Noch eine Kammer entzieht der BRAK ihr Vertrauen. Die Anwälte im Saarland wollen Verantwortlichkeiten für das beAGate klären, externe Prüfer zuziehen sowie eine Ende-zu-Ende-Verschlüsselung - alles eine Woche vor der Hauptversammlung.
Das besondere elektronische Anwaltspostfach (beA) sorgt weiter für Unmut. Die saarländischen Anwälte haben bei ihrer Kammerversammlung am Mittwoch beschlossen, den Vertreter der Rechtsanwaltskammer (RAK) in der Hauptversammlung der Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) zu beauftragen, "das Missfallen der saarländischen Anwaltschaft über die Handhabung der sicherheitsrelevanten Vorgänge beim beA" zu artikulieren.
Bei Unmutsbekundungen soll es aber nicht bleiben: Die Saarländer fordern eine Konsequenz, die so noch von keiner anderen Kammer gezogen wurde. Ihr Vertreter in der am kommenden Freitag stattfindenden Hauptversammlung soll der BRAK die Entlastung für das Geschäftsjahr 2017 verweigern.
Die zeichnet verantwortlich für das beA, das die verantwortliche BRAK vor Weihnachten wegen Sicherheitslücken vom Netz nehmen musste. Für ihre Vorgehensweise sowie ihre Kommunikation wird die BRAK seit Monaten massiv kritisiert. Auch die Vorbemerkung zu den Anträgen aus Saarbrücken, die LTO vorliegt, bezeichnet Vorgehen und Kommunikation der BRAK als unprofessionell und hält sich auch sonst mit Kritik nicht zurück. Die Saarländer wollen zudem Rechenschaft über die Vergangenheit und externe Prüfung für die Zukunft des beA. Eine Woche vor der Hauptversammlung der BRAK, deren Tagesordnung sich nach LTO-Informationen ohnehin wegen zweier Anträge aus Berlin kurzfristig geändert hat, kommen die deutlichen Unmutsbekundungen für die BRAK zur Unzeit.
RAK Saarland: Vergangene Verantwortlichkeiten klären, künftige Expertise sichern
Die saarländischen Anwälte verlangen Aufarbeitung der Vergangenheit. Sie wollen ein unabhängiges Untersuchungsgremium eingesetzt sehen, "das die Verantwortlichkeiten im Zusammenhang mit der Ausschreibung, der Vergabe und den vertraglichen Regelungen zur Programmierung des besonderen elektronischen Anwaltspostfachs klärt und diesbezüglich den Mitgliedern der Hauptversammlung der Bundesrechtsanwaltskammer Bericht erstattet."
Für die Zukunft soll der saarländische Vertreter beantragen, dass die BRAK verpflichtet werden soll, nach der Übergangszeit von einem Jahr sicherzustellen, dass eine echte Ende-zu-Ende-Verschlüsselung im beA gewährleistet ist, die unberechtigte Zugriffe Dritter ausschließt. Und schließlich soll die BRAK im laufenden Betrieb kontinuierlich den zuständigen Ausschuss für IT und IT-Sicherheit des Deutschen Anwaltvereins (DAV) zur Beratung hinzuziehen und durch regelmäßige externe Prüfungen auch in Zukunft sicherzustellen, dass die Sicherheit des beA dem jeweiligen Stand der Technik entspricht.
Darüber hinaus wurden auch Anträge angenommen, die bereits in anderen Kammerversammlungen, wie in Berlin gestellt wurden. Die Berliner Anwälte fordern eine Offenlegung der Quellcodes des Systems und eine Kompatibilität mit allen aktuellen Betriebssystemen.
Nach LTO-Informationen wurde die ohnehin schon volle Tagesordnung für die Hauptversammlung am Freitag, den 27 April, wegen dieser Anträge geändert. Dort finden sich nun auch die Anträge der Berliner Anwälte zum "Umgang mit der Vertrauenskrise" sowie die Forderung nach einer Offenlegung aller Quelltexte. Bisher bezieht die BRAK dazu nicht final Stellung, man prüfe aktuell, ob und was offen gelegt werde.
Verweigerte Entlastung: Nur ein Symbol, aber ein starkes
In der Hauptsache aber wird es am Freitag um den Haushalt 2017 gehen. In der Regel stellt die BRAK den Haushaltsabschluss einschließlich des Berichts eines Wirtschaftsprüfers vor, einer der Präsidenten der lokalen Kammern beantragt dann die Entlastung der BRAK. Und in aller Regel wird diese erteilt.
Würde die BRAK nicht entlastet, hätte das keine unmittelbare rechtliche Konsequenz. Der Auftrag der Saarländer Anwälte an ihre Repräsentanten in der Hauptversammlung ist also eher ein symbolischer Akt, zumal aus der mit 1.443 Mitglieder ohnehin eher kleinen Kammer nur rund 70 Anwälte an der Kammerversammlung teilgenommen haben. In der Auswirkung aber spielt das keine Rolle. Ihre Botschaft ist durchaus symbolträchtig. Eine verweigerte Entlastung wäre ein Ausdruck erheblichen Misstrauens der regionalen Kammern – und damit der sie beauftragenden Anwälte - in ihre Dachorganisation.
Für 2018 haben alle Kammern die beA-Umlage, welche die Anwälte seit Jahren an die BRAK zahlen, bei den Anwälten abgefordert und an die BRAK weitergeleitet. Einige von ihnen haben sich nach LTO-Informationen jedoch Rückzahlungsansprüche vorbehalten, je nachdem, wie es mit dem beA weitergeht.
Das ist weiterhin offen. Ein externes Sicherheitsunternehmen untersucht derzeit die Sicherheitslücken, auf die gutwillige Experten die BRAK in den vergangenen Monaten hinwiesen. Nach einem vorläufigen Zwischenbericht hat Secunet dabei keine Fehler gefunden, die den grundlegenden Aufbau des beA-Systems in Frage stellen, teilte die BRAK am 15. April mit. Nach LTO-Informationen soll das System nach aktuellem Stand der Dinge mehr als 20 Lücken aufweisen, davon 12 gravierender Art. Dienstleister Atos ist mit deren Beseitigung beschäftigt, das geschieht parallel zur Erstellung des Gutachtens von Secunet.
Den vorläufigen Zwischenbericht gibt die BRAK nicht heraus, nach eigenen Angaben, "um Risiken z. B. für die IT-Sicherheit der Anwaltschaft auszuschließen, wie sie insbesondere bei nicht erfolgter Deinstallation älterer Versionen der beA-Client Security auf den Rechnern der Nutzer entstehen könnten." Wann das System wieder online gehen kann, ist nicht klar. Sicher ist nur, dass das nicht vor Juni geschehen wird.
Pia Lorenz, Wegen beA: . In: Legal Tribune Online, 20.04.2018 , https://www.lto.de/persistent/a_id/28209 (abgerufen am: 12.12.2024 )
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