Seitdem eine Gruppe von Anwälten lautstark neue Strukturen bei der Düsseldorfer Anwaltskammer fordert, rüsten die Etablierten auf: Sie zeichnen das Bild einer Einheit, die für die Zukunft gerüstet ist. Und ein klares Feindbild.
Rund einen Monat vor der Kammerversammlung geht es in Düsseldorf und Umland hoch her. Neben der Einladung und Tagesordnung hat das Präsidium um den langjährigen Präsidenten Herbert Schons mehrere Berichte und Bekanntmachungen, eine Kurzfassung von Schons Jahresbericht sowie einen Aufsatz der Schatzmeisterin auf der Webseite veröffentlicht.
Alle Dokumente werben für die Arbeit der Rechtsanwaltskammer (RAK) Düsseldorf, deren eigenen Anspruch Schons so definiert: "Ein verlässlicher und nahbarer Dienstleister für ihre Mitglieder zu sein und mit den ihr zur Verfügung gestellten Kammerbeiträgen gewissenhaft und sparsam umzugehen."
Die Transparenzoffensive dürfte auch auf den Vorstoß einer Gruppe von Anwälten um den PWC-Legal-Partner Dr. Sven-Joachim Otto und den Hengeler-Mueller-Partner Dr. Dirk Uwer zurückzuführen sein. Beide sind seit der von besonders vielen Syndizi und Wirtschaftsanwälten besuchten Kammerversammlung 2015 im Vorstand der Düsseldorf RAK. Nun wollen sie mit ihren Anträgen, die sich auf der Tagesordnung der Versammlung am 26. April ab Nr. 14 finden, Entschädigungen und Sitzungsgelder offen gelegt sehen, Führungsstrukturen grundlegend verändern und ein Compliance-Konzept durchsetzen. Und sie wollen den Steuerstrafrechtler Dr. Karl-Heinz Göpfert als neuen Präsidenten vorschlagen.
Der Amtsinhaber: bodenständig, streitbar, gut vernetzt
Der amtierende Präsident Herbert Schons will sich sein Amt nicht streitig machen lassen.
Der streitbare, nicht immer als diplomatisch bekannte Rechtsanwalt und Notar mit Schwerpunkten im Gesellschaftsrecht und anwaltlichen Gebührenrecht kennt das Geschäft; und das will er für sich nutzen.
Dem Vorstand der Düsseldorfer RAK gehört er seit 1989 an, seit 2012 ist er ihr Präsident. Schons ist aber auch Vizepräsident des Deutschen Anwaltvereins (DAV) und in der Doppelrolle im Kammerwesen und beim DAV gut vernetzt. Die Zusammenfassung seines Jahresberichts beginnt er mit einem Hinweis darauf, dass er bei der Reform des Prozesskosten- und Beratungshilferechts den "letztendlich zum Erfolg führenden Schulterschluss zwischen BRAK und DAV durch Gespräche mit den damaligen Präsidenten RA Axel Filges und RA Prof. Dr. Ewer fördern" habe können.
Auch für den 1. Vorsitzenden der Landgerichtsanwälte Duisburg (der dortige Anwaltverein) ist der Fachanwalt für Verkehrsrecht Schons die ideale Besetzung. Man kennt sich, Rechtsanwalt Florian F.P. Hesse nennt Schons, seinen Vorgänger auf dem Posten des Vorstandsvorsitzenden, "einen Vertreter einer bodenständigen Kanzlei aus Duisburg-Neumühl und gleichzeitig ein Mitglied des Präsidiums des Deutschen Anwaltsvereins, der aufgrund seiner Tätigkeit bei vielen Kolleginnen und Kollegen im gesamten Bundesgebiet großes Ansehen genießt."
Im Wahlkampf gegen "die Großkanzleianwälte"
Hesse hat ein klares Feindbild. Er befürchtet, dass Anwälte aus einigen Düsseldorfer Großkanzleien die nun zu wählende Hälfte des Vorstands "mit ihresgleichen besetzen". Und den Großkanzleien gehe es nicht um die ehrenamtlichen Tätigkeiten im Kammervorstand, sondern "schlichtweg darum, in den Kammern die Interessen der jeweiligen Dienstherren zu vertreten". So heißt es in einem Rundschreiben, mit dem Hesse die Mitglieder in dem Bezirk aufruft, die Kandidaten ihres Landgerichtsbezirks bei den Wahlen zu unterstützen, wenn nötig auch mit Hilfe eines zu charternden Busses.
