Wird ein Anwalt vom Anwaltsgericht verurteilt, muss er die Berufung elektronisch übermitteln. Diese Pflicht aus der StPO gilt auch im anwaltsgerichtlichen Verfahren, meint der AGH Berlin. Der AGH NRW hatte das anders gesehen.
Anwälte müssen zur Einreichung von Schriftsätzen das besondere elektronische Anwaltspostfach (beA) nutzen – auch, wenn es um sie selbst als Betroffene eines anwaltsgerichtlichen Verfahrens geht. Das hat der Anwaltsgerichtshof (AGH) Berlin entschieden (Urt. v. 18.09.2024, Az. II AGH 14/23).
Der Rechtsanwalt in diesem Fall scheint kein Fan der modernen Kommunikationswege mit Gerichten zu sein. Weil er nicht ausreichend dafür gesorgt hat, dass sein beA ordnungsgemäß genutzt werden kann, bekam er im vergangenen Jahr wegen Verstoßes gegen die Berufspflichten vom Anwaltsgericht einen Verweis und eine Geldstrafe von 3.000 Euro aufgebrummt.
Gegen diese Entscheidung wehrte er sich und legte Berufung ein – natürlich nicht per beA, sondern per Fax. Der AGH Berlin hat die Berufung des Rechtsanwalts jedoch als unzulässig verworfen. Die Formvorschriften seien nicht eingehalten worden.
beA ist Pflicht für Rechtsanwälte – ob als Verteidiger oder Betroffene
Seit 2022 sind Verteidiger und Rechtsanwälte gemäß § 32d Strafprozessordnung (StPO) dazu verpflichtet, Berufungen als elektronisches Dokument zu übermitteln. Diese Vorschrift gelte sinngemäß auch für das anwaltsgerichtliche Verfahren, meinte der AGH Berlin.
Dass der Rechtsanwalt selbst Betroffener des Verfahrens war und nicht als Verteidiger für eine andere Person die Berufung eingelegt hat, ändere nichts an der Anwendbarkeit der Norm. "§ 32d StPO gilt für Verteidiger und Rechtsanwälte. Als Rechtsanwalt ist er Betroffener des anwaltsgerichtlichen Verfahrens. Ist er gerade als Rechtsanwalt Beteiligter des Verfahrens, muss er auch die für Rechtsanwälte geltenden zwingenden Formvorschriften einhalten", so die klare und knappe Begründung des Gerichtshofs.
Die Anwendbarkeit der StPO-Vorschrift im anwaltsgerichtlichen Verfahren ergebe sich aus § 116 Abs. 1 S. 2 der Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO), der die ergänzende Anwendung der StPO vorsieht. Mit dieser Auffassung stellt sich der AGH Berlin gegen eine Entscheidung des AGH Nordrhein-Westfalen (NRW), Urteil vom 21.4.2023 – 2 AGH 10/22. Der ist der Meinung, dass die Pflicht zur elektronischen Übermittlung im anwaltsgerichtlichen Verfahren nicht gelte.
Nach dem Verständnis des AGH NRW haben Rechtsanwälte gemäß § 37 BRAO die Wahl, ob sie Erklärungen schriftlich oder beA einreichen. Insofern müssten auch Berufungen gegen Entscheidungen des Anwaltsgerichts nicht zwingend über das beA übermittelt werden (§ 143 Abs. 2 BRAO).
BRAO kennt spezielle Verfahrensrechtsordnung
Der AGH Berlin hält die allgemeine Vorschrift des § 37 BRAO im anwaltsgerichtlichen Verfahren bereits für nicht anwendbar. Denn die BRAO-Vorschriften, die das anwaltsgerichtliche Verfahren regeln, seien vorrangig und spezieller. Sie bilden eine "eigenständige und abschließende Verfahrensrechtsordnung". Dazu gehört auch der § 116 StPO, wonach die StPO ergänzend heranzuziehen ist.
Rechtsanwälte, wenn sie als Betroffene auftreten, von der Pflicht zu befreien, ihre Erklärungen elektronisch zu übermitteln, sei mit dem Ziel, den elektronischen Rechtsverkehr umfassend durchzusetzen, nicht vereinbar. "Dass der Gesetzgeber ausgerechnet für das anwaltsgerichtliche Verfahren, in dem der angeschuldigte Rechtsanwalt ohnehin ein besonderes elektronisches Anwaltspostfach für die elektronische Kommunikation vorzuhalten hat, einen anderen Weg verfolgen und von einer Pflicht zur Nutzung des elektronischen Rechtsverkehrs absehen will, kann nicht ernsthaft erwogen werden", schlussfolgert der AGH Berlin.
Auch dass der Rechtsanwalt in diesem Fall gar keinen Zugang zu seinem beA hatte, ließ der Gerichtshof nicht gelten. Er hätte die Berufung auch als elektronisches Dokument mit qualifizierter elektronischer Signatur oder auf einem anderen sicheren Übermittlungsweg an das Gericht senden können. Oder aber, er hätte einfach einen anderen Rechtsanwalt bitten können, das Dokument für ihn zu übermitteln.
Der AGH Berlin hat die Revision nicht zugelassen. Auch wenn das AGH NRW die Sache anders gesehen hatte, sei die Frage geklärt. Der AGH Berlin weist darauf hin, dass zwischenzeitlich auch der Bundesgerichtshof eine Entscheidung zu der Frage nach der Anwendbarkeit getroffen hat. Die bezog sich zwar auf die Anwendbarkeit von Vorschriften der Verwaltungsgerichtsordnung bezog, betraf aber im Grunde die selbe Kernfrage.
lmb/LTO-Redaktion
AGH Berlin weist Berufung per Fax zurück: . In: Legal Tribune Online, 02.12.2024 , https://www.lto.de/persistent/a_id/56006 (abgerufen am: 20.01.2025 )
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