Mehr Rechtssicherheit für Inkasso-Unternehmen, die Rechtsdienstleistungen anbieten und Erfolgshonorare für Anwälte: Die GroKo hat beim Legal-Tech-Gesetz eine Einigung erzielt. Noch im Juni soll das Gesetz im Bundestag verabschiedet werden.
Einigung in letzter Minute: Das umstrittene Legal-Tech-Gesetz, das offiziell "Gesetz zur Förderung verbrauchergerechter Angebote im Rechtsdienstleistungsmarkt" heißt, soll noch in dieser Wahlperiode im Bundestag verabschiedet werden. Wie Rechtspolitiker von Union und SPD gegenüber LTO bestätigten, einigte sich die Koalition auf diverse Änderungen im Vergleich zum Ursprungsentwurf, das Gesetzgebungsverfahren soll noch in dieser Legislatur abgeschlossen werden.
Der ursprüngliche Regierungsentwurf war im Rahmen einer Anhörung im Rechtsausschuss des Bundestages kürzlich äußerst kontrovers diskutiert worden. Vor allem die Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) hatte sich massiv gegen die im Entwurf vorgesehenen Erfolgshonorare für die Anwaltschaft oder auch rechtssicherere Rahmenbedingungen für Legal-Tech Unternehmen, die Rechtsdienstleistungen anbieten, ausgesprochen. Beides soll es nun aber gleichwohl – wenn auch mit gewissen Änderungen und wohl auch Zugeständnissen an die BRAK – geben.
Keine Aufspaltung des Gesetzes
Vom Tisch ist damit auch die von einigen erwartete Aufspaltung des Vorhabens in einen Teil zu Legal-Tech-Inkassodienstleistern und einen, der die Anwaltschaft betrifft und der wegen der heftigen Kontroversen erst in der kommenden Wahlperiode hätte neu diskutiert werden sollen. Allerdings wird das Gesetz nun auch nicht, wie ursprünglich von der SPD favorisiert, in unveränderter Form verabschiedet. Wichtige Veränderungen, auf die man sich dem Vernehmen nach am Montag in einer Arbeitsgruppe verständigt hat, betreffen vor allem die Anwälte und Anwältinnen.
Ziel des Legal-Tech-Gesetzes ist es grundsätzlich, mehr Chancengleichheit zwischen Legal Tech-Anbietern und Anwaltschaft zu schaffen. Viele Anwältinnen und Anwälte beklagen schon seit längerem ungleiche Wettbewerbsbedingungen zwischen ihnen und Start-Up-Unternehmen, die, wie zum Beispiel die Betreiber von wenigermiete.de oder flightright.de, Rechtsdienstleistungen für Verbraucher:innen anbieten und dabei an anwaltliches Berufsrecht grundsätzlich nicht gebunden sind. Das Gesetz reagiert nunmehr auf diese Schieflage, indem entsprechende Widersprüche zwischen dem Inkassorecht im Rechtsdienstleistungsgesetz (RDG) und dem Anwaltsrecht in der Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) und dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) beseitigt werden.
Erfolgshonorar ja, aber keine Prozessfinanzierung
Gelockert wird nunmehr definitiv das Verbot für die Anwaltschaft nach § 49a BRAO, Erfolgshonorare zu vereinbaren. Anwält:innen dürfen diese künftig bei außergerichtlichen und gerichtlichen Mandaten bei allen Geldforderungen bis 2.000 Euro verlangen. Im Vergleich zum Vorentwurf aber mit Einschränkungen: "Erfolgshonorare dürfen zukünftig in bestimmten Fällen nicht vereinbart werden, nämlich dann, wenn es um unpfändbare und damit in der Regel höchstpersönliche Forderungen wie etwa familienrechtliche Ansprüche geht", so CDU-Rechtspolitiker Jan Marco Luczak.
Um Waffengleichheit mit den Inkassodienstleistern nach dem RDG herzustellen, sollte ursprünglich der Anwaltschaft in diesem Bereich auch die Prozessfinanzierung erlaubt werden. Das ist nun aber offenbar auf Druck der BRAK aus dem Gesetz gestrichen worden: "Rechtsanwälte müssen auch künftig als Organe der Rechtspflege den Interessen ihrer Mandanten verpflichtet bleiben und unabhängigen Rechtsrat erteilen. Das haben wir sichergestellt, indem wir die im Gesetzentwurf vorgesehene Möglichkeit der Prozessfinanzierung gestrichen haben", bestätigte Luczak.
Auch der SPD-Abgeordnete Karl-Heinz Brunner zeigte sich gegenüber LTO zufrieden: "Die Prozessfinanzierung und das Erfolgshonorar sind – zurecht – sensible Themen, für die wir einen tragfähigen Kompromiss gefunden haben. Erfolgshonorare dürfen nun u.a. bei Forderungen bis 2.000 Euro, aber nicht bei höchstpersönlichen Forderungen vereinbart werden."