Großkanzleianwälte hätten "keinerlei Kenntnis von der Praxis vor Ort, der forensischen Arbeit oder gar von Abrechnung nach dem RVG", so Hesse weiter. Dabei sei die Anfertigung von Gebührengutachten ein maßgeblicher Teil der Tätigkeit, die ein Vorstandsmitglied machen müsse. Der Duisburger Anwalt, selbst in der Zweier-Sozietät Moseler Hesse tätig, wünscht sich eine paritätische Besetzung des Vorstands der Anwaltskammer - "auch nicht so wie früher, wo er nur aus den Vertretern kleiner Kanzleien und Einzelkämpfern bestand. Aber so, dass der Vorstand die gesamte Anwaltschaft im Bezirk widerspiegelt, also auch nicht nur die Großen und die Syndizi".
Von den derzeit 14 Kandidaten, für deren Unterstützung die Gruppe um Otto und Uwer wirbt, kommen allerdings nur zwei aus Großkanzleien, ein weiterer ist Justiziar bei einem Regionalversorger. Aber auch die Aufstellung von Dr. Karl-Heinz Göpfert, der als Fachanwalt für Steuerrecht und Strafrecht in einer Zweier-Sozietät in Düsseldorf tätig ist, als Präsident, ist für Hesse "wenn überhaupt nur ein Schachzug".
Sven-Joachim Otto, seit 2015 im Vorstand und Initiator der Anträge, die den hitzig geführten Wahlkampf lostraten, wehrt sich gegen eine solche Lagerbildung. Es ist "nicht hilfreich, wenn versucht wird, 'Kleinanwälte' und Großkanzleien, 'niedergelassene' Rechtsanwälte und Syndikusrechtsanwälte auseinander zu dividieren." Ein freier Beruf lebe von Vielfalt, erklärte der PWC-Partner gegenüber LTO. Erst die Unterschiede in Größe und Ausrichtung ermöglichten es jedem, seinen Platz und seine Nische zu finden. Es sei vielmehr an der Zeit, dass die Kammer aufhöre, "Nabelschau zu betreiben und sich in hausgemachten Problemen wie dem kostenintensiven Zerwürfnis mit der Hauptgeschäftsführerin zu verlieren".
2/2: Veraltete Kammer oder zukunftsfähige Einheit?
Der Jahresbericht von Herbert Schons will diesem Eindruck entgegenwirken. Statt einer mit sich selbst beschäftigten Kammer mit veralteten Strukturen, zeichnet Schons das Bild einer leistungsfähigen Einheit, die trotz der Mehrbelastung durch das besondere elektronische Anwaltspostfach (beA) und die Zulassungsanträge der Syndikusanwälte Kosten einspart.
Die von der Gruppe um Otto und Uwer erhobenen Forderungen nach neuen Governancestrukturen, einem Compliance-Konzept, mehr Transparenz und weniger Entschädigungen für die Mitglieder des Vorstands seien weitgehend bereits erfüllt oder an ihrer Umsetzung werde gearbeitet, erklärt Schons gegenüber LTO. Die Strukturen seien modernisiert und Hierarchien flacher ausgestaltet worden. Dem Vorwurf der Intransparenz hält er entgegen, dass der Haushalt der Kammer von der Kammerversammlung verabschiedet und in den Kammer-Mitteilungen veröffentlicht werde.
"Auch die Entschädigungsordnung für den Vorstand, die auf der Internetseite der Kammer veröffentlicht wird, ist von der Kammerversammlung, also den Mitgliedern, beschlossen worden", betonte er. Das Präsidium, das die Reformer auf vier Mitglieder schrumpfen wollen, sei mit acht Mitgliedern bereits verkleinert, die Aufwandsentschädigungen seien gesenkt worden. Allein diese Maßnahmen hätten, so Schons, die pauschalen Aufwandsentschädigungen der Präsidiumsmitglieder von 2011 bis 2017 auf das Jahr gerechnet um knapp über ein Drittel reduziert, es seien nur 74.000 statt 112.250 Euro ausgegeben worden.
