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30. Deutscher Notartag in Hamburg: "Vor­reiter der Digi­ta­li­sie­rung"

von Hasso Suliak

31.05.2021

Prof. Dr. Jens Bormann, Präsident der Bundesnotarkammer

(c) Christina Czybik

Auf dem Notartag versprechen die Berufsträger, die Entwicklung von IT-Verfahren in der Rechtspflege voranzutreiben – ohne dabei Einbußen bei der Rechtssicherheit in Kauf zu nehmen. Von der Politik gibt es dafür jede Menge Schulterklopfen.

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Der Bundespräsident, die Bundesministerin für Justiz und Verbraucherschutz (seit kurzem auch Familienministerin), die Justizsenatorin des Landes Hamburg, ein Staatsminister aus dem Bundeskanzleramt sowie diverse Bundestagsabgeordnete: Über mangelnde politische Aufwartung mussten sich die deutschen Notar:innen am Freitag auf dem 30. Deutschen Notartag wahrlich nicht beklagen.

Verwundern mag das nicht: Keinem anderen juristischen Berufsstand wird so oft von der Politik bescheinigt, er übe eine Vorreiterrolle bei der Digitalisierung aus. Und so bekräftigten die Notrar:innen auch auf ihrem 30. Zusammentreffen - ausgerichtet diesmal in Hamburg als hybride Veranstaltung unter dem Motto "Das Notariat der Zukunft – digital und rechtssicher" - ihren Ruf, der ihnen schon lange vor der Coronakrise anhaftete: Nämlich Motor zu sein bei der Digitalisierung der vorsorgenden Rechtspflege.

Ob elektronisches Handelsregister, elektronischer Rechtsverkehr in Grundbuchsachen, zentrales Vorsorge- und Testamentsregister oder bald auch das elektronische Urkundenarchiv: Die Arbeit der Notar:innen wird immer digitaler und das Ende dieser Entwicklung scheint nicht absehbar. Laut des Präsidenten der Bundesnotarkammer (BNotK), Prof. Dr. Jens Bormann, arbeiten Notarinnen und Notare zwar heute bereits weitgehend digital, aber in Zukunft eben noch digitaler. "Die dafür nötige digitale Infrastruktur hat inzwischen beachtliche Ausmaße angenommen und wird schon nächstes Jahr neue Dimensionen erreichen", so Bormann.

GmbH-Gründung bald vollständig digital möglich

Die von Bormann angesprochenen "neuen Dimensionen" könnten am Ende tatsächlich dazu führen, dass sich die auf Notarleistungen angewiesenen Bürger:innen künftig den Gang zum Notar komplett sparen können.

Im Bereich von Start-Up-Gründungen soll es nach einem Gesetzentwurf der Bundesregierung bereits sehr bald massive Erleichterungen geben: So ist geplant, die Gründung einer GmbH, der für Startups wichtigsten Rechtsform, vollständig zu digitalisieren. Nach dem Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Digitalisierungsrichtlinie soll es ab Mitte 2022 möglich werden, eine GmbH in einem laut BNotK-Präsident "hochsicheren Videokonferenzverfahren" mit einer Notarin oder einem Notar papierlos online zu gründen. Zusätzlich sollen Anmeldungen zum Handelsregister digital werden.

Dass die innerstaatliche Umsetzung der EU-Vorgabe, bis nächstes Jahr für bestimmte Kapitalgesellschaften die vollständige Gründung im Online-Verfahren zu ermöglichen, noch im Juni vom Deutschen Bundestag beschlossen werden könnte, hat noch Worten von Bundesjustizministerin Christine Lambrecht offenbar auch viel damit zu tun, dass der fachliche Austausch zwischen der Fachebene des BMJV und der BNotK ziemlich reibungslos verläuft: "Ein solches Vorhaben kann nur gelingen, wenn Gesetzgeber und Notarinnen und Notare vertrauensvoll zusammenarbeiten", so Lambrecht. Für die Ministerin ist das GmbH-Projekt "eines mit Pioniercharakter”, rechtlich überaus anspruchsvoll und von großer Sensibilität. "Denn die Sicherheit und Integrität des notariellen Beurkundungsverfahrens ist von überragender Bedeutung für unsere Rechtsordnung."

Notar als "One-Stop-Shop"

Bormann möchte es bei diesem Gesetzesvorhaben allerdings nicht bewenden lassen, seine Blicke richten sich auf eine noch digitalere Zukunft: "Zur Stärkung des Startup-Standorts Deutschland schlagen wir vor, den Gründungsvorgang beim Notar als One-Stop-Shop zu bündeln. Ganz egal, ob es die Eröffnung eines Geschäftskontos oder die Anmeldung zum Gewerberegister ist: die zahlreichen Einzelschritte sollten durch die Notariate im Hintergrund für die Gründerinnen und Gründer erledigt werden können, damit diese sich auf ihren Business Case konzentrieren können."

Dazu, so Bormann, müssten vor allem die Banken, aber auch die Verwaltung, etwa die Gewerbeämter, Berufsgenossenschaften, Steuerbehörden und die Bundesagentur für Arbeit über das Online-Zugangsgesetz mit dem Notariat digital verbunden werden.

