VG zur Berliner Corona-Verordnung: Anwalt­liche Berufs­f­rei­heit nicht ver­letzt

03.04.2020

Bürger in der Bundeshauptstadt dürfen wegen des Coronavirus nur für "dringend erforderliche" Termine zum Anwalt. Ein Berliner Anwalt sieht sich dadurch in seiner Berufsfreiheit verletzt. Das VG hält den Eingriff aber für gerechtfertigt.

Nachdem das Oberverwaltungsgericht (OVG) Berlin Brandenburg seinen Normenkontrollantrag gegen eine Corona-Beschränkung in der Hauptstadt als unzulässig abgewiesen hat, ist ein Migrationsrechtler auch vor dem Verwaltungsgericht (VG) Berlin mit dem Versuch gescheitert, die Berliner Corona-Verordnung insoweit vorläufig für rechtswidrig erklären zu lassen. Das VG wies einen Eilantrag des Anwalts zurück. Ihm würden ohne die beantragte gerichtliche Feststellung keine schweren und unzumutbaren Nachteile drohen, entschied das VG (Beschl. v. 02.04.2020, Az. 14 L 31.20).

Nach der Berliner Corona-Verordnung gilt stadtweit grundsätzlich die Verpflichtung, zuhause zu bleiben. Die Wahrnehmung "dringend erforderlicher Termine" bei Rechtsanwälten ist nach der Verordnung weiterhin zulässig.

Dr. Matthias Lehnert* sieht durch die Vorschrift, die er für zu unbestimmt und zudem unverhältnismäßig hält, den Zugang zum Recht für seine Mandanten gefährdet. Auch in seine Berufsausübungsfreiheit greife die Verordnung in unverhältnismäßiger Weise ein. Zudem sei es mit rechtsstaatlichen Geboten unvereinbar, dass jemand gegenüber der Polizei offenlegen müsse, weshalb er zum Anwalt wolle. Er will noch heute Beschwerde gegen den Beschluss einlegen. 

VG: Kontaktverbot rettet Leben

Die 14. Kammer hat in der Sache entschieden, folgte also offenbar der Argumenation von Lehnert insoweit, als Rechtsschutz nach § 123 Verwaltungsgerichtsordnung möglich und dabei die Verordnung überprüfbar sein müsse, wenn ein Normenkontrollantrag unzulässig ist, was das OVG entschieden hatte.

Das VG befand aber, dass dem Anwalt keine schweren und unzumutbaren Nachteile drohten. Seine potenziellen Mandanten müssten bei einer allenfalls im Einzelfall erfolgenden Kontrolle im Wesentlichen nur Ort und Zeit eines etwaigen Besprechungstermins in der Kanzlei glaubhaft machen, so das Gericht in seiner Mitteilung zu der Entscheidung. Das sei keine erhebliche Hürde für die Inanspruchnahme und Erbringung anwaltlicher Hilfe.

Weiter entschieden die Berliner Richter, dass die zeitlich befristete Verordnung die Berufsausübungsfreiheit des klagenden Anwalts allenfalls geringfügig beeinträchtige. Diese Einschränkung sei angesichts des mit der Verordnung bezweckten Schutzes der überragend wichtigen Schutzgüter Gesundheit und Leben gerechtfertigt und insbesondere nicht unverhältnismäßig.

Um eine Überlastung und den Zusammenbruch des Gesundheitssystems zu vermeiden, kommt der Verlangsamung der Ansteckungsrate durch Vermeidung sozialer Kontakte laut Gericht eine entscheidende Bedeutung zu. Dass nur dringend erforderliche persönliche Termine bei Anwälten wahrgenommen werden dürften, trage dazu bei, erhebliche Gesundheitsschäden und den Tod vieler Menschen zu verhindern.

"Kläger: verkannt, dass die Norm eine Glaubhaftmachung verlangt"

Für Kläger Lehnert geht das Urteil am Gesetzeswortlaut vorbei: "Die Norm verlangt eine Glaubhaftmachung, also einen konkreten Nachweis im Einzelfall, warum ein Termin nicht aufgeschoben werden kann – das Gericht hingegen geht davon aus, dass man einfach nur Ort und Zeit angeben müsse". Das Gericht verkenne die möglichen rechtsstaatlichen Gefahren, die von der Norm ausgingen und ignoriere, zu welchen Maßnahmen die Polizei und die Ordnungsbehörden im Einzelfall ermächtigt würden, "nämlich zu einer intensiven Kontrolle der Mandantschaft". Aus seiner Sicht müsste ein von Abschiebehaft oder Abschiebung Bedrohter, der seinen Anwalt aufsuchen will, das nach dem Wortlaut der Berliner Vorschrift vorher gegenüber der Polizei angeben.    

Lehnert will gemeinsam mit seinem Vertreter Wilhelm Achelpöhler aus der Münsteraner Sozietät Meisterernst Düsing Manstetten noch am Freitag Beschwerde gegen den Beschluss einlegen.  

*Matthias Lehnert steht zu einem Mitglied der Redaktion in einer persönlichen Beziehung. Das Redaktionsmitglied war weder an der Themenidee noch an der Erstellung des Artikels beteiligt.

acr/pl/LTO-Redaktion

Zitiervorschlag

VG zur Berliner Corona-Verordnung: Anwaltliche Berufsfreiheit nicht verletzt . In: Legal Tribune Online, 03.04.2020 , https://www.lto.de/persistent/a_id/41216/ (abgerufen am: 20.04.2024 )

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