RVG-Reform: Anwälte dürfen noch lange warten

von Hasso Suliak

07.02.2019

Mehr Geld für Anwälte? Bund und Länder haben es nicht so eilig. Das BMJV wartet auf die Einschätzungen der Länder, ohne die nichts geht. Geantwortet haben bisher vier, manche halten das Vorhaben sogar für erledigt.

Die Anwaltsorganisationen werden offenbar langsam ungehalten, denn beim Thema "Anpassung der Anwaltsgebühren" geht es kaum voran. In einem Brief haben die Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) und der Deutsche Anwaltverein (DAV) sich nun direkt an die 16 Landesjustizminister gewandt und um Gesprächstermine gebeten.

"Wie in allen anderen Berufen sind auch in den Rechtsanwaltskanzleien die Kosten insbesondere für Gehälter, Mieten und die für den laufenden Unterhalt einer Kanzlei erforderlichen Sachmittel gestiegen", heißt es in dem Schreiben. Es bedürfe daher "dringend" einer angemessenen Anpassung des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes (RVG). Eine solche müsse zudem regelmäßig und "in überschaubaren Zeitabständen, zum Beispiel alle vier Jahre" erfolgen, betonte BRAK-Präsident Dr. Ulrich Wessels gegenüber LTO.

Bereits im vergangenen April sind BRAK und DAV im Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz (BMJV) vorstellig geworden und hatten Katarina Barley einen "Forderungskatalog" überreicht. Dieser sieht eine Kombination aus strukturellen Änderungen und einer linearen Anpassung der Gebührentabelle vor. BRAK und DAV verweisen dabei vor allem auf den Anstieg der Tariflöhne von 13 Prozent seit der letzten Gebührenerhöhung für Anwälte im Jahr 2013. Eine lineare Anhebung der Gebührensätze in den Vergütungstabellen sei dringend notwendig, um die Rechtsanwaltskanzleien an der positiven wirtschaftlichen Entwicklung teilhaben zu lassen. Die Vergütung müsse sich an der jährlichen Entwicklung von 2,6 Prozent orientieren, fordern die Anwälte. Bei Verfahren mit mehreren Terminen und einer längeren Dauer seien auch strukturelle Verbesserungen, wie z. B. die Anpassung der Zusatzgebühr erforderlich.

Länder reagieren nur schleppend auf BMJV-Anfrage

Dass sich die Anwaltsverbände nun direkt mit ihrem Schreiben an die Landesjustizminister wenden, hat einen guten Grund. Zwar hatte das BMJV immerhin im September die Landesjustizverwaltungen um Stellungnahme zum Vorschlag von DAV und BRAK aufgefordert. Wie das BMJV jedoch gegenüber LTO bestätigte, lagen ihm Anfang Februar erst vier Stellungnahmen aus den Bundesländern vor.

Doch erst wenn alle Länder ihre Position zu den Wünschen der Anwaltschaft nach Berlin übermittelt haben, will man sich im BMJV dem Vorhaben – für das man als solches "Verständnis" habe - konkreter widmen, so eine Sprecherin. Bis die Stellungnahmen aller Bundesländer in Berlin eintreffen, könnte es jedoch noch dauern – falls überhaupt alle Länder liefern werden.

Denn mit einer Stellungnahme aus dem Bundesland Hessen muss das BMJV offenbar gar nicht mehr rechnen. Hessens Justizsprecher Rene Brosius sagte zu LTO, man betrachte die Anfrage des BMJV zu den Wünschen der Anwaltschaft mit der erfolgten Einigung zwischen Bund und Ländern auf den Pakt für den Rechtsstaat als "erledigt".

So habe man sich im Rahmen dieser Einigung doch auch unter den Ministerpräsidenten auf eine Anpassung der Anwaltsvergütung verständigt. Indes: Aus dem Abschlusspapier zum Pakt ergibt sich diese Interpretation Hessens nicht. Die Anwaltsgebühren sind darin mit keinem Wort erwähnt - auch die BRAK als Dachverband weiß davon nichts.

RVG-Reform ohne Priorität?

Dass sich die Sache in den meisten anderen Ländern hinzieht, liegt auch an einer fehlenden Vorgabe seitens des BMJV. Wie der Sprecher des Justizministeriums in Brandenburg, Dr. Uwe Krink, gegenüber LTO bestätigte, habe das BMJV den "beachtlichen Forderungskatalog" von BRAK und DAV zur Änderung des RVG "entgegen den üblichen Gepflogenheiten ohne eine Fristsetzung übersandt". Dies deute in der Regel auf eine "nicht prioritäre Einstufung" hin, so der Sprecher.