SPD: "Anwaltliche Core Values bleiben gewahrt"
Brunner zufolge sei es Anwältinnen und Anwälten im außergerichtlichen Verfahren, "wo die meisten Fälle abgewickelt werden" fortan möglich, "nun ebenfalls den Verbraucherinnen und Verbrauchern interessante Beratungsmodelle anzubieten". Zum anderen, so Brunner, blieben auch die anwaltlichen Core values gewahrt: "Da im Gerichtsverfahren das finanzielle Risiko steigt, halten wir eine finanzielle Interessentrennung durch das Verbot der Prozessfinanzierung zwischen der Rechtsanwaltschaft und der Mandantschaft hier für den richtigen Weg."
Die BRAK hatte sich in ihrer Stellungnahme massiv gegen Erfolgshonorare und die Möglichkeit einer Prozessfinanzierung ausgesprochen. Diese führten zu Interessengegensätzen zwischen Rechtsanwalt und Mandant, da der Rechtsanwalt zum Investor des Mandats und damit aufgrund der erheblichen ökonomischen Eigeninteressen gleichsam zur Partei werde. Er sei dann nicht mehr das unabhängige Organ der Rechtspflege (§ 1 BRAO). "Der Rechtsanwalt rückt in den gewerblichen Tätigkeitsbereich, da er nicht mehr nur seine Rechtskenntnisse anbietet, sondern auch sein Kapital (oder das eines Dritten).” Das Recht, so die BRAK, verkomme zur Ware und das Vertrauensverhältnis zwischen Rechtsanwalt und Mandant werde erheblich belastet. Zumindest was die Änderung bei der "Prozessfinanzierung" anbelangt, dürfte die BRAK nun zufrieden sein. Erfolgshonorare konnte sie jedoch nicht verhindern.
Union: "Wettbewerbsnachteil für Anwälte beseitigt"
Bei den Koalitionspartnern herrscht angesichts der erzielten Einigung in der Koalition Genugtuung: "Wir gestalten den regulativen Rahmen so, dass auch Rechtsanwälte ihre Geschäftsmodelle fortentwickeln und innerhalb ihrer berufsrechtlichen Pflichten im Wettbewerb mit Inkassodienstleistern bestehen können," erklärte MdB Luczak, der auch als Rechtsanwalt zugelassen ist. "In den letzten Jahren ist die Nutzung von Legal-Tech-Angeboten durch Verbraucher stark angestiegen. Diese Entwicklung geht an den Rechtsanwälten bis heute jedoch weitgehend vorbei, weil das Berufsrecht sie sehr stark reguliert", so Luczak.
Erfreut zeigte sich Luczak insbesondere über die Aussicht, dass Anwält:innen künftig Erfolgshonorare verlangen dürfen. Derzeit hätten Legal-Tech-Anbieter "einen erheblichen Wettbewerbsvorteil" gegenüber Rechtsanwälten, da sie diese vereinbaren dürften. "Der Gesetzentwurf beseitigt diesen Wettbewerbsvorteil und schafft ein Level-Playing-Field. Verbraucher erhalten nun eine größere Auswahl und Rechtsanwälte können Mandanten künftig attraktive Angebote machen."
"Weitergehende Pflichten für Legal-Tech-Anbieter"
Um die Wettbewerbsbedingungen anzugleichen, soll es aber nach Angaben der Union auch für Legal-Tech-Anbieter im Vergleich zum Ursprungsentwurf "weitergehende Pflichten" geben: "So sollen zukünftig Inkassodienstleister für ihre Kunden erstreckende Gelder unverzüglich an diese auskehren müssen. Damit reduzieren wir das Insolvenzrisiko für die Kunden von Legal Tech Anbietern", erklärte Luczak.
Mit den nun vorgesehenen Änderungen, so Luczak, werde dem unionsrechtlichen Kohärenzgebot Rechnung getragen und der regulative Rahmen für Rechtsanwälte und Inkassodienstleister verfassungs- und europafest ausgestaltet.
SPD-Politiker Brunner ergänzte: "Durch das Gesetz stärken wir zum einen Verbraucherinnen und Verbraucher, aber auch Unternehmen, da diese von interessanten Beratungsangeboten der Rechtsanwaltschaft zur Durchsetzung von Forderungen profitieren werden. Zum anderen schaffen wir Rechtssicherheit im Spannungsfeld zwischen Inkassodienstleistern und der Rechtsanwaltschaft, die nun deutlich flexiblere Vergütungsmodelle anbieten kann."
Hasso Suliak, Verbraucherschutz im Rechtsdienstleistungsmarkt: . In: Legal Tribune Online, 02.06.2021 , https://www.lto.de/persistent/a_id/45107 (abgerufen am: 13.10.2024 )
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