst zum 1. Januar 2028 umsetzen müssen und nicht bereits Anfang 2026. Bei den Landgerichten bleibe es bei einem "Einführungskorridor bis zum 1. Januar 2030". Wann genau, sollen die Länder selbst bestimmen. Sie können die Aufzeichnungspflicht auch auf einzelne Gerichte, Spruchkörper oder allgemein bestimmte Verfahren beschränken. Der Entwurf sieht weiterhin eine Änderung des Strafgesetzbuches vor. Die Veröffentlichung von Bild- und Tonaufnahmen aus einer Hauptverhandlung oder einer Vernehmung im Ermittlungsverfahren soll ohne Einschränkung strafbar sein. 

Drittens nehme er die Kapazitätsprobleme der IT-Abteilungen der Justizbehörden ernst, die bis Anfang 2026 noch stark mit der flächendeckenden elektronischen Akte beschäftigt seien. Deshalb schlage er vor: "Die Tonspur und die digitale Transkription bleiben für alle verpflichtend - die Länder können aber auf die Einführung der Videoaufzeichnung verzichten." Die Videoaufzeichnung werde nur eine Option sein, für die sich die Länder selbst entscheiden können. Außerdem habe die Bildaufzeichnung laut Entwurf unter Berücksichtigung der Persönlichkeitsrechte der aufgezeichneten Personen zu erfolgen. Die Kameraeinstellungen muss dabei so gewählt werden, dass "keine Nahaufnahmen von Verfahrensbeteiligten erfolgen".

"Natürlich ist es meine Hoffnung, dass einige Bundesländer vorangehen werden und Pilotprojekte dazu starten", fügte der Minister hinzu. Bund und Länder müssten bei der Digitalisierung der Justiz insgesamt schneller vorankommen, betonte Buschmann. Sein Wunsch: "Die dicken Gerichtsakten, um die ein Stoffgürtel gespannt wird, werden ja oft auch Gürteltiere genannt. Diese Art der Gürteltiere möchte ich so schnell wie möglich auf die Liste der bedrohten Arten setzen."

Nachdem nun die Videoaufzeichnung optional ist, dürfte es indes unwahrscheinlich sein, dass Bundesländer die Möglichkeit nutzen. Hamburgs Justizsenatorin Anna Gallina (Bündnis 90/Die Grünen) betonte etwa in einer Stellungnahme, dass eine Bildaufzeichnung erheblich in die Persönlichkeitsrechte eingegriffen "hätte" und begrüßte die Streichung der verpflichtenden Videoaufzeichnung.

Länder und Verbände können zu dem Entwurf jetzt Stellungnahmen abgeben. Danach wird ein finaler Gesetzesentwurf erstellt, dem das Kabinett zustimmen muss und über den dann der Bundestag entscheidet. 

dpa/acr/LTO-Redaktion

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Gesetzentwurf zur Bild- und Tonaufzeichnung im Strafprozess: . In: Legal Tribune Online, 06.04.2023 , https://www.lto.de/persistent/a_id/51499 (abgerufen am: 07.11.2025 )

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