Wer als Jurist an eine Kanzlei ausgeliehen ist und für diese nach außen auftreten soll, kann weder als Rechtsanwalt noch als Syndikus zugelassen werden. Das stellte der BGH jetzt in einem Grundsatzurteil klar. Martin W. Huff erläutert.
Es ist ein wachsender Markt: Unternehmen, die in Deutschland tätig sind, verfügen über eine Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung. Sie stellen bei sich die Projektjuristen an und verleihen diese an die Kunden. Diese sind neben Unternehmen und kleineren Kanzleien auch Großkanzleien. Diese wiederum beschäftigen die ausgeliehenen Juristen gerne im Back-Office, also zur Zuarbeit für die Rechtsanwälte, damit diese Massenverfahren wie etwa die Prozesse um den Dieselskandal überhaupt angemessen bearbeiten können. Nicht vorgesehen war bisher, dass die Projektjuristen als zugelassene Rechtsanwälte nach außen für die entleihende Kanzlei auftreten.
Doch genau dies wollte die Großkanzlei Taylor Wessing jetzt zusammen mit einem Volljuristen – wohl als Musterprozess – durchsetzen: Der Antragsteller, angestellt bei dem verleihenden Unternehmen, beantragte bei der Rechtsanwaltskammer (RAK) Düsseldorf seine Zulassung als niedergelassener Rechtsanwalt. Er gab an, seine Kanzlei bei einem Kollegen einrichten zu wollen. Zudem legte er einen Arbeitsvertrag mit einem Verleihunternehmen vor, dass ihn als Projektjuristen beschäftigen und an Kunden verleihen will. Als Stundenlohn war ein Tarifgehalt von 21,71 Euro brutto vereinbart, was bei rund 160 Stunden im Monat ein Gehalt von circa 3.500 Euro brutto bedeutet.
Der Antragsteller teilte auch mit, dass ihn sein Arbeitgeber an Taylor Wessing ausleihen wollte. Dort sollte er nicht nur zuarbeiten, sondern auch nach außen für die Kanzlei auftreten und unter anderem auch in deren Namen Gerichtstermine für die Mandanten wahrnehmen. Als der Antragsteller nicht bereit war, auf diese Möglichkeit zu verzichten und auch die Großkanzlei diese Erklärung nicht abgeben wollte, lehnte die RAK Düsseldorf die Zulassung ab.
RAK: Arbeitnehmerüberlassung mit Anwaltsberuf nicht vereinbar
Die Kammer vertrat die Auffassung, dass eine Rechtsanwältin oder ein Rechtsanwalt nur in bestimmten Konstellationen als angestellter Rechtsanwalt bzw. Rechtsanwältin tätig werden darf: Entweder angestellt in einer Kanzlei oder in sozietätsfähigen Zusammenschlüssen, z. B. mit Wirtschaftsprüferinnen und Steuerberatern. Oder seit der Neuregelung 2016 als Syndikusrechtsanwalt mit einer Zulassung für die konkrete Arbeitgeberin in Unternehmen oder Verbänden/Vereinen. Die entsprechenden Regelungen in § 46 Abs. 1 und 2 Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) seien insoweit abschließend. Die nunmehr vom Antragsteller geplante Tätigkeit als an eine Kanzlei ausgeliehener Rechtsanwalt in einem Dreiecksverhältnis Arbeitnehmer – Arbeitgeber – Entleiher sei in der BRAO jedoch nicht vorgesehen. Die Arbeitnehmerüberlassung sei mit dem Anwaltsberuf unvereinbar und damit die Zulassung nach § 7 Satz 1 Nr. 8 BRAO zu versagen.
Eine von dem Projektjuristen dagegen erhobene Klage hatte im Januar 2021 bereits der Anwaltsgerichtshof Nordrhein-Westfalen abgewiesen. Die möglichen Angestelltentätigkeiten einer Rechtsanwältin oder eines Rechtsanwalts habe der Gesetzgeber im Zuge der Neuregelung des Rechts der Syndikusanwälte abschließend geregelt, so das Gericht. Ein Außenauftritt für die Kanzlei wie ein angestellter Rechtsanwalt, der aber gerade nicht bei der Kanzlei angestellt ist, sei gesetzlich nicht vorgesehen.
BGH: Dreiecksverhältnis gewährleistet keine Rechtsklarheit
Diese Ansicht hat nunmehr mehr als zwei Jahre später auch der Anwaltssenat des Bundesgerichtshofs in einer jetzt an die Parteien zugestellten und LTO vorliegenden Grundsatzentscheidung ausdrücklich bestätigt (Urt. V. 20.3.203, AnwZ [Brfg 12/21]). Er stellt in seinem ausführlichen Urteil mit knapp 100 Randnummern auf 41 Seiten klar, dass eine Zulassung in der hier vorliegenden Fallkonstellation weder als Rechts- noch als Syndikusrechtsanwalt möglich ist.
Als Rechtsanwalt nicht, weil die Konstellation im Dreiecksverhältnis Rechtsanwalt – Verleiher – entleihende Kanzlei dazu führen könnte, dass Interessenkollisionen entstünden und keine entsprechende Rechtsklarheit gegeben sei. Auch Mandanten würden diese besondere Konstellation mit ihren Gefahren nicht erkennen. Schließlich bestünde auch in der Praxis keine wirkliche Notwendigkeit, diesen Weg zu gehen. Sei ein Außenauftritt für die Kanzlei gewünscht, könne dieser auch im Wege befristeter Beschäftigungsverhältnisse oder auch durch Tätigkeiten in Untervollmacht, etwa bei der Wahrnehmung von Gerichtsterminen, erreicht werden.