Hinsichtlich notarieller Urkunden wird die Abkehr von der Papierform schon bald Realität: Am 1. Januar 2022 geht das Elektronische Urkundenarchiv an den Start. Dieses wird bei der BNotK eingerichtet und dort laut Bormann die sichere Aufbewahrung der Urkunden "mittels modernster kryptografischer Verfahren" für 100 Jahre garantieren. Alle neuen Urkunden werden dann vom Notar digitalisiert, qualifiziert elektronisch signiert und verschlüsselt in einer "elektronischen Urkundensammlung" abgelegt. Papierurkunden können nach einem Übergangszeitraum von 30 Jahren vernichtet werden. Leeren dürften sich deshalb bald so manche Regale in den Amtsgerichten: Ihre ihnen aktuell obliegende Aufgabe der Urkundenverwahrung fällt komplett weg.

Weitere Entlastungen vom "Papierkram" müsse es den politischen Redebeiträgen auf dem Notartag zufolge in der kommenden Legislaturperiode geben: So sprach sich Dr. Hendrik Hoppenstedt (CDU), Staatsminister im Bundeskanzleramt, dafür aus, nach der kommenden Bundestagswahl weitere nutzerfreundliche Angebote auf den parlamentarischen Weg zu bringen, "damit möglichst kein Erscheinen bei der Behörde mehr notwendig ist und keiner mehr Urkunden vorbeibringen muss".

Grundstücksgeschäfte bald nur noch digital?

Eines dieser Vorhaben, die Hoppenstedt im Auge hat, ist die digitalen Abwicklung von Immobilienkaufverträgen. Hierzu laufen bereits die nötigen Vorarbeiten zwischen Politik, Verwaltung und BNotK: Mit dem Projekt eNoVA (elektronischer Notar-Verwaltungsaustausch) wird das Ziel verfolgt, die Abwicklung von Grundstücksgeschäften zwischen Notarinnen und Notaren und den beteiligten Verwaltungsstellen vollständig zu digitalisieren. Die Projektgruppe aus BMJV, Bundeskanzleramt, Statistischem Bundesamt, Nationalem Normenkontrollrat und BNotK hat hierzu bereits ein Praxisprojekt durchgeführt. "Die Notarinnen und Notare würden damit zukünftig auch im Immobilienbereich zum digitalen One-Stop-Shop", freut sich Bormann.

Dass bei aller Digitalisierungseuphorie aber hin und wieder auch Grenzen beachtet werden müssten, ist den Beteiligten wohl bewusst. Die Hamburger Justizsenatorin Anna Gallina warnte auf dem Notartag etwa davor, alles, was möglich ist, auch wirklich umzusetzen: "Die Aufgeschlossenheit gegenüber digitalen Lösungen und die Auseinandersetzung mit deren Vor- und Nachteilen müssen für uns stets an erster Stelle stehen". Schließlich gelte es, durch die Digitalisierung einen echten Mehrwert für alle beteiligten Stellen zu generieren.

"Das Streben nach Digitalisierung und der Vereinfachung von Prozessen ist richtig und wichtig. Es darf allerdings nicht vergessen werden, die gefundenen Lösungen auch rechtssicher zu gestalten", so Gallina.

BNotK: Kontrolle der Schlüsseldaten beim Staat

Bei den Notar:innen treffen die Rufe nach Rechtssicherheit auf Wohlwollen: Beim Fortschreiten der Digitalisierung komme es, so BNotK-Präsident Bormann, weniger darauf an, welche bestimmte Technik zum Einsatz kommt, ob also etwa das Grundbuch auf Blockchain oder auf Datenbankbasis geführt werde. Entscheidend sei vielmehr, wer die Technik kontrolliert und die Kontrolle über den Zugang hat, wer die Speicherung und die Veränderung von Daten sicherstelle.

Die Kontrolle über Schlüsseldaten für den Rechts- und Wirtschaftsverkehr müsse unter der Kontrolle des Staates oder vertrauenswürdiger staatlich kontrollierter Intermediäre wie der Notarinnen und Notare bleiben, fordert Bormann. Alles andere sei ein Ausverkauf staatlicher Kernfunktionen und erschütterte die Grundfesten des freiheitlich-demokratisch verfassten Rechtsstaats.

Der Unterstützung seitens der Politik für diese Linie dürfte sich die von ihm geführte Kammer wohl sicher sein. Denn wer will es sich schon mit den "Digitalisierungs-Vorreitern" verscherzen.

"Wenn wir weiterhin so konstruktiv zusammenarbeiten, werden wir gewiss auch die anderen Herausforderungen bewältigen, die bei der Digitalisierung des Notariats noch vor uns liegen", zeigte sich Ministerin Lambrecht überzeugt.

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30. Deutscher Notartag in Hamburg: . In: Legal Tribune Online, 31.05.2021 , https://www.lto.de/persistent/a_id/45084 (abgerufen am: 17.06.2025 )

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