Der Vorstand arbeitet nach Ansicht des Fachanwalts für Verkehrsrecht äußerst effizient, das Thema sei im Jahr 2016 neu aufgesetzt worden. Die Tagesordnung der Vorstandssitzung sei neu geordnet worden, dieser werde nur noch mit für die Anwaltschaft relevanten Gesetzesvorhaben befasst. Man habe beschlossen, einen Ombudsmann einzuführen. Und: "Aktuell arbeiten wir an der Umsetzung einer Richtlinie zur Prävention von Korruption und Untreue sowie einer Einkaufsrichtlinie, die der Vorstand nach mehrmonatigen Diskussionen im Februar beschlossen hat."
Freude über die Finanzlage, Geld zurück für die Mitglieder?
Ähnlich positiv liest sich auch der Aufsatz von Schatzmeisterin Leonora Holling, betitelt mit "Freude über die Finanzlage". Das Defizit sei kleiner gewesen als angenommen, weil die Ausgaben reduziert worden seien. Die Kammermitglieder sollen davon, wenn es nach Holling geht, durch Reduzierung der Sonderumlage beA 2017 auf 49,50 Euro profitieren.
Diesbezüglich gibt es allerdings noch Gesprächsbedarf. Am 5. April soll in einer Vorstandssitzung unter anderem diese Reduktion noch einmal besprochen werden, bevor der Haushalt der Kammerversammlung, also den Mitgliedern, vorgestellt wird.
Geplant ist es zwar nicht, doch bei der Vorstandssitzung könnten auch die Kosten des Arbeitsrechtsstreits gegen die ehemalige Hauptgeschäftsführerin Susanne Offermann-Burckart noch einmal auf den Tisch kommen. Einige Vorstandsmitglieder halten die kalkulierten Rückstellungen nach LTO-Informationen offenbar für nicht ausreichend.
Die Kosten für das Kündigungsschutzverfahren Offermann-Burckart
Es ist auch kein Geheimnis, dass mehrere Vorstandsmitglieder die Kündigungsschutzverfahren, die auch laut Bericht der Schatzmeisterin weit kostenintensiver waren als geplant, gern schnellstmöglich beenden möchten. Präsident Schons, der sich im Übrigen auf seine Schweigepflicht berief, betonte aber gegenüber LTO, dass der Vorstand in dieser Sache bislang keine Entscheidung getroffen habe und es darum auch bei der Vorstandssitzung im April nicht gehen solle.
Die ehemalige Hauptgeschäftsführerin, der die Kammer nach elf Jahren gekündigt hatte, war mit ihrer Kündigungsschutzklage erstinstanzlich erfolgreich, ein Berufungsverfahren ist anhängig. Die Kammer sprach jedoch eine neue Kündigung aus, gegen die Offermann-Burckart ebenfalls vorgeht.
Für 2016 hat die Kammer 195.000 Euro zurück gestellt, für 2017 ist noch einmal derselbe Betrag geplant. Die Kosten für das erstinstanzliche Verfahren gegen die erste Kündigung lagen nach Angaben von Holling bei 7.821 Euro. Danach wechselte die Kammer, wie es im Aufsatz der Schatzmeisterin heißt, wegen des für die RAK negativen Ausgangs" den Rechtsberater, "auch bei Anstieg von Verfahrenskosten". Beauftragt wurde nun Dr. Alexander Bissels, für den seitdem weitere 70.000 Euro ausgegeben wurden. Der Arbeitsrechtler kommt aus der Großkanzlei CMS Hasche Sigle.
Pia Lorenz, Vor der Kammerversammlung in Düsseldorf: Im Wahlkampf gegen die Großkanzleianwälte . In: Legal Tribune Online, 21.03.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/22439/ (abgerufen am: 24.04.2024 )
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