Bei seinen Erwägungen wird der Anwaltssenat sehr grundsätzlich. Ausdrücklich fest hält er dabei an dem Berufsbild des freien und unabhängigen Rechtsanwalts. Aber der Gesetzgeber habe mit dem Syndikusgesetz 2016 klargestellt, dass es nur zwei Möglichkeiten der angestellten Tätigkeit gebe. In einer Kanzlei oder als Syndikusrechtsanwalt.
Dabei sei der Begriff des Arbeitgebers funktional zu verstehen, nämlich bezogen auf denjenigen, der die arbeitsrechtliche Stellung hat. Der Senat verweist dazu umfangreich auf die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts. Eine Ausdehnung dahingehend, dass die entleihende Kanzlei als Arbeitgeber angesehen werden könne, sei nicht möglich und auch nicht notwendig. Dagegen bestünden auch keine verfassungsrechtlichen Bedenken.
Der Anwaltssenat stellt ausdrücklich klar, dass die Tätigkeit bei dem verleihenden Unternehmen mit einer Tätigkeit in der entleihenden Kanzlei ohne Außenauftritt zulässig ist. Dafür könne der Antragsteller seine Zulassung als niedergelassener Rechtsanwalt erhalten. Die Tätigkeit im sogenannten Back-Office sei dann mit der Zulassung vereinbar, weil keine Interessenkonflikte auftreten könnten.
Obiter dictum zur Zulassung als Syndikus
Aber auch eine Zulassung als Syndikusrechtsanwalt, so das Gericht, sei nicht möglich. Dafür sei nach § 46 Abs. 2 bis 5 BRAO erforderlich, dass der Antragsteller überwiegend in Rechtsangelegenheit seines Arbeitgebers tätig werde. Dies sei aber hier – egal ob mit Außenauftritt oder ohne – nicht gegeben. Denn der Antragsteller würde für einen Dritten, die entleihende Kanzlei und die Mandanten der Kanzlei tätig, nicht aber für seinen eigenen Arbeitgeber und dies zu 100 Prozent seiner Arbeitszeit. Damit könne auch hier die seit August 2022 in § 46 Abs. 6 BRAO eröffnete Möglichkeit, zu einem Drittel der Arbeitszeit Dritte zu beraten, nicht greifen. Obwohl nicht beantragt, hat der BGH dies in einem obiter dictum entschieden.
Der Senat betont auch, dass das Thema der Projektjuristen seit langem bekannt sei. Wenn der Gesetzgeber hier etwas hätte regeln wollen, hätte er dies getan, so das Gericht. Aber genau das sei eben nicht passiert.
Im Übrigen, so der BGH, bedeute die Versagung der Zulassung auch keinen Verstoß gegen Art. 12 Grundgesetz, da dem Antragsteller die Berufsausübung nicht generell, sondern nur in der gewählten Konstruktion aus Gründen des Gemeinwohls untersagt wird. Daher durfte die Anwaltskammer eine entsprechende Erklärung von dem Antragsteller und dem Entleiher verlangen.
Senat hält an überkommenem Berufsbild fest
Das Urteil des BGH sorgt für wünschenswerte Klarheit. Auf der einen Seite ist es Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten unbenommen, im Wege der Leiharbeit in Unternehmen und Kanzleien tätig zu werden, etwa um die eigene Kanzlei aufzubauen oder aber um in Projekten Erfahrungen zu sammeln, oft verbunden mit der Hoffnung, dauerhaft dort tätig werden zu dürfen. Dies allerdings nicht als Rechtsanwalt in Namen des Unternehmens oder der Kanzlei, sondern nur als Zuarbeiter.
Auf der anderen Seite muss es klar sein, in welchem konkreten Rechtsverhältnis ein Angestellter tätig wird. Dies geht nur im Status eines in § 46 BRAO vorgesehenen Angestelltenverhältnisses. Warum die Großkanzlei diesen Weg nicht gehen wollte, ist nicht so richtig erklärlich.
Streiten kann man auch darüber, dass eine Syndikuszulassung versagt wurde. Da der BGH aber seit langem eine strenge Linie bei dem Begriff „Rechtsangelegenheiten des Arbeitgebers“ vertritt, bleibt er auch hier konsequent bei seiner restriktiven Linie.
Bedauerlich an dem Urteil ist einzig, dass der BGH sehr deutlich an dem Leitbild des unabhängigen und freien Rechtsanwalts ohne ein Anstellungsverhältnis festhält. Der Anwaltsmarkt zeigt ein anderes Bild. Von den zugelassenen Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten dürften heute 50 Prozent in Kanzleien angestellt sein, 25 Prozent sind als Syndizi tätig und nur noch 25 Prozent sind Inhaber oder Sozien. Hier hält der Senat an einem überkommenen Berufsbild fest.
BGH zur Arbeitnehmerüberlassung von Juristen: . In: Legal Tribune Online, 08.06.2023 , https://www.lto.de/persistent/a_id/51948 (abgerufen am: 05.12.2024 )
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