Arbeitgeber müssen sich im Hinblick auf die Zulassung ihrer Mitarbeiter als Syndikusanwälte streng an den Gleichbehandlungsgrundsatz halten. Dass sich ausgerechnet eine Gewerkschaft das vom BAG sagen lassen muss, verwundert Martin W. Huff.
Beschäftigt ein Arbeitgeber mehrere Volljuristen, die eine gleiche Tätigkeit ausüben, so darf er diese bei der Frage, ob der Arbeitgeber die entsprechenden Erklärungen für die Zulassung als Syndikusrechtsanwälte abgibt, nicht unterschiedlich behandeln. Dies ergebe sich aus dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz, so das Bundesarbeitsgericht (BAG) in einem Urteil, das die Gewerkschaft Verdi betraf und dessen Entscheidungsgründe nun veröffentlicht wurden (Urt. v. 27.4.2021, Az. 9 AZR 662/19).
Es ist bereits das zweite Mal, dass sich das BAG mit der Frage befassen musste, ob Volljurist:innen einen Anspruch darauf haben, von ihrem Arbeitgeber die entsprechenden Erklärungen gem. § 46 Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) zu erhalten, die für die Zulassung als Syndikusrechtsanwalt oder –anwältin der regionalen Rechtsanwaltskammer vorzulegen sind.
Beide Verfahren betrafen Gewerkschaftssekretäre. Hatte das BAG noch im Jahr 2018 entschieden, dass ein Volljurist die Entscheidung seines Arbeitgebers akzeptieren muss, für keine Mitarbeiterin oder n Mitarbeiter die Zulassung als Syndikus zu unterstützen (Urt. v. 24.10.2018, Az. 10 AZR 69/18), so war der Fall, über den das BAG nunmehr zu entschieden hatte, nicht so einfach gestaltet.
Im Rechtsschutz tätige Gewerkschaftssekretäre "weisungsabhängig"?
Die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi beschäftigt eine Vielzahl von Volljurist:Innen als sog. Gewerkschaftssekretär:innen, insbesondere im Bereich Rechtsschutz für ihre Mitglieder. Etliche davon, so der Vortrag des klagenden Verdi-Mitarbeiters, hätten die für die Syndikuszulassung erforderlichen Erklärungen erhalten und seien von der Rechtsanwaltskammer auch zugelassen worden.
Doch der Verdi-Landesverband Hessen lehnte es ab, dem Kläger, der seit 2013 bei der Gewerkschaft tätig ist, die entsprechenden Erklärungen abzugeben. Dieser klagte darauf, dass der Arbeitgeber die Unterschrift unter die Formulare der Rechtsanwaltskammer Frankfurt am Main leistete. Die Gewerkschaft lehnte dies ab, der Kläger sei Interessenvertreter und weisungsabhängig beschäftigt, erfülle also nicht die Voraussetzung der fachlichen Unabhängigkeit und Weisungsfreiheit. Zudem sei im Landesbezirk Hessen kein Rechtsschutzsekretär zugelassen. Der Kläger bestritt dies, in Hessen seien noch nach ihm entsprechende Zulassungen erfolgt und bundesweit gebe es etliche Zulassungen von Kolleginnen und Kollegen.
Nachdem das Arbeitsgericht Offenbach der Klage des Mannes stattgegeben hatte, lehnte das Landesarbeitsgericht (LAG) Hessen diese ab, weil es keine Pflicht zu Gleichbehandlung sah. Das BAG hob dieses Urteil jetzt jedoch auf, verwies das Verfahren zurück an das LAG, damit der Sachverhalt weiter aufgeklärt wird.
Nach Auffassung des BAG hat der Kläger schließlich sehr wohl einen Anspruch auf eine arbeitsrechtliche Gleichbehandlung. "Die Beklagte darf nicht willkürlich darüber entscheiden, welchen – vergleichbaren – Mitarbeitern sie eine Zulassung als Syndikusrechtsanwalt ermöglicht und welchen nicht", heißt es zur Begründung. Auch das Argument, dass in den Landesbezirken unterschiedliche Regelungen gelten würden, lassen die Richter nicht gelten. Wenn es bundesweit einheitliche Richtlinien für die Tätigkeit der Gewerkschaftssekretäre im Rechtsschutz gebe, so das BAG, dann spreche viel dafür, die Frage auch bundeseinheitlich gleich zu behandeln. Dies müsse jetzt weiter aufgeklärt werden.
Eine Besonderheit des Falls am Rande: Der Kläger wollte ergänzend auch seine Zulassung als niedergelassener Rechtsanwalt erhalten. Dazu benötigt er aber die sogenannte unwiderrufliche Freistellungserklärung des Arbeitgebers, wonach er jederzeit seine anwaltliche Tätigkeit ausüben dürfe. Auf Grundlage der bei Verdi geltenden "Gesamtbetriebsvereinbarung Nebentätigkeit" beantragte der Jurist die entsprechende Zustimmung zur Nebentätigkeit, jedoch reagierte die Personalabteilung darauf nicht. Aufgrund einer Genehmigungsfiktion in der Vereinbarung musste die Gewerkschaft nunmehr die unwiderrufliche Freistellungserklärung erteilen.
"Verdis erkennbar rechtswidriges Verhalten überrascht"
Insgesamt mag das Verhalten der Gewerkschaft Verdi einigermaßen verwundern: Andere Gewerkschaften unterstützen ausdrücklich die Syndikuszulassung ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die im Rechtsschutz tätig sind. Eine unterschiedliche Behandlung – so das BAG zu Recht – ist rechtswidrig.
Die Entscheidung des BAG bedeutet für nunmehr Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber, dass eine einheitliche Linie bei der Frage der Syndikuszulassung notwendig ist. Gleiche Tätigkeiten müssen gleichbehandelt werden. Und wird einmal eine Syndikuszulassung im Unternehmen unterstützt, so haben auch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die eine vergleichbare Tätigkeit ausüben, ebenfalls einen Anspruch auf die entsprechenden Erklärungen des Arbeitgebers. Gut wäre es, wenn in den Betrieben hierzu einheitliche Regelungen existierten und diese auch offen kommuniziert würden.
Überraschend ist das Urteil des BAG nicht. Erstaunlich ist nur, dass sich ausgerechnet eine Gewerkschaft als Arbeitgeber so erkennbar rechtswidrig verhält. Interessant sind auch die Erklärungen von Verdi zur Weisungsabhängigkeit: Bisher ging man davon aus, dass gerade die in Rechtsschutzfragen tätigen Sekretärinnen und Sekretäre weisungsunabhängig agieren, da sie im Rahmen ihrer Tätigkeit allein die Interessen der Mitglieder vertreten.
Vor diesem Hintergrund sind Syndikuszulassungen für Gewerkschaftsjurist:innen bisher zu Recht immer erteilt worden.
BAG zu Syndikusrechtsanwälten in der Gewerkschaft: . In: Legal Tribune Online, 19.07.2021 , https://www.lto.de/persistent/a_id/45509 (abgerufen am: 06.12.2024 )
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