Ansonsten aber findet aktuell in Brandenburg – wie in vielen anderen Bundesländern auch – zum Forderungskatalog der Anwälte eine Praxisabfrage bei allen Gerichtsbarkeiten der Länder statt. Erst nach Eingang dieser Informationen wird sich etwa Niedersachsens Ministerium gegenüber dem BMJV zu den Wünschen der Anwaltschaft äußern. Dass das noch einige Zeit in Anspruch nehmen kann, erläutert ein Sprecher des Justizministeriums in Hannover: "Der Vorschlagskatalog enthält nicht nur die Forderung nach einer linearen Erhöhung der Rechtsanwaltsgebühren, sondern daneben 28 strukturelle Vorschläge für eine Änderung des RVG, von denen einige neben der ordentlichen Gerichtsbarkeit auch die Fachgerichte und die Staatsanwaltschaften betreffen. Es war deshalb eine breite Praxisbeteiligung erforderlich." Abzuwarten bleibe, welche der Vorschläge mit welchem Finanzvolumen tatsächlich in einen Gesetzentwurf einfließen werden.

Steigen auch die Gerichtskosten?

Die wahre Sorge vieler Länder dürfte aber ganz woanders begründet liegen. Denn die Anpassung der Anwaltsvergütung wird laut der zuständigen Berichterstatterin der SPD-Bundestagsfraktion, Esther Dilcher, "erhebliche finanzielle Auswirkungen auf die Länder" haben. Eine Erhöhung der Rechtsanwaltsgebühren wirke sich auf die Kosten aus, die die Länder im Falle von Prozesskostenhilfe oder Verfahrenskostenhilfe übernehmen müssen.

Die Anwaltsorganisationen selbst halten diesen Kostenaspekt aber offenbar für weniger entscheidend. Im Gegenteil: Es sei nicht davon auszugehen, dass eine RVG-Anpassung für die Länder tatsächlich zu Mehrausgaben führen werde. "Eine Gebührenanpassung um beispielsweise 15 Prozent würde über die Umsatzsteuer im Gegenteil zu ganz erheblichen Mehreinnahmen bei den Ländern führen", meint DAV-Präsident Ulrich Schellenberg. Bei den Gesprächen mit den Ländern wolle man außerdem "deutlich machen, dass eine Vergütungsanpassung nicht mit einer Erhöhung der Gerichtskosten einhergehen darf", so Schellenberg.

Eine Sichtweise, die das große Flächenland Baden-Württemberg – eines von vier Ländern, die ihre Stellungnahme zügig ans BMJV versandt hatten – allerdings entschieden ablehnt: "In unserer Stellungnahme haben wir zum Ausdruck gebracht, dass sich eine Anpassung der Rechtsanwaltsgebühren auch in einer Anpassung der Gerichtsgebühren widerspiegeln müsse", sagt Ministeriumssprecher Dr. Steffen Tanneberger.

Zugang zum Recht könnte für Bürger teurer werden

Erhöhung der Anwaltsgebühren und zusätzlich auch eine Erhöhung der Gerichtskosten? Für den rechtsuchenden Bürger dürfte sich so oder so der Zugang zum Recht nach den Plänen verteuern, zumal auch die Rechtsschutzversicherer im Falle höherer Gebühren höhere Prämien verlangen dürften. Dr. Thomas Lämmrich, Leiter der Abteilung Rechtsschutzversicherung im Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft, warnt gegenüber LTO bereits vor einer "Einschränkung der rechtlichen Interessenwahrnehmung für den rechtssuchenden Bürger". Lämmrich zufolge müsste das anwaltliche Gebührenrecht unter anderem veränderten anwaltlichen Geschäftsmodellen Rechnung tragen.  Bei industriellen Mandatsbearbeitungen sollte eine Gebührenminderung ins Kostenrecht aufgenommen werden.

Vielleicht sind all diese Bedenken auch ein Grund, warum das BMJV, das nicht nur für Justiz, sondern auch für Verbraucherschutz zuständig ist, das Vorhaben nicht im allerhöchsten Tempo angeht.

Immerhin: Während das zuständige Bundesministerium und die Länder zaudern, stehen die Rechtspolitiker aller sechs Bundestagsfraktionen geschlossen an der Seite der Anwaltschaft: Auf LTO-Anfrage betonten alle unisono und mehr oder weniger wortgleich: Rechtsanwälte kämpften tagtäglich für die Rechte des Einzelnen und seien eine zentrale Säule des Rechtsstaates. Sie verdienten daher eine angemessene Bezahlung.

Zitiervorschlag

RVG-Reform: . In: Legal Tribune Online, 07.02.2019 , https://www.lto.de/persistent/a_id/33741 (abgerufen am: 04.11.2024 